Textversion
Neue Artikel (gemischt)BuergerzeitungDirekte DemokratieEuropaDeutschlandKunst / KulturPresseMedienModulRedaktionArchiv

Redaktion:

P. M. Cabaço

Maren Schullenberg

Sylla

A.C. Kessler

Angelika von Stocki

Emanuel (Togo)

Helmut Lorscheid

Wittkowski

Cedric Wrieden

Monika Thees

Guenter Stanienda

Stefan Jalowy

Friedrichson Pressebild

Norbert Cosma

Eugen Möller-Vogt

Annette Czerny

Redaktion Repke

Achim Wolf (awo)

Mühlpfordt

Allgemein:

Neue Artikel (gemischt)

Kontakt / Redaktion

Skellettsicht

FAQ

Umfragen

Politik in Bildern

Impressum

Schwarzweisse AugenBlicke im bunten Wrangel-Kiez

Kniestruempfe und Kleiderstaender

(Bild: Copyright by Stefan Jalowy)

Fotograf und Autor Markus Epha präsentiert Stillleben-Aufnahmen zwischen Kleiderstangen und Bügelautomaten in einem Original Kreuzberger Waschsalon

Berlin, 16.07.2010. Das Interieur stammt noch aus den 60er-Jahren, es duftet nach Weichspüler und Benzinbad und die Chefin trägt eine makellos weiße Kittelschürze -und fast wie zufällig hängt etwa ein Dutzend Schwarzweiss-Fotografien neben frisch gereinigten Sommerkleidern unter ihren bauschigen Cellophan-Schutzhüllen. Markus Epha hat einen ungewöhnlichen Ort für seine Fotoausstellung gewählt: eine Wäscherei mit chemischer Reinigung in der Wrangelstraße am östlichen Zipfel von Kreuzberg, hart an der Grenze zu Treptow. Die Häuser hier sind verwittert, hastig hingesprayte Grafittis und abplatzender Fassadenputz beherrschen die Optik der Altbauten - Bergmann-straße und T-Damm mit ihren chicen Strassen-Cafés sind weit weg. Während die hand-verlesene Schar der Vernissagen-Gäste bei 36 Grad Wärme nach Abendluft oder einem Schluck Wasser japst...spielt auf der Kreuzung gleich nebenan das Kiezleben vollkommen unberührt vom avantgardistischen Kulturereignis die gleiche Serenade wie jeden Freitag-abend. Auf den Betonpollern vor dem "Kaiser's" hocken Männer mit lebens- und schicksals-gegerbten Gesichtern, plaudern mit schwankenden Stimmen und glasigen Blicken und der Wein im 1,5-Liter Tetrapak steht bedrohlich nah Bordstein. Mit Schritten wie nach 14 Tagen auf einem Fischtrawler kreuzt eine reichlich frühzeitig verblühte Kiez-Madame mit quietsch-bunt- schwarzem XXL-T-Shirt, das sich ächzend über einem XXXXL-Busen spannt, in Richtung der Weintrinker - sorgsam bemüht sowohl Contenance als auch Haltung zu bewahren.

Vernissage im Waschsalon

(Foto: stj)


Inzwischen haben sich die Vernissage-Gäste auf dem Trottoir vor der Wäscherei grüppchenweise verteilt. Es wird über die Transparenz wie die Transzendenz des Fotokünstlers diskutiert, an trockenen Brezen genagt und zwei Damen fächeln sich synchron Atemluft mit Fächern heran. Vor dem "Spätverkauf" nebenan lungern zwei arabische Muscleshirts auf der Treppe und lugen neugierig wie irritiert auf die in ihren Augen wohl merkwürdige Zusammenrottung höchst kiezfremder Personen. Eine Transsexuelle stöckelt weihevoll an der Seite ihrer eventuell besten Freundin in die türkische Bäckerei, in der das Verkaufspersonal unter turbanartig gewickelten Kopftüchern Baklava, Fladenbrot und Mohnschnecken verkauft. Drei Fingerbreit unter dem beängstigend hochsitzenden Minirock vollzieht sich unterhalb des Spitzenrands der weissen Halterlosen das Freitagabend-Drama jeder stilbewussten Frau: eine breite Laufmasche rast genau von der Oberschenkelrückseite hinab in Richtung Kniekehle. Laufkundschaft mit Laufmasche - die Kiez-Mohikaner auf den Pollern stieren fasziniert. Auf Minisaum und Strumpfoberkante - nicht so sehr auf die Laufmasche.

Alle Fotos: Copyright by Stefan Jalowy (stj)

Bilder zur Ausstellung von Jalowy

Musikanten

Zur Galerie, Foto anklicken. Alle Fotos: Copyright by Stefan Jalowy (stj)


Cool Jazz, irgendwas von Miles Davis schmeichelt und saxophoniert vom Bürgersteig auf der anderen Seite. Vor seiner offenen Wohnungstür hat es sich ein junger Mann in einem pinkfarbenem Stapelstuhl bequem gemacht, die Beine ruhen hoch auf einem umgedrehten Papierkorb aus kanariengelbem Hartplastik. Nicht ganz so bequem wie der Bonvivant auf seinem Pflasterstrand hocken einige der Protagonisten von Markus Ephas Fotografien auf der harten Schaufensterbank der Wäscherei. Der Künstler selbst erläutert mit liebenswürdiger Offenheit neugierig Fotobegeisterten seine ganz individuelle Technik der Bildbearbeitung und in der Wäscherei rüstet eine Musikerin in Jeanskleid ihre "Quetschkommode" für die musikalische Rahmendarbietung der Vernissage. Es bedarf einiger Appelle des Künstlers, seine Gäste in den nicht eben klimatisierten Raum der Reinigung zu bewegen... und dann hebt ein harmonikaisch-harmonisches Summen und Brummen an. Dem gut zehn minütigen Auftaktstück lauschen die Vernissagisten ergriffen bis erstaunt und der Chronist schleicht nach drei, vier obligtorischen Beweisfotos an den Hörer-Zuschauern vorbei und zurück auf die Wrangelstrasse. Wo das Leben an diesem stickig-heissen Juliabend weiter perlt...manchmal sehr in Schwarzweiss - aber vorwiegend doch in harmlos-heiterem Bunt.

» Aeltere Artikel von Stefan Jalowy lesen