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Afghanistan, Bilanz des Schreckens. (Teil II.)

Eine Liste des Schreckens:


Von Paulo Miguel Cabaço

Teil II.

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Im Jahr 2001 besuchten weniger als eine Million Kinder eine Schule, darunter so gut wie keine Mädchen. In den Jahren 2008/2009 gingen mehr als fünf Millionen Kinder zur Schule, mehr als ein Drittel davon Mädchen.

--> In den Parlamentswahlen 2010 waren 40 Prozent der Wähler Frauen und 27 Prozent der Sitze gingen an Frauen. Laut Verfassung mehr als die 25% garantierten weiblichen Kandidaten.

Dieses zarte Pflänzchen Hoffnung für die Zukunft afghanischer Frauen und Mädchen sehen Massouda Jalal und ihre Mitstreiterinnen in Gefahr, wenn die Regierung in Kabul eine politische Beteiligung der Taliban und anderer strikt islamistisch-patriarchalischer Gruppen und Netzwerke für die Zeit nach Abzug der ISAF-Truppen aushandelt. Nur zu gut sind die drakonischen „Strafen“ in Erinnerung, mit denen unter dem Taliban-Regime Frauen und Mädchen für die Wahrnehmung fundamentaler Menschenrechte wie Bildung, Beruf oder Selbstbestimmung bedroht wurden. Die Zahl der verstümmelten und ermordeten Frauen und Mädchen kann für die Jahre des Taliban-Regimes nicht einmal ansatzweise geschätzt werden. Sollten die radikal-islamistischen Talibs wieder an der Macht beteiligt werden, so befürchtet Massouda Jalal einen „Totalverlust dieser Früchte und Gewinne aus den Bemühungen der Weltöffentlichkeit und der Frauen Afghanistans“. Nicht nur die Arbeit und die Existenz der Lehrerinnen und der weiblichen Dienstleisterinnen seien dann in Gefahr – sondern vor allem das Leben vieler Schülerinnen und Studentinnen.

Eine Liste des Schreckens:
Im März 2010 wurden in der Provinz Uruzgan, Süd-Afghanistan, der 18-jährigen Bibi Aysha von ihrem Mann Nase und Ohren abgeschnitten. Susanne Jesih von Amnesty International/Deutschland(AI/D) sagt dazu: „Offenbar hatte ein Taliban-Kommandant als Richter dieses Urteil verhängt. Das Verbrechen der jungen Frau war ihre Flucht vor ihren gewalttätigen Schwiegereltern“.

In der Provinz Badghis im August 2010 erschossen die Taliban eine Frau, nachdem sie zum Schwangerschaftsabbruch wegen angeblichen Ehebruchs gezwungen worden war.

Im August 2010 wurde ein Paar aufgrund von „Eloping“ (Heirat ohne Zustimmung der Familien) in einem Taliban-kontrollierten Dorf in Kunduz gesteinigt. Mitten im unter deutschem Kommando stehenden „Regional Command North“ (RC North)der ISAF.

Im Mai 2011 wurde Khan Mohammad, der Leiter der Porak Mädchenschule in der Provinz Logar, erschossen. Zuvor hatte er mehrere Morddrohungen erhalten und den „Befehl“, keine Mädchen zu lehren.

Safiye Amajan, die Verantwortliche des Ministeriums für „Frauenangelegenheiten in den Provinzen Afghanistans“,so AI/D, wurde vor ihrem Haus im September 2006 getötet. Offenbar die Vergeltung für ihren Einsatz zugunsten Erziehungs- und Bildungsangeboten für Frauen.

Mit sogenannten „Nachtbriefen“ (Night Letters) verbreiten die Taliban und andere aufständische Gruppen ein Klima der Angst in der ohnehin eingeschüchterten Bevölkerung. Drohbriefe oder Plakate werden in der Nacht auf Bäume, Moscheen oder Türen von Gebäuden geklebt. Die Briefe drohen mit Anschlägen gegen vermeintliche "Spione", die für die internationalen Streitkräfte arbeiten und sich ebenso gegen Sympathisanten der Regierung, darunter Lehrer und Regierungsbeamte richten. Im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen 2009 veröffentlichte die Taliban Drohbriefe jedem den Finger abzuscheiden, bei dem wasserfeste Tinte gefunden wird. Die Spezial-Tinte wird verwendet, um doppelte Stimmabgaben zu verhindern.

Abbildung: Massouda Jalal - (Foto: © stj


Belqis „Zhack“ (Jugendleiter des Jalal-Stiftung) sagt:
"Seit ich sehr jung war, kleide und verhalte ich mich wie ein Junge. Meine Eltern haben mir gesagt, es zu tun, sonst könnte ich nicht zur Schule gehen, allein auf der Straße sein, reisen oder einkaufen. Kein Mädchen kann diese Dinge tun. Jeder in meinem Dorf denkt, dass ich ein Junge bin. Als sie es entdeckten, bedrohten sie meinen Vater, er solle mich ändern - ansonsten würden sie ihm etwas antun. Er weigerte sich bis zu dem Tag, an dem um Mitternacht zwölf Männer in mein Haus einbrachen und meine Familie schlugen. Ich flüchtete durch einen Tunnel unter dem Haus. Mein Vater wurde schwer verletzt. Seitdem lebe ich nirgendwo, manchmal besuche ich meine Familie, aber ich kann nicht länger als zwei Tage bleiben. Ich vermisse sie ... ."

Für die Recht der Frauen. Weniger als 20 Non-Governmental Organisations (NGO) treten für die Rechte der Frauen im Süden Afghanistans ein. So gibt es in der Provinz Zabul nicht eine einzige und in den Provinzen Kandahar und Helmand, in denen die Taliban traditionell sehr grossen Einfluss haben, nur vereinzelt Organisationen oder Gruppen, die sich für Frauen- und Mädchenrechte einsetzen. In diesen Regionen, in denen nach Angaben von unabhängigen Beobachtern die Taliban und andere aufständische Gruppen, sowohl ISAF-Truppen, als auch die afghanischen Sicherheitskräfte von Nationaler Polizei (ANP) und Armee (ANA) in verlustreiche Gefechte und Hinterhalte verwickelt sind und die faktische Macht in Dörfern und Städten ausgeübt wird, geht die unmenschliche Saat von Terror und Einschüchterung durch brutale Gewalt an Wehrlosen weiter.In Zabul haben es die Taliban geschafft, wieder einen eigenen „Schatten-Gouverneur“ einzusetzen, der die Einhaltung der Gesetze und Anordnungen der Kabuler Regierung schlicht untersagt. Und das, obwohl die amerikanischen ISAF-Kräfte hier einen erbitterten – aber offenbar erfolglosen – Kampf gegen die islamistischen Extremisten führen. Nicht nur im Süden, sondern in allen anderen Landesteilen Afghanistans blicken viele Menschen mit Entsetzen auf diese Entwicklung, die sich nach dem vollständigen Abzug der internationalen ISAF-Schutztruppen auf das gesamte Land ausdehnen könnte.

Es wird befürchtet, dass zehn Jahre der Bemühungen und Opfer der internationalen Gemeinschaft nicht mehr sein könnten als eine schnell unter dem nächsten anachronistischen Gewalt-Regime vergessene Episode in dem Jahrhunderten alten Drama der blutigen Unterdrückung von Frauen, Mädchen und ebenso der Männer und Jungen Afghanistans.

Die Forderungen der Jalal Foundation


Teil II.: Afghanistan, eine Bilanz
Teil III.: Warum Frauen Frieden brauchen für den Wirtschaftsaufbau
Teil I.: Afgahnische Frauen und Mädchen bitten um Hilfe

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