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Afghanische Frauen und Mädchen bitten um Hilfe

„Helft uns in unserem Kampf gegen Gewalt."

Die Frauen und Mädchen Afghanistans bitten : „Helft uns in unserem Kampf gegen Gewalt und Unterdrückung!“

Von Paulo Miguel Cabaço

Berlin, 19.-23.10.2011. Die Frauen und Mädchen des seit Jahrzehnten von Krieg und organisierter Bandenkriminalität geschundenen Afghanistans erheben ihre Stimme. Es ist ein Appell an die demokratischen, zivilisierten und freien Völker der Welt, wenn die ehemalige afghanische Frauenministerin und Ex-Präsidentschaftskandidatin Massouda Jalal sagt: „Wir Frauen Afghanistans fordern die Einrichtung einer von der UNAMA (United Nations Assistance Mission in Afghanistan) geführten Monitoring-Gruppe, um Informationen über Angriffe und Bedrohungen auf die Menschenrechte in Afghanistan zu sammeln und weiterzuleiten.“ Mit Blick auf die Übergabe der vollständigen Sicherheitsverantwortung an die afghanische Zentralregierung in Kabul nach dem Abzug der letzten ISAF-Truppen spätestens 2014 befürchtet die engagierte Mutter dreier Töchter und international vielfach ausgezeichnete Bürger-rechtlerin eine humanitäre Katastrophe.

„Das Schlimmste wäre, wenn dann die Taliban oder radikale Warlords oder schlicht die kriminellen Mafia-Organisationen die faktische Macht an sich reissen und uns Frauen und Mädchen unserer Rechte berauben, uns mit brutaler Gewalt erneut unterdrücken – wie seit Jahrhunderten.“

Die von ihr gegründete Jalal-Stiftung ist eine unabhängige Non-Governmental-Organisation (NGO) in Afghanistan, in deren Mittelpunkt die Förderung der Rechte afghanischer Frauen und deren politische Teilhabe an einem nach afghanischen Massstäben demokratischen Staatswesen steht. So fördert die Jalal-Stiftung Projekte in allen afghanischen Provinzen, die Frauen und Mädchen in Fragen der Bildung, der Gleichberechtigung und beruflicher Chancen mit Blick auf verantwortliche Positionen in Wirtschaft, Verwaltung und Politik berät und praktisch unterstützt. Zum Auftakt der am 25. November startenden weltweiten Kampagne „16 Days of Activism Against Gender Violence“, die in diesem Jahr zum 20. Mal stattfindet, wird Doktor Massouda Jalal zu einer globalen Petition aufrufen. Zentrales Thema des acht Punkte umfassenden Forderungskatalogs ist der internationale Kampf gegen die Gewalt an Frauen in Afghanistan. Mit einer globalen Online-Unterschriftenkampagne sollen Menschen rund um den Globus nicht nur ihre Solidarität mit den afghanischen Frauen bestätigen - die erhofften Millionen von Unterschriften sollen sowohl den Vereinten Nationen (UN) als auch der Regierung in Kabul vorgelegt werde. Damit hofft die engagierte Bürgerrechtlerin und Powerfrau die selbstverständliche Forderung der afghanischen Frauen und Mädchen nach der Garantie ihrer Menschenrechte nachhaltig zu unterstreichen. Nicht nur im westlichen Ausland und in ihrer Heimat, sondern auch in anderen islamischen Ländern, in denen es mit den alltäglichen Rechten der Frauen nicht zum Besten steht.

"Wir haben genug von Regierungsbeamten, die sitzen und Tee trinken, während Menschenrechte verletzt werden [unkontrolliert, Anmerkung der Redaktion.]", sagte Amina, „Netzwerkmitglied“ aus Herat. „Wir fordern Handeln."

Die Europa-Reise.
Massouda Jalal wird von einer kleinen Delegation afghanischer Frauen begleitet, die aus eigenem Erleben und Erleiden über die Situation ihrer Geschlechtsgenossinnen in dem südasiatischen Land berichten. Ziel der zwanzigtägigen Reise durch europäischen Hauptstädte ist es, in Europa Institutionen und Gruppen zur Unterstützung zu gewinnen, die im Verbund mit Partnern wie „Amnesty International“ oder der „Rutgers University Center for Global Womens Leadership“ und „Women for Afghan Women“ die Jalal-Stiftung bei ihrem Kampf stärken.

Abbildung: Delegierte der Jalal-Stiftung - in Berlin. (Foto: © Paulo Miguel Cabaço/ pmc)

"Es ist unsere Hoffnung, dass durch das Aufrütteln von einem globalen Publikum die Aufmerksamkeit auf unsere Lösungen und Forderungen gelenkt wird.

Die Aufmerksamkeit und das Engagement der afghanischen Regierung wird folgen", sagte Hameeda Afghani, Generalsekretärin der Jalal-Stiftung.

Das Thesenpapier. In einem Auszug aus einem Thesenpapier der Jalal-Stiftung heißt es: „Wir, die Frauen von Afghanistan, verstehen, dass die Achtung der grundlegenden Menschenrechte von Zivilisten, insbesondere von Frauen und Kindern, ein wesentlicher Faktor zur Erreichung einer stabilen und gesunden Gesellschaft ist. Wir betrachten die Beteiligung von Frauen als unentbehrlich, um langfristigen Frieden im Land zu gewährleisten. Wir glauben, ohne die Beteiligung von Frauen werden Sicherheit, Frieden, Wiederaufbau und die nationale Einheit nicht möglich sein und die Rechtsstaatlichkeit nicht Realität werden. Die "Re-Talibanisierung" in Afghanistan droht den Fortschritt des Landes als Ganzes zu verhindern, aber vor allem wird der Fortschritt durch seine institutionelle Unterdrückung der Frauen gestoppt. Nur durch die Stärkung der Beteiligung und Führung von Frauen auf allen Ebenen des politischen und sozialen Lebens wird Afghanistan wachsen und gedeihen wie eine nachhaltige, friedliche Demokratie.“

"Wir wollen sicherstellen, dass die afghanische Regierung an die internationalen Menschenrechtsnormen gebunden ist", erläutert Jalal. "So können wir sicherstellen, dass alle Personen in der Lage sind, ihre grundlegenden Menschenrechte in Afghanistan zu genießen. Wir glauben, dass dies nicht zu viel verlangt ist - und wir haben zu lange gewartet.“

Aber wie ist die afghanische Situation wirklich?

Hintergründe:
Dezember 2001 beginnt ein internationales Bündnis unter britischer Führung und deutscher Beteiligung gemäß der UN-Resolution 1386 im Rahmen der internationalen ISAF-Mission (International Security Assistance Force). Truppen aus inzwischen 47 Nationen intervenieren militärisch in Afghanistan – ein friedenserzwingender Einsatz gemäß Kapitel sieben der UN-Charta. Zu den Hauptzielen der ISAF-Mission zählt neben der Zerstörung der Al-Quaida-Ausbildungscamps und der Beendigung des Regimes der streng islamistischen Taliban vor allem die Wiederherstellung der Menschenrechte und insbesondere der Rechte der Frauen in Afghanistan. Zehn Jahre nach Beginn der ISAF-Mission hat sich trotz erheblicher aufgewendeter Energie, trotz milliardenschwerer finanzieller wie praktischer Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft das Land am Hindukusch nicht signifikant weiterentwickelt. Obwohl Afghanistan internationale Verträge wie CEDAW (Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women / Konvention zur Abschaffung aller Diskriminierungen von Frauen) und die Kinderrechtskonvention/Children Rights Convention (CRC) ratifiziert hat, scheint dies nur wenige Auswirkungen auf das Leben der einfachen Leute zu haben. Statt von einer besseren Gesundheitsversorgung und einem funktionierenden Sozialsystem unterstützt zu werden, sehen sich Frauen und Kinder mit Schulschließungen, zunehmender Armut, mangelnder Sicherheit und kaum wahrnehmbaren Verbesserungen ihrer grundlegenden Gesundheitsbedingungen konfrontiert. Das Leben von Frauen und Kindern in Afghanistan hat sich auch nach einem Jahrzehnt der ISAF-Mission kaum verbessert.

Politisch und im praktischen Alltag hat in den zurückliegenden fünf Jahren der Einfluss der bis an die Zähne bewaffneten Warlords zugenommen, in vielen Distrikten bestehen faktisch rechtsfreie Räume. Die Unsummen ins Land fliessender "Hilfsgelder" hat die Korruption in nie gekanntem Ausmaß ermöglicht; der Aufstieg einer „narco-politischen Mafia“ und international perfekt vernetzter „Paten“ wurde durch den kaum überschaubaren Zufluss harter Währungen in das bislang bitterarme Land nachhaltig unterstützt. Aus Sicht der afghanischen Bürgerrechtlerinnen werden diese Probleme jedoch weitgehend ignoriert, da den Industrienationen die Bergbau- und Rohstoffindustrie geöffnet wurde, um so ausländische Investoren anzulocken. Zugleich wurde dabei der Schutz der Umwelt und Kulturstätten sträflich vernachlässigt.

Die Bilanz. Trotz der bitteren Bilanz zeigen Zahlen des „United Nations Development Programme“ (UNDP) durchaus Fortschritte in den Bereichen Bildung und politische Partizipation von Frauen in Afghanistan.

Teil II.: Afghanistan, eine Bilanz
Teil III.: Warum Frauen Frieden brauchen für den Wirtschaftsaufbau
Teil I.: Afgahnische Frauen und Mädchen bitten um Hilfe

(PDF-Dateiformat zum Download)

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