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Generation Praktikum

DGB-Jugend: Praktika müssen fair statt prekär sein

Berlin 10.5.2011. Die „Generation Praktikum“ hat die deutsche Belletristik erreicht: In seinem Roman „Copy Man“ beschreibt Markus Henrik das, wovon eine ganze Generation von Praktikanten ein Liedchen singen kann. Es geht nicht nur um Kaffee kochen. Es geht auch um vollwertige Arbeit, die man leistet, aber nicht bezahlt bekommt. Mit seinem humorvollen Buch spricht Henrik dabei aus eigener Erfahrung. Auch er hat diverse Praktika absolviert. Das Thema wurde am Dienstag von Betroffenen und Vertretern der Politik im Rahmen einer Veranstaltung der Deutschen Gewerkschaftsbund-Jugend (DGB) diskutiert.

Was bedeutet der Begriff „Generation Praktikum“ eigentlich? In den vergangenen fünf Jahren hat sich eine Entwicklung auf dem deutschen Arbeitsmarkt gezeigt, der die Arbeitskraft junger Menschen, oft von der Uni kommend, nicht durch feste Arbeitsverhältnisse, sondern Praktika einbindet. Dabei geht es meist auch nicht nur um ein Praktikum, sondern um mehrere – vor, während und nach dem Studium. Als diese Fakten die Titelseiten der großen Zeitungen erreichten, stand ein Name für die besagte Generation fest.

Miriam Zink gehörte in der Diskussionsrunde zu den so genannten „Betroffenen“. Sie ist das beste Beispiel für eine „klassische“ Biographie der „Generation Praktikum“. So lässt sich eine solch „klassische“ Biographie wie folgt darstellen: Drei Praktika wurden bereits vor dem Studium absolviert, mindestens eins davon in der Schule. Während des Studiums zwei weitere. Dann nach Abschluss des Studiums folgt noch mindestens ein Praktikum, bevor es in ein Arbeitsverhältnis geht. In der Summe sind es also sechs Praktika. Dies klingt recht viel, wenn man bedenkt, dass es sich um einen ungefähren Zeitraum von fünf bis sechs Jahren handelt.

Einer vom DBG in Auftrag gegebenen Studie zufolge leisten 81 Prozent der befragten Praktikanten in ihren Beschäftigungsfeldern vollwertige Arbeit. Angemessen bezahlt fühlen sich dabei nur 17 Prozent. 40 Prozent werden überhaupt nicht bezahlt. Besonders extrem ist die Situation in den kreativen Berufen, wie z.B. Grafikdesign. Viele Unternehmen dieser Sparte arbeiten heute personalsparend: Es gibt drei Chefs, die die Leitung des Unternehmens übernehmen und diverse Praktikanten, die die restliche Arbeit des Betriebs übernehmen. Die jungen Menschen, die sich mit Aufnahme des Praktikums erhoffen, erste Netzwerke in ihrem Berufsfeld aufbauen zu können, oder gar eine Chance zur Festanstellung zu ergattern, werden oft enttäuscht. Der so genannte „Klebeeffekt“, also eine feste Anstellung im Anschluss an ein Praktikums bleibt meist aus.

In vielen Punkten sind sich Vertreter der Oppositionsparteien im Deutschen Bundestag und des DGB einig. Praktika müssen zum Einen lehrreich sein. Zum Anderen gibt es hier gesetzlichen Handlungsbedarf. So sei nicht selbstverständlich, dass jeder Praktikant in Deutschland einen Vertrag bzw. einen Nachweis über seine Tätigkeit bekommt. Man müsse die Rechte von Praktikanten klarer definieren, sagte Sven Schulz, Bundestagsabgeordneter der SPD. Die Praxis zeige weit verbreitetes Unrecht und Ausbeutung, die Praktikanten quasi dazu zwinge sich unter Wert anzubieten. Dies gelte insbesondere für Praktika nach einem abgeschlossenen Masterstudium.

Dabei könne man nicht auf das Einlenken der Unternehmen hoffen, sagte Nicole Bohlke (Linke). Sie forderte weiterhin eine Mindestvergütung von Praktika im Wert von 300 Euro, sowie eine Höchstdauer von sechs Monaten. Alles darüber verdiene einen unbefristeten Angestelltenvertrag. Die Kehrtseite dieser Forderung ist jedoch, dass es viele kleine Betriebe gibt, die auf Praktikumsstellen angewiesen sind und es sich nicht leisten können, Praktikumsvergütung zu zahlen. Optimistischer sieht es Kristina Kämpfer von der Liberalen Hochschulgruppe. Sie ist der Meinung, eine Pflicht zur Praktikumsvergütung sei nicht nötig, da Studenten und junge Menschen in der Lage wären zu erkennen, welche Praktika lehrreich und welche Ausbeutung seien.

Kai Gehring, Grünen-Abgeordneter im Deutschen Bundestag, bemängelte, dass der Öffentliche Dienst im Punkt Praktikumsvergütung oft keine Vorbildfunktion erfüllen würde. So gibt es auch Praktika in Bundesministerien von einer Dauer bis zu sechs Monaten, die nicht bezahlt werden. Erst nach einer Kleinen Anfrage der Grünen-Fraktion im Bundestag hätte die Bundesregierung eingeräumt, die Vergütungsrichtlinien noch einmal zu überarbeiten. Dies sei zumindest ein „erster Fortschritt“, so Gehring. Er betonte, Praktika müssen fair sein, nicht prekär.

Einig ist man sich darüber, dass Praktika etwas Gutes sind. Sie können sehr lehrreich sein und eine Hilfe für den weiteren Werdegang im Berufsleben. Die Bedingungen, die auf dem Markt herrschen sind dabei jedoch äußert unterschiedlich. Sie reichen von einer Art „fairen Schnupperzeit“ bis hin zu vollwertiger Arbeit, die eher an Ausbeutung erinnert als an eine freiwillige Arbeitsstelle. Wie dieses Problem zu lösen ist, stellt eine große Herausforderung da. Die Diskussionsteilnehmer des vergangenen Dienstag waren sich jedoch einig, dass die Bundesregierung an der Reihe ist, die Bedingungen auf dem Praktikumsmarkt zu überarbeiten. (cw)

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