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Sterbehilfe – Eintagsfliege oder Normalität?

Bettina Schardt ist kein Einzelfall


Von Annette Czerny (ac)

Berlin, 15. Juli 2008. Sterbehilfe galt in Deutschland bislang als Tabu-Thema, wenn da nicht der ehemalige Hamburger Justizsenator Roger Kusch wäre. Am 3. September 2007 gründete er die Roger Kusch Sterbehilfe e.V. in Hamburg, nach eigenen Aussagen hat der Verein bereits 50 Mitglieder. Am 28. Juni dieses Jahres gerät Kusch mit seinem Verein in die Schlagzeilen, als er einer 79-jährigen Frau beim Sterben hilft.

Bettina Schardt wurde am 28. August 1928 in Berlin geboren und machte von 1949 bis 1952 in Großbritannien eine Ausbildung zur Krankenschwester. Sie kehrte nach Berlin zurück, um dort eine Ausbildung als medizinisch-technische Assistentin zu absolvieren. Schardt ging dann nach Würzburg, wo sie bis 1990 als leitende Röntgenassistentin an der Uni-Kinderklinik arbeitete. Im Jahr 2002 wurde die Krankenschwester Mitglied des Sterbehilfevereins Dignitas in der Schweiz.

Am 17. Mai 1998 gründete Ludwig A. Minelli den Verein, der seinen Sitz in Forch im Kanton Zürich hat. Nach Angaben von Minelli hat der Verein aktuell 6.000 Mitglieder aus 52 Ländern, darunter 850 aus der Schweiz, 3.000 aus Deutschland und ungefähr 700 aus England. Wer Mitglied werden will, muss eine Eintrittsgebühr von 125 Euro sowie einen jährlichen Mitgliedsbeitrag von 50 Euro zahlen. Doch wer glaubt, damit sei genug, der irrt. Rund 6.000 Euro verlangt Dignitas für das Begleiten in den Tod. Dignitas setzt Grenzen und stellt Kriterien auf, die bei der Sterbehilfe eingehalten werden müssen. Den Menschen mit einer unheilbaren, tödlichen Krankheit, einer unzumutbaren Behinderung oder unerträglichen Schmerzen hilft der Verein beim Freitod.

Anfang des Jahres kontaktierte Bettina Schardt den 20 Jahre alten Sterbehilfeverein Dignitas. Da sie aber weder krank noch behindert war oder Schmerzen hatte, lehnte der Verein es ab ihr zu helfen. Am 8. April 2008 nahm die 79-Jährige dann Kontakt zu Roger Kusch auf und nur sechs Tage später fuhr er nach Würzburg zu einem persönlichen Gespräch. Nach zwei weiteren Besuchen brachte der ehemalige Justizsenator von Hamburg Bettina Schardt tödliche Medikamente mit.

Doch was sind das für Medikamente und welchem Zweck dienen sie wirklich? (Tödliche Medikamente)
Laut Angaben von Roger Kusch begang Bettina Schardt mit Diazepam und Chloroquin in ihrer Wohnung Suizid. Der Internetanbieter für Medizin und Gesundheit, onmeda.de, beschreibt die Wirkungsweise der Medikamente. Chloroquin hemme „Entzündungen bei rheumatischen Erkrankungen“ und stoppe die „Vermehrung der Malariaerreger in den roten Blutkörperchen“. Diazepam löse „Unruhe, Angst, Spannungszustände“ und „Muskelverspannungen“. Außerdem würde die Übererregbarkeit im Gehirn gedämpft, das Bewusstsein eingeschränkt sowie das Ein- und Durchschlafen gefördert.

Es wird vermutet, dass Bettina Schardt das Diazepam geschluckt hat, um die Schmerzen zu lindern. Das Mittel sei allerdings in niedriger Dosierung dafür völlig ungeeignet. Nimmt die Sterbewillige hoch dosiertes Chloroquin dazu, führt dies zu schmerzhaften Muskelkrämpfen. Kreislauf und Blutdruck würden in diesem Fall zusammenbrechen und der Tod trete durch Atemstillstand ein, erklärte Professor Martin Schulz, Chef der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker. Dies würde im Allgemeinen ein qualvolles Ableben bedeuten.

Bettina Schardt habe nach eigenen Angaben fürchterliche Angst gehabt in einem Pflegeheim zu verenden und entschied sich deshalb, laut der Internetseite des Vereins Robert Kusch, in Würde zu sterben. Die Altenpflegerin Frau L. aus Wiesbaden bestätigt, dass viele Patienten wenig Vertrauen in Altersheime haben. Eine 83-jährige Frau wolle sterben, genauso wie Bettina Schardt aus Würzburg, schilderte L. Die Sterbewillige sei jedoch kerngesund und könne auf ein „tolles Leben zurückblicken“. Sie leide lediglich an Altersdepressionen. Vor zehn Jahren starb ihr Mann. Daraufhin kam sie in ein Heim, wovor sie panische Angst hatte. Die Frau gelte als streng katholisch und glaube an ein Leben nach dem Tod. Jeden Abend bete sie zu Gott, damit er sie endlich zu sich nehme und sie erlöse, denn sie habe Sehnsucht nach ihrem Mann und wolle wieder bei ihm sein. Vor dem Tod aber habe sie Angst und möchte nicht leiden. Ihr einziger Angehöriger sei ihr Sohn, der sie regelmäßig besuche. Er sage, wenn er könne, dann würde er ihr helfen. Regelmäßig spreche sie das Personal des Pflegeheims an und bitte es um Sterbehilfe. Die Angestellten können sie nicht unterstützen. Sie reden auf die entschlossene Dame ein.Bettina Schardt ist kein Einzelfall. Der Wunsch einiger Menschen ist es, in Würde zu sterben, ohne dabei in einem Pflegeheim lebend zu leiden. Wäre diese Dame ein neuer Fall für Roger Kusch?

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