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Rassismus made in Germany (BRD) 1980 bis 1990

Dossier. Rassismus ist Opium fürs Volk


Von Rahim Srhirmahd *

Deutsche Gifthersteller hatten die Düfte der iranischen Küche in ihren Produkten nachgeahmt und sie Saddams General „Chemie Ali“ verkauft.
Als US-Berater dann die Windrichtung ausgemacht hatten und das Gift die iranische Luft erreicht hatte, dachten Kiomars Freund und Tausende seiner Kameraden, dass Mamas Leibgericht „Sabsi-khoresht“ aus sieben frischen Kräutern in der Feldküche zubereitet werde.

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Über den Tod von Kiomars Javadi, Lagerprojekt BRD


Kiomars Javadi war eines der vielen Opfer des Lagerprogramms der 80er und 90er Jahren in der BRD.

"... dass durch ihr Verhalten der Tod des Angeklagten eintreten konnte." Das Urteil im Javadi-Würgerprozess

1978 kam das erste Asylverfahren-Beschleunigungsgesetz; 1980, als erstmals über 100.000 Asylanträge nach Paragraph 16 des Grundgesetzes der Bundesrepublik („Politisch Verfolgte genießen Asyl“) gestellt worden waren, das wegen seiner gravierenden Folgen für das Leben der Asylbewerber berüchtigte zweite.

In den darauf folgenden zehn Jahren bewegte sich die Zahl der Asylanträge hier zu Lande stets bei rund 100.000. Damit rangierte die BRD 1987 weltweit auf Platz 55, während etwa Djibuti, das kleinste afrikanische Land, den vierten Platz belegte. Im Iran lebten trotz Krieg und Revolution über vier Millionen ausländische Flüchtlinge überwiegend aus Irak und Afghanistan, ebenso in Pakistan. Laut Jahresbericht des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen lag die Anerkennungsquote in der BRD in dieser Zeit bei fünf Prozent.

In Deutschland blieb die Hauptleidenschaft der rechtpopulistischen Politiker von CDU/CSU dennoch die weitere Aufweichung des §16, was dann Mitte der 90er Jahre auch erreicht wurde. Die „C-Parteien“ werden wohl nie wieder solch glückliche Wahlkampfthemen finden wie in jenen rassistischen Tagen.

Im August 1980 setzte die Bundesregierung verschiedene Maßnahmen gegen Asylsuchende in Kraft: sie wurden in Sammellagern untergebracht, durften währen des Verfahrens nicht arbeiten und ihren Aufenthaltsort nicht verlassen. Die Meinungsmache im Kontext des zweiten Beschleunigungsgesetzes wurde in einer Diplomarbeit an der Evangelischen Fachhochschule für Sozialwesen in Reutlingen wie folgt beschrieben:

Obwohl Bürgerkriege und Unruhen große Teile der Welt erschütterten, wurde die Ursache des Anstiegs der Asylbewerberzahlen von den Politikern und Medien zunehmend nicht mehr in der Situation in den Herkunftsländern der Flüchtlinge, sondern hauptsächlich in der wirtschaftlichen Attraktivität der Bundesrepublik gesehen“.

Begriffe wie „Missbrauch des Asylrechts”, „Scheinasylanten”, „Wirtschaftsflüchtlinge” oder „Asylanten-Schnorrer“ seien zu jener Zeit aufgekommen und gebräuchlich geworden. Zur öffentlichen Stimmung 1986 heißt es dazu weiter: „Der Beschluss des Bundestages kam nach einer monatelangen Hetzkampagne, mit dem Ziel, die deutsche Bevölkerung gegen die Flüchtlinge und Ausländer insgesamt aufzubringen und eine Pogromstimmung zu erzeugen, um die Verabschiedung dieser menschenverachtenden Verschärfungen ohne nennenswerten Widerstand zu ermöglichen.“

Den Asylbewerbern wollte man das Leben so schwer machen, bis der letzte Buschtrommler signalisiert: „nicht nach Baden-Württemberg, dort gibt es Lager“ - so hörte sich der damalige Ministerpräsident Lothar Späth gerne rufen. Auch Franz Schönhubers erfolgreiche Gründung der Partei "Die Republikaner" war wohl jener Pogromstimmung zu verdanken. Allerdings stieß das Lagerprogramm teilweise auf Widerstand und spaltete die Bevölkerung. Die GegnerInnen des Thiepval-Lagers gründeten einen „Freundeskreis für Asylsuchende“. Sie publizierten ein Buch mit dem Titel „Lager und Menschenwürde“ und leisteten Rechtsbeistand und menschliche Hilfe für die Lagerbewohner. Auch Redakteure der Lokalzeitung "Schwäbisches Tagblatt" förderten den zivilen Ungehorsam und veröffentlichten darüber hinaus Berichte über einzelne Lagerinsassen. Weil darin auch die Systeme in den Heimatländern der Flüchtlinge kritiisert wurden, vergrößerten sich für viele die Asylschancen.

Als ich im September 1982 nach Tübingen verlegt wurde, existierte der Freundeskreis aber nicht mehr. Man berichtete mir, dass „Evangelikale “ und „Linke“ sich gegenseitig „bekämpft“ hätten bis zum Stillstand der Initiative. Ich schrieb eine Einladung an 55 Ex-Aktivisten zu einem Weihnachtstreffen. Mit Leuten aus dem Thiepval-Lager teilte ich die Briefe aus. Es kamen einige von Nächstenliebe motivierte Damen. Wir belebten den Kreis, der aber bald wieder in Agonie fiel und nach zwei Jahren in die Obhut der Mitarbeiter der Diakonieabteilung aus Stuttgart rutschte.

Die Buschtrommler-Formulierung von Lothar Späth blieb, ins Kritische gewendet, die Standardparole der Flüchtlingsfreunde im Tübingen der 80er und 90er Jahre. Sie sollte die Asylpolitik in der BRD schmähen und dem Moralanspruch mehr Durchschlagskraft verleihen. Im Lauf der Zeit aber verkam der kritische Ton zum reinen Selbstzweck, der die guten Absichten teilweise untergrub. 1985 verlangte ich bei einer Veranstaltung nach mehr Ernsthaftigkeit, denn man redete Abende lang über eine Situation, die angeblich meine sein solle, bei der ich mir allerdings völlig persifliert vorkam. Es wurde ein Artikel veröffentlicht, der mich als „amoklaufender iranischer Flüchtling“ hinstellte, „der wegen sein langes Lageraufenthalts am Ende seiner Nerven ist“.

Mein Weg ins deutsche Asyl
Im Sommer 1980 hatte ich den Iran mit der Absicht verlassen, vor den nachrevolutionären Politwirren zur Ruhe zu kommen. Ich hielt mich in der benachbarten Türkei und in Griechenland auf, als im September Saddam Hussein iranische Städte im Grenzgebiet überfiel und dem Land einen achtjährigen Krieg aufzwang. Die Grenzen des Iran wurden für einige Zeit geschlossen.

Ich blieb in Istanbul und hoffte auf eine baldige Grenzöffnung. Dort lernte ich einen Afghanen kennen, der in Deutschland studierte und durchblicken ließ, dass mit Hilfe seiner iranischen Freunde in Karlsruhe auch für mich ein Auslandsstudium möglich sei. Ich kam am Heiligen Abend 1980 in Frankfurt an, ging nach Karlsruhe und bekam dank jener Freunde ein Zimmer in einem Studentenwohnheim. Als Gegenleistung betreute ich einmal die Woche einen Büchertisch gegen die iranische Regierung in der Mensa. Im Januar 1981 begann der Deutschkurs. Im März hieß es jedoch, man dürfe nur gegen Vorlage der Aufnahmeprüfung einer iranischen Uni studieren. Seltsam, diese Sabotagemethode: diese Unis waren 1979 als Folge der islamischen Kulturrevolution geschlossen worden.

Ich hätte die Bundesrepublik wieder verlassen oder eine einheimische Frau heiraten müssen, wenn ich nicht Asyl beantragt hätte. Die meisten meiner Landsleute prophezeiten damals den Zusammenbruch des iranischen Regimes innerhalb der „nächsten 2 Monate“. Die Heimkehr sei greifbar nahe, der formelle Asylantrag demnach dienlicher. Zweifel an den „nächsten 2 Monaten“ galt, auch wenn diese Prognose im Frühjahr 1981 zum dreizehnten Mal immer noch nicht eingetroffen waren, als Blasphemie. Eine politisch aktive Freundin riet mir, eine Scheinehe zu schließen. „Du musst dir an Rosa Luxemburg ein Beispiel nehmen, die des Aufenthalts wegen einen Ausländer heiratete“. Ich beantragte am 16.09.1981, meinem 23. Geburtstag, politisches Asyl.

Im Sammellager Karlsruhe
Ich wurde sofort ins Karlsruher Lager eingewiesen. Das Zimmer teilte ich mit fünf Personen. Ich durfte die Stadtgrenzen nicht mehr überschreiten. Man durfte nicht arbeiten. Viele flohen in Alkohol und Drogen und verkamen vor meinen Augen. Das Verhalten des Lagerpersonals erinnerte zum Teil an Berichte aus einem stalinistischen Straflager. Menschen im Lager forderten die Ablösung des unfreundlichen Lagerpersonals. Diese Forderungen richteten wir an das Regierungspräsidium. Die Behörden entfernten sämtliche Asylbewerber aus dem Lager, die das Beschwerdepapier unterschrieben hatten. Wir mussten in ein Lager, 13 Kilometer von Heilbronn entfernt, nahe an einem Kohlekraftwerk. Keiner wollte dorthin. Ich verschwand vor dem morgendlichen Abtransport aus dem Lager und erschien erst gegen Mittag beim Lagerleiter.

Ab in die Thiepval-Kaserne
So kam ich im September 1982 in die Thiepval-Kaserne. Im Lager rief ich eine Teestube als Begegnungsraum für Tanz und Diskussion und das Irankomitee an der Universität Tübingen ins Leben. Beim ersteren schoss die Sozialbetreuung dagegen. Für letzteres versuchte ich vergeblich, Iraner zu organisieren, die aber sahen in mir einen Störenfried. Zudem gründete ich die Lager-Zeitung „Internationale Freundschaft“, ein mehrsprachiges Journal für Deutsche und in Deutschland lebende Flüchtlinge, die zwischen 1983 und 1985 erschien. Die Sozialbetreuung wollte das Blatt verbieten. Ich bekam die Erlaubnis, außerhalb des Lagers zu wohnen - und am nächsten Tag Hausverbot für die Thiepval-Kaserne. Ich gab jedoch nicht auf. Schließlich wurde ich zum Regierungsdirektor zitiert. Wider die Erwartung der fraglichen „Diakonen“ verbot man das Blatt nicht, es dürfe nur nicht "im Haus ausgelegt" werden. Nach der zweiten Ausgabe wurde ich als Herausgeber wegen übler Nachrede verurteilt: Ein Freund aus Kamerun, der gerade etwas für die Lager-Zeitung schrieb, hatte gehört, wie ein zwölfjähriges Mädchen aus Eritrea, das das Frühstück für den Bruder abholen wollte, von einer einheimischen Frau bei der Essensausgabe beschimpft wurde: „Nicht für deine Bruder, deine Arschficker“. Ich gewann aber mit Hilfe einer weiteren Küchenmitarbeiterin und eines Anwalts die Revision.

Die Anerkennung der Iraner mit islamischem Hintergrund begann erst Anfang 1984. Auch ich wurde anerkannt. Fast zwei Jahre hätte ich offiziell in Lagern wie dem in der Tübinger Thiepval-Kaserne verbringen müssen. In Wirklichkeit verkürzte sich diese Zeit dank vieler FreundInnen auf wenige Monate. Nach meiner Anerkennung schloss ich mich der Friedensbewegung und den Grünen an - und trennte mich von der iranischen Scheinopposition, die in Hunderte eigennütziger Cliquenvereine gespalten war.

Kiomars
Kiomars Javadi wurde 1966 in Share Rey, einem Vorort von Teheran geboren. Im Mai 1986 kam er mit einem falschen Reisepass nach Deutschland. In dieser Zeit tobte im Iran immer noch der achtjährige Krieg unter Kommando von Saddam Hussein. Wir lernten uns kennen, da ich oft im Lager Einzelbetreuung machte. In Teheran war er in einem Farblabor beschäftigt gewesen. Er zog bei mir Fotos von einem Jimmy Cliff-Konzert ab, die er selbst aufgenommen hatte. Kiomars erzählte mir vom qualvollen Tod seines Schulfreundes, einem christlichen Iraner russischer Herkunft, den er auf dem Sterbebett eines Teheraner Krankenhauses besucht hatte. Beide waren wehrpflichtig geworden. Kiomars aber hatte sich versteckt gehalten, während sein Freund in den Krieg zog. Dort hatte er Giftgas eingeatmet und starb.
Deutsche Gifthersteller hatten die Düfte der iranischen Küche in ihren Produkten nachgeahmt und sie Saddams General „Chemie Ali“ verkauft. Als US-Berater dann die Windrichtung ausgemacht hatten und das Gift die iranische Luft erreicht hatte, dachten Kiomars Freund und Tausende seiner Kameraden, dass Mamas Leibgericht „Sabsi-khoresht“ aus sieben frischen Kräutern in der Feldküche zubereitet werde. Sie nahmen die teuer gekauften Gasmasken, ebenfalls deutscher Herkunft, ab und atmeten den getarnten Meistertod ein.

Später floh seine Ehefrau Marjan ebenfalls nach Tübingen. Beide beteiligten sich an den Deutschkursen für Asylbewerber der Evangelischen Studentengemeinde. Diese Gruppe war, im Gegensatz zur Stiftskirchengemeinde, gegenüber den nichtchristlichen Ausländern stets aufgeschlossen und vor allem vorurteilsfrei.

Eine meiner Erinnerungen an Kiomars ist, wie er auf der Stiftskirchentreppe in der Tübinger Altstadt sitzt. Im Gegensatz zu meinen Landsleuten war ich immer der Meinung, dass man junge Menschen, die sich gegen die eigene Tradition und Religion auflehnen, beschützen müsse, anstatt sie auszustoßen - denn gerade sie sind am anfälligsten gegenüber sämtlichen Zivilisationswirren. Ich machte ein Foto, wie er auf der Stiftskirchentreppe sitzt.

Erschlagen von "Pfannkuch"-Mitarbeitern: Kiomars


Am Mittwoch, 19.8.1987, ging Kiomars Javadi ins Lebensmittelgeschäft der schwäbischen Firma „Pfannkuch“, um etwas zum Trinken zu kaufen. An der Kasse wurde er angesprochen, er müsse einen Einkaufswagen mit nach draußen nehmen, den er im Laden abgestellt haben soll. Als Javadi zu erklären versuchte, dass er nichts damit zu tun habe, wurde er nach Augenzeugenberichten von einem Angestellten von hinten gepackt und gegen seinen Willen in einen Kellerraum geschleppt. Was in diesem Raum tatsächlich geschah, ist nicht ganz geklärt. Bezeugt ist nur: Javadi biss einen der Angestellten in den Finger. Dieser gestand bei seiner Vernehmung, einen Gummiknüppel „fachgerecht gehandhabt“ zu haben. Als der Filialleiter die von außen versperrte Tür zu diesem Hinterraum aufschloss, floh Kiomars in den Hinterhof. Er wurde jedoch mit Hilfe des Filialleiters gepackt und auf den Boden geworfen, mit dem Gesicht nach unten. Der Angestellte, Andreas U. nahm ihn in den Würgegriff, während der Filialleiter ihm mit einem „schmerzhaften Hebelgriff aus der Karatetechnik“, das linke Bein verdrehte.

Gleichzeitig betrat der Zeuge Jack Lohmann den Hinterhof: “Meine Reaktion und die Reaktion von den zwei Leuten, die meines Erachtens ebenfalls auch Ausländer waren, war die, man müsste eigentlich etwas machen. Zuerst war das rein verbaler Art. Ich schrie ihn an: “Lass ihn los! Du bringst ihn um!” Und er antwortete sofort: ”Ich lass den nicht mehr los!” . Daraufhin ging die Frau, die neben mir stand, nach vorne auf Richtung des Ausländers zu. Ich trat auch ein oder zwei Schritte nach vorne unmittelbar vor diesem Beteiligten. Und wir wollten gerade eingreifen, als eigentlich von mehreren Seiten Leute uns anschrieen und sagten “Halte dich da raus! Du kriegst die Gosch voll! Das geht dich nichts an!” Ich habe auch in diesem Augenblick gesehen, dass es mehrere Leute dieser Firma waren, das waren schätzungsweise dann, mit diesen 3 ursprünglichen 6 oder 7, die ich daran erkennen konnte, weil sie einen weißen Kittel anhatten, also offensichtlich einen Verkaufskittel dieser Firma. Wir empfanden alle, diese Dame und ihr Begleiter und ich diese Situation als recht bedrohlich. Also, man kann mit Sicherheit sagen, dass es mehr als 15 Leute waren, die die Szene beobachtet haben und aus welchem Grund auch immer nichts unternommen haben, weder versucht haben einzugreifen, noch sich verbal geäußert haben”.

Erst als nach 18 Minuten die Polizei eintraf, hörten die Pfannkuch-Mitarbeiter mit der Würgerei auf. Kiomars blieb reglos am Boden. Der Gerichtsmediziner Volker Schmidt stellte später fest, dass das Opfer bereits nach vier bis sechs Minuten tot war. Die Polizei legte der Leiche von Kiomars Handschellen an, bis der Krankenwagen kam. Einer der Täter gab bei der Staatsanwaltschaft zu Protokoll: „Meine Kollegin sagte, der Ausländer, der gerade an der Kasse steht, hat seinen Einkaufswagen im Laden stehen lassen, ich müsse ihm sagen, er solle den Wagen gefälligst mit nach draußen nehmen“. Javadi stand an der Kasse. In dieses Wortgefecht mischte sich der Würger Andreas U. ein und nahm die Sache in seine Hände. Er packte Kiomars von hinten und trug ihn über die Treppen in den Keller. Eine Kundin, die vor Javadi an der Kasse stand, gab bei der Staatsanwaltschaft zu Protokoll: „Sie ließen den Ausländer gar nicht zu Wort kommen. Sie haben ihn von hinten gepackt, so dass seine Füße den Boden nicht mehr erreichten und brachten ihn nach hinten, “. Nach dem Tod von Kiomars Javadi fand die Polizei einen Gummiknüppel im Müllcontainer des Supermarkts. Etwa eine Stunde nach Javadis Tod führte man die Polizei zu einem Einkaufswagen, den er angeblich benutzt hatte. Darin befanden sich Lebensmittel, unter anderem frisches Fleisch, das zu der Warengruppe gehört, die man aus hygienischen Gründen nicht mehr zurück nimmt, nachdem sie dem Kunden ausgehändigt worden sind. Allerdings fand die Polizei auf dieser Ware keine Fingerabdrücke von Kiomars Javadi! Am nächsten Tag wurde die Geschichte noch raffinierter formuliert: Oberstaatsanwalt Lutz Hagemann erzählte dem Schwäbischen Tagblatt, Javadi habe sich einen Einkaufswagen mit Ware voll gestopft und versucht, durch die Hintertür zu fliehen. Verkäufer hätten ihn nur festhalten wollen, dabei sei er verstorben. Diese Rechtfertigung wird heute noch als Grund für die Tübinger Würgerei angeführt7A.

An diesem 19. August 1987 trafen auch Juden in Tübingen ein, die das KZ Theresienstadt überlebt hatten. Sie waren „als Zeugen und Mahner gekommen“. Es war auch an einem 19. August, als ein Mädchen aus deren Deportationsliste den Freitod wählte, um nicht in das KZ zu kommen. (S. Lili Zapf „Tübinger Juden). Am Freitag, 21. August 1987, feierte die Stadt ein großes Fest. Das Schwäbische Tagblatt berichtete darüber am 22.8.1987 auf mehreren Seiten. Der Literaturwissenschaftler - „jüdischer Emigrant und Remigrant“ - Hans Mayer, wurde zum Ehrenbürger der Stadt gekürt. Als „promovierter Jurist“ äußerte er sich auch zum Fall Javadi: „in dubio pro reo“ appellierte er an die Tübinger Justiz - sozusagen als Gipfel der Assimilation. Am Samstag, 22. August, fand ein Trauerzug statt. Es kamen viele Asylbewerber aus der Thiepval-Kaserne und überwiegend junges christliches Publikum aus der Region. Ein „arischer Asylant“ schlug hier einem jungen Volksbankangestellten, der mit seinem Auto an dem Trauerzug vorbei fuhr, um seinen Arbeitsplatz zu erreichen, mit dem Kopf dermaßen auf die Nase, dass dieser ins Krankenhaus musste.

Auch in der folgenden Woche wurde eine Demonstration wegen Kiomars Tod arrangiert. Dort sprach mich ein unbekannter Rechtsanwalt an, der Marjan vorgestellt werden wollte, um sie zu vertreten, obwohl einige berühmtere Kollegen dabei standen. Ich sah keinen Unterschied, ob diese unscheinbare Person oder ein promovierter Jurist den Fall vertritt und machte ihn mit Marjan bekannt. Dabei hatte ich zu diesem Zeitpunkt keine Ahnung von der Geisteshaltung der deutschen Justiz. Während die anderen zuschauten, sprach der unbekannte Leisetreter mit Marjan. Die großen Anwälte verließen den Platz zusammen mit dem allgemeinen Aufbruch. Ich sah, wie sie die auf Marjan zukommende Demütigung vorausahnten. Ich sah aber noch viel mehr als sie alle: Einen Jungen, der erst in Deutschland - per Treibjagdgesetz - eine Situation erlebte, der er aus seiner Heimat entkommen konnte: Er war gefesselt und durfte auf offener Straße getötet werden. Ich sah die „guten“ und „nicht guten“ Menschen und die Moral derjenigen, die den Gott besonders kennen, und, um ihm Hausaufgaben zu erteilen, über Leichen gehen. Der Rechtsanwalt übernahm zwar den Fall Kiomars Javadi, verstand meines Erachtens aber, wie die meisten seiner Kollegen, nur das Ausfüllen des Antragsformulars zur Prozesskostenbeihilfe. Denn, als ich ihn Monate später, am 22. Dezember, über den Verlauf des Falles befragte, weinte er fast in meine Kamera, weil das Gericht ihm noch keine Aktenansicht erlaubt habe. Ich habe das Interview nicht in den Film hinein geschnitten. Es hätte ihn öffentlich lächerlich machen können, was ich nicht für nötig hielt.

Denn mit „18 Minuten Zivilcourage“ meinte ich die wirkliche Zivilcourage, die wieder einmal vor die Hunde ging, als sie Kiomars Javadi töteten und über den Tod hinaus noch seine Leiche fortquälten. Ich wollte nicht die Wirklichkeit damit abbilden, denn das Licht, das ich für ein solches Bild hätte einsetzen müssen, wäre nicht von dieser Welt. Vielmehr wollte ich zu der Frage anregen, warum durfte so etwas in einer vorbelasteten Stadt wie Tübingen geschehen? Ein Passant, der für den Film befragt wurde, sagte: „Als Christ bin ich parteiisch und denke zunächst an das Wort Gottes ... da heißt es: wer einen Dieb auf frischem Tat erwischt und ihn umbringt, begeht keine Sünde...“

Bei meiner letzten Iranreise suchte ich Kiomars Vater auf. „Kio“ war sein einziges Kind. Der alte Mystiker lebt in einem Haus, das heute mehr als 500.000 Euro Wert ist. Vor über 30 Jahren hatte er sich von seiner Frau getrennt und lebte hier mit Kiomars. „Ich dachte, in Europa wird er es besser haben als hier.“ Ich frage ihn, was er von Deutschland hält. Es klingt ihm sehr weit weg. Dort würden Christen leben, meinte er dann. Er sei seit seiner Jugend mit einem Christen, einem ehemaligen Flüchtling, aus der früheren Sowjetunion befreundet. Auch die Kinder seien gute Freunde gewesen. Mit großer Mühe verkniff ich mir die Feststellung, dass das Unglück seines Jungen mit dem Schicksal einer protestantisch aufgeklärten Stadt in 5000 Kilometer fernen Deutschland verbunden war, um durch seinen Tod an jenem schicksalhaften 19. August, ihr die verlogene Christenfassade ganz weit und für alle Ewigkeit in die Tiefe zu reißen.

„Subjektive Realitätsabbildung“: Mord an einem Toten
Die Behandlung des Falles durch die Medien, war sozusagen ein weiterer Mord an Kiomars Javadi, nämlich der an seiner Integrität und zugleich ein Gnadenschuss auf den liberalen Schein der kleinen Stadt am Neckar, die so stolz ist auf die Dichter und Denker, die in vergangener Zeit in ihren Mauern verkehrten. Die Lokalzeitung Schwäbisches Tagblatt spielte durch kritiklose Wiedergabe der falschen Information eine große Rolle dabei, der Empörung über den bestialischen Fall die Dynamik zu nehmen. Die verleumderische Meldung des Oberstaatsanwalts, der am nächsten Tag die Polizei telefonisch angewiesen hatte, die Täter sofort auf freien Fuß zu setzen wurde zum Mittel der Gewissensberuhigung. Es sei unerhört, einen Asylsuchenden, der bei uns etwas zu essen klauen wollte, gleich zu erwürgen. Das habe er nicht verdient. Das Ende davon sei zu hart gewesen. So tönte unisono die Stimme der Schaukelmoral in der bundesrepublikanischen Presse. Die Journalistengewerkschaft IG-Medien, heute „verdi“, setzte noch eins darauf und vergab ihren „Journalistenpreis ‘87“ an MitarbeiterInnen des Schwäbischen Tagblattes für die „gründliche Recherche“ und „subjektive Realitätsabbildung“. Auch Erich Fried blieb von der „gründlichen Recherche“ nicht verschont in seinem Gedicht für Kiomars, denn auch er hatte nur die Zeitungsberichte, die Walter Muffler, ein alter Freund Erich Frieds, ihm mit der Bitte um ein Gedicht (siehe unten) zugesandt hatte.
Es gab sogar eine Talkshow im Fernsehen zum Fall Javadi. Der Autor eines Buches über Ladendiebe, ein „Professor“, der wahrscheinlich seit seiner Geburt Chef der IHK Reutlingen war, ich als „ehemaliger Asylant“ und noch weitere "vom Fach“ waren geladen. Die „Starmoderatorin“ tobte sich dann an mir aus. Sie saß auf einer Hocker neben mir und hielt die Mikrofone wie ein Messer an meiner Kehle, sodass ich keine Stellung fand, hinein zu sprechen. Ich wäre beinahe nach hinten gefallen. Das einzige, was ich als geladener Fachmann in dieses Mikrofon hineinsprechen konnte, war drei Mal der gleiche Satz „passen sie doch mal auf“. Etwas vorher hatte sich ein „Tonangler“ mir genähert und gab zu verstehen, ich könnte auch in sein Mikrofon reden. Damals fehlte mir aber jegliche Kenntnis über die Natur der Medien - und der Verdacht, dass diese Sendung nur die Aufgabe hatte, die beruhigenden Nachricht des Oberstaatsanwalts in den hintersten alemannischen Busch hinein zu blasen.

1987 hatte die Stuttgarter Kunstszene um den „Württembergischer Kunstverein“ mit der stadtübergreifenden Ausstellung „Exotische Welten...“. dick aufgetragen. Selbst im Tübinger „Lichtenstein-Haus“ war diesbezügliches zu bestaunen. In einem ZEIT-Artikel „Wir Menschenfresser“ werden zwischen Kiomars Javadi, einem Kapitän Cooks, der bei dieser Ausstellung als ideologische Krone galt, und Friedlich Hegel Parallelen gezogen. „Ein Krieger sprang ihn von hinten an... James Cook ging in die Knie. Der Eingeborene stach und stach auf ihn ein... Einer der Angestellten sprang ihn von hinten an und rief: 'Ich lass ihn nicht mehr los!' Er ließ tatsächlich nicht mehr los“. Weiter DIE ZEIT: „Begegnungen zwischen Menschen verschiedener Kulturen verlaufen oftmals unerquicklich“, und nennt ein drittes Beispiel: „Vielleicht dreißig Kilometer von Tübingen entfernt liegt Stuttgart. In Stuttgart kam 1770 der deutsche Philosoph Friedrich Hegel zur Welt. In seinen Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte sagt Friedrich Hegel und die Studenten schrieben mit: „ Der Neger stellt den natürlichen Menschen in seiner ganzen Wildheit und Unbändigkeit dar; von aller Ehrfurcht und Sittlichkeit, von dem was Gefühl heißt, muss man abstrahieren, wenn man ihn richtig auffassen will: es ist nichts an das Menschliche Anklingende in diesem Charakter zu finden“ Es wäre ein viertes Beispiel nicht fehl am Platze, denn Immanuel Kant aus Königsberg, der bis auf „den Neger“ alles vorwegnahm, als er sich bereits 1777 die Völker vorknöpfte: Russen, die „nur als Maschinen“ zu gebrauchen waren und „Pohlen“ die schlecht waren, weil sie sich gegen die eigene „Regierung“ auflehnten, und schließlich die Vorfahren von Kiomars Javadi: „Die orientalische Völker sind der Idee nicht fähig... folglich haben sie gar nicht den Geist des Schönen, eben sowenig wie in Dingen der Betrachtung Begriffe des Verstandes oder in denen der Sitten den Begriff von reinen Grundsätzen der Gesinnung“ Für Kant war historisch notwendig, dass „alle Racen ausgerottet werden... nur nicht die der Weißen“ .

Da war Fritz Hegel grade noch 7 Jahr alt. Es bleibt die Frage offen: Nach welchem Richtmaß wird das Verhalten der Tübinger Justiz am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts charakterisiert, die der Presse in die Druckfeder lugte? Der dankbare Gast Kiomars Javadi schrieb in seinem Asylantrag: „Ich bin glücklich, in einem freien Staat mit liebenswürdigen Menschen leben zu dürfen“.

Vor Gericht: Der Richter Rolf Dippon, selbst ein Täter?
"Die Angeklagten handelten jedoch dabei unbewusst fahrlässig, denn sie ließen die Sorgfalt, zu der sie nach den Umständen und nach ihren Fähigkeiten und Kenntnissen verpflichtet und in der Lage waren, außer acht und sahen deshalb nicht voraus, daß durch ihr Verhalten der Tod des Angeklagten eintreten konnte." So das Freud'sche Versprechen des Richter bei der Urteilsbegründung

Erst am 30. Juni des folgenden Jahres, eine Woche nach der Gesellenprüfung des Haupttäters Andreas U., wurde nach einem peinlichen Prozess das Urteil gegen die beiden Pfankuch-Leute gesprochen: 18 Monaten auf Bewährung.
Bemerkenswert erschien es den unparteiischen Beobachtern, dass der Vorsitzende Richter Rolf Dippon etwa vier Wochen zuvor drei Jahre Gefängnis ohne Bewährung gegen einen jungen Türken verhängt hatte, der - ohne aktiv einzugreifen - dabei war, als seine Clique einem Geschäftsmann auf der Straße eine Geldbombe entriss.
Marjan hatte als Nebenklägerin neben ihrem Anwalt Platz genommen. Ihre Bänke waren viel zu niedrig. Sie und ihr Anwalt mussten eingeschüchtert auf die Täter und deren Verteidiger hochblicken. Ein „reicher Onkel“ hatte dem Würger Andreas U. als Rechtsbeistand den Staranwalt Rolf Bossi aus München gestiftet. Dem aus ärmlichen Verhältnissen stammenden Galgenvogel hatte man eine giftgelbe Jacke, wie sie in Münchener Leopoldstraßencafés getragen wird, übergezogen. Sein Proletarierpickelgesicht bildete einen Kontrast zum frisierten Fetthaar und Sakko und verriet seine bescheidene Herkunft. Sobald er sich unnötiger Weise nach außen zu richten glaubte, wirkte er wie ein ungeübter Komparse. Als der Richter Rolf Dippon den Gerichtsaal betrat, schickte er Javadis Witwe zu den Zuschauern, die noch engstirniger als er selbst waren und sie bei jeder Gelegenheit dumm anstarrten oder sie als Hure beschimpften. Als sie dann ums Wort bat, schnitt Richter Dippon ihr so barsch das Wort ab, dass sie weinend aus dem Gerichtssaal lief. Zitat: „Mäßigen Sie sich, auch wenn Sie aus dem Orient kommen”. Dagegen behandelte er die Täter mit „ausgesuchter Nachsicht“.

Sowohl die Zeugenaussagen der Täter als auch die Angaben des übrigen Pfannkuch-Personals waren auffällig „einheitlich“. Alles wusste man ganz genau, nur auf die Fragen des Staatsanwalts und des Nebenklägers konnte man nicht antworten. Der Würger tanzte den Staatsanwalt fast an, mit folgender Antwort: „Wer? wie? was? wo?“. Dabei erntete er stets ein Beben der Zustimmung beim volkseinheitlich wirkenden Publikum.
Rolf Dippon, in Argentinien geboren und aufgewachsen, promovierte 1962 über Ausbildung von Führungskräften in der amerikanischen Wirtschaft: Als Richter in Tübingen hatte er 13 Jahre lang Schöffen unter Druck gesetzt.

Die Revisionsverhandlung
Einem Revisionsantrag gegen das Urteil wurde insoweit entsprochen, als neu verhandelt werden musste, um das Tübinger Urteil besser zu begründen. Der zweite Prozess bestätigte schließlich die alten Urteile, obwohl Andreas U. in der Bewährungszeit einen weiteren Menschen beinahe zu Tode gewürgt hatte. Das Verwaltungsgericht Stuttgart brachte es aber fertig, dass dieses zweite Opfer plötzlich und aus unerklärlichen Gründen den Täter mit der Rücknahme seiner Anzeige entlastete.
Überhaupt herrschte im Fall Kiomars Javadi eine systematische Informationsunterschlagung. Weder die Presse noch der Anwalt von Marjan hatten die richtigen Informationen zum richtigen Zeitpunkt, was in Wirklichkeit eine gesetzlich geregelte Sache ist. Die Akte befand sich hinter Schloss und Riegel. Erst bei der Gerichtsverhandlung wurde allmählich klar, was die Tübinger Justiz und der Vorsitzende Richter mit ihrem Aktentresor eigentlich vorhatten.

Rolf Dippon eröffnete den Prozess mit scharfen Angriffen auf die Presse, die die Angeklagten bereits „vorverurteilt“ habe. Richter und Verteidiger der Täter waren sich auffällig einig: diese Berichterstattung sei schuld daran, dass kein fairer Prozess möglich wäre - was auch gleichwohl geschah. Um sozusagen eine Art Freispruch zu erreichen, beurteilte Dippon das Töten von Kiomars Javadi nach einem Musterfall, in dem ein Polizist einen Jugendlichen im Würgegriff tötete und straffrei davonkam. So ließ dieser Richter bei der „Beweisaufnahme“ einiges unter den Tisch fallen, um eine „Körperverletzung mit Todesfolge“ an den Haaren herbeizuziehen.

Dagegen dichtete er die letzen Atemversuche des Asylbewerbers als Kampfhandlung, die für das Leben des Würgers Andreas U. einen Gefahr darstellten. Richter Dippon lie§ fast nur TŠter und ihre KollegInnen zur Geltung kommen, die er wohlweislich nicht vereidigte, und trieb noch weitere Zeugen auf, die in seinem Sinne redeten.
Dagegen durfte zum Beispiel der Zeuge Jack Lohrmann nicht einmal richtig ausreden. Der Richter unterbrach ihn ständig, worauf ich protestierte: „Herr Richter, lassen Sie bitte den Mann ausreden“. Dippon zeigte auf mich mit dem Finger und auf die Tür und meinte, ER habe hier das Sagen. Die Zuschauer drehten sich zu mir wie nach einem Tischtennisball. Links und rechts von mir saßen zwei Zivilbeamte. Auch der Gerichtsmediziner, den ich ebenfalls wie Marjans Anwalt im Dezember 1987 interviewt hatte, sprach nicht detailliert über seinen Befund in meine Kamera. Er war der Meinung, seine Aussagen würden vor jedem deutschen Gericht den Vorsatz der Täter beim Töten des Asylbewerbers nachweisen. Dippon ignorierte seinen Sachverstand und befragte den Rechtsmediziner nur dazu, ob der Angestellte durch den Fingerbiss in seinem Beruf beeinträchtigt sei.

Marjan verlässt das Lager und Deutschland
Marjan lebte inzwischen in einem Sozialwohnviertel. Als sie dort einziehen wollte, gab es jedoch Proteste der Mieter, die sagten: „wir wollen nicht, dass das hier zu einem Puff wird“. Erst auf Druck des Sozialamtes schwiegen sie - allerdings wurden bei ihr dann später Fensterscheiben eingeworfen. Nach dem enttäuschenden Ende des juristischen Verfahrens verließ Marjan Javadi Tübingen und kehrte schließlich wieder in den Iran zurück. Ich aber bin noch da, auch wenn ich wegen des Films über Kiomars Tod in Tübingen 20 Jahre lang boykottiert war und die Stadt gewechselt habe. Dennoch muss ich immer wieder an den Spruch denken, den Deutsche mit weißer Farbe auf den Asphalt am Tatort schrieben: „Wir trauen um Kiomars Javadi und um den Rassismus in uns und um uns“.

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Wenn dieser Tote ein Deutscher gewesen wäre


Erich Fried schrieb dieses Gedicht kurz vor seinem Tod für Kiomars Javadi
Wenn dieser Tote ein Deutscher gewesen wäre...

Wenn dieser Tote...
ein Deutscher gewesen wäre
dann wäre er heute nicht tot
denn sein Leben wäre nicht das
eines F1üchtling gewesen,
den sein Elend zu Falle bringt.
Ich weiß das genau.
Denn auch ich war ein Flüchtling - vor Hitler
und ich habe erlebt
wie junge Flüchtlinge manchmal
sich vor Hunger vergriffen haben
am Essen in einem Kaufhaus
oder an Kleidungsstücken
oder weil ihnen kalt war
oder an irgendetwas
weil sie zornig und hoffnungslos waren.
Wenn dieser Tote
ein Deutscher gewesen wäre
dann wäre er nicht tot
in der Hand seiner Greifer geblieben
weil man mit Mitbürgern
bekanntlich freundlicher umgeht
als mit so fremden dahergelaufenem Pack.
Wenn dieser Tote
ein Deutscher gewesen wäre
hätten sie sich erinnert
dass er ein Mensch war.

* Rechtlicher Hinweis:


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