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Kommentar zu Koehler Ruecktritt

Ungeahnt? Ein Oberhaupt tritt ab: Bundespraesident

Abbildung: Horst Koehler, beliebt, allein gelassen? - (Foto: friedhelm schulz/ friedrichson pressebild)

Köhler geht - ein Insider packt ein

Kommentar

Berlin, 31.5.2010. Helmut Kohl zitiert gerne den Griff zum „Mantel der Geschichte“, wenn er seine Rolle in den Wochen und Monaten der Wende 1989/90 beschreibt. Als der Fall des Eisernen Vorhangs, des Endes des Kalten Krieges und der Wiedervereinigung Deutschlands das Leben und die Geschichte der Menschen in Ost und West für immer zum Besseren zu wenden scheint. Kohl ergreift diesen „Mantel der Geschichte“ – aber Horst Köhler, Bundespräsident a.D., gehört zu den Schneidern, die aus dem wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Flickwerk der verschiedenen Systeme einen zumindest vorübergehend tragbaren Mantel nähten. Nichts wirklich Schickes, Elegantes – aber allwetterfest imprägniert, eine Art Euro-Trenchcoat.

Der Volkswirtschaftler und Politikwissenschaftler Horst Köhler verfasst 1977 seine Dissertation zum Thema „Freisetzung von Arbeit durch technischen Fortschritt“. Aus heutiger Sicht – ein visionäres Thema. Zehn Jahre später ist Dr. Köhler im Bundesfinanzministerium der zuständige Abteilungsleiter für Grundsatzfragen der Finanzpolitik. Und nur wenige Monate nach dem Fall der Mauer wird er 1990 als Staatssekretär im Finanzministerium der deutsche Unterhändler bei den Verhandlungen zum Vertrag von Maastricht. Und ist an den Verhandlungen zur deutschen Wiedervereinigung maßgeblich beteiligt. Für nicht wenige politische Kommentatoren ist Horst Köhler in seinem Amt als Finanzstaatssekretär haupt-verantwortlich für die Währungsunion – also der Mann, der die D-Mark „in den Osten brachte“. Wenn auch nur für wenige Jahre.

Für Helmut Kohl bereitet Horst Köhler vier G 7-Gipfel vor und als SPD-Kanzler Schröder das profilierte wie international bestvernetzte CDU-Mitglied Köhler als Generaldirektor des Internationalen Währungsfonds (IWF) empfiehlt, zweifelt niemand an der Kompetenz des ruhigen Strategen und Machers als Volkswirtschaftler, Währungs- und Finanzexperte. Weder seitens der schwarz-gelben Opposition noch aus den Reihen der rot-grünen Regierungskoali-tion wird die Berufung Köhlers an die Spitze der globalen Finanzorganisation ernsthaft kritisiert. Jeder realpolitisch agierende Politikerkopf in Deutschland – wie auch in internationalen Kreisen – weiß: Köhler ist ein Guter, ein Wissender, einer mit Gewissen. Wie sein Engagement für die Unterstützung der Volkswirtschaften Afrikas beweist.

Am 23. Mai 2004 wird Horst Köhler zum Bundespräsidenten gewählt. Und er ist kein volkstümelnder Wanderprediger wie „Bruder Johannes“ Rau, kein Aufrüttler wie Roman Herzog oder das zeitgeschichtliche Gewissen Deutschlands anmahnender Friedrich von Weizsäcker. Horst Köhler ist ein Stiller, ein Ruhiger. Für viele Beobachter zu ruhig.

Aber mag es sein, dass Horst Köhler es bevorzugte, abseits der mit dem Präsidentenamt verbundenen Repräsentationspflichten hinter den Kulissen seine Expertise als Mahner und Berater der rotgrünen, der schwarzroten und aktuell der schwarzgelben Regierungen zum Wohl der Allgemeinheit zu stellen? Angela Merkel hob heute in ihrer ersten Reaktion nach dem überraschenden Rücktritt Horst Köhlers hervor, dass ihr der Bundespräsident in der Wirtschafts- und Finanzkrise ein wichtiger Berater gewesen sei. Ein Berater der Regierungs-Ensembles, der wie ein umsichtiger Intendant den Regisseuren und Solisten seine Meinung lieber in den Tiefen des Theaters als wohlgemeinten Rat anbot. Anstatt an der Bühnenrampe im Scheinwerferlicht coram publico einen zeusgleich polternden Zampano zu geben.

Vielleicht auch aus dem Grund, weil Verflechtungen, Strategien, globale Modelle und Entwicklungsszenarien nicht unbedingt öffentlichkeitstauglich sind. Es darf als sicher angenommen werden, dass ein Horst Köhler als Insider der globalen Währungs- und Finanzmächte nur zu genau die Auswirkungen des Finanz- und Rendite-Casinos auf Volkswirtschaften bei uns, im Euro-Raum wie auch in den interkontinentalen Regionen der Erde abzusehen und zu analysieren in der Lage war und ist. Der als Insider den Klartext kennt – und doch als pflichtbewusster Repräsentant des Volkes den einen Teil seiner Amtspflicht erfüllt. Und schweigt. Jetzt hat Horst Köhler den Vorhang fallen gelassen – und steht mitten auf der Bühne. Soviel ist sicher: der Spielplan des Politik-Theaters wird bis auf weiteres aufgeführt. Und Horst Köhler wird in einer Ehren-Loge in der Tiefe des Theaters die Finanz-Komödien, Währungs-Impro-Operetten und Wirtschafts-Dramen mit verfolgen können. Weit weg von der Bühne und ihren Darstellern nebst deren Souffleuren. Wird der Insider aus dem Rücken des Publikums mit einem Epilog überraschen, bevor der letzte Scheinwerfer erlischt? (Von Stefan Jalowy(

Abbildung: Horst Koehler, beliebt, allein gelassen? - (Foto: friedhelm schulz/ friedrichson pressebild)

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