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Deutschlands Kommunen ueberschuldet?

Abbildung: (Foto: stj) -

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Rekord-Steuerrückgang: Kommunen ueberschuldet?

Städtetags-Präsidentin Petra Roth: “Teil der Städte vor dem Kollaps“

Von Stefan Jalowy

Berlin, 2.2.2010. Der korrekte Sachbearbeiter vom Kataster- amt, die freundliche ältere Dame am Info-Tresen des Bürger- amts oder die engelsgleich geduldig-sanfte Kindergärtnerin – sie alle müssen ernsthaft um die pünktliche Überweisung ihrer Gehälter zum Monatsende bangen. Denn so leer wie in diesem Jahr waren die Stadtsäckel seit Kriegsende nicht mehr. Um die Gehälter der städtischen Angestellten zahlen zu können, müssen viele Not leidende Städte und Gemeinden sich kurzfristig Geld bei den Banken leihen. Diese sogenannten Kassenkredite der Kommunen betragen inzwischen 33,8 Milliarden Euro – allein in den ersten drei Quartalen des Vorjahres sind sie um vier Milliarden angestiegen. Grund: in Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise sind die kommunalen Steuereinnahmen im Schnitt um zehn Prozent weggebrochen.

„Ein Teil der Städte steht vor dem Kollaps und droht handlungsunfähig zu werden“, warnte Petra Roth (CDU), Präsidentin des Deutschen Städtetages und hauptberuflich Oberbürger- meisterin der Finanzmetropole Frankfurt, heute in Berlin. „Die im Grundgesetz verankerte kommunale Selbstverwaltung ist in Gefahr.“ Die bereits jetzt dramatische Finanzsituation vieler Städte und Gemeinden wird sich im Lauf des Jahres noch verschärfen: der Städtetag befürchtet für 2010 ein Rekorddefizit in Höhe von 12 Milliarden Euro. Das gigantische Loch in den kommunalen Kassen haben zum einen die drastischen Steuerverluste vor allem bei den Gewerbesteuereinnahmen gerissen. Um 17,4 Prozent Mindereinnahmen im Bundesschnitt, einige Städte erlitten Verluste bis zu 40 Prozent. Folgen der ersten Welle der Finanzkrise, die in breiter Front die Wirtschaft vom Großkonzern über den Mittelstand bis hinunter zu den Kleinbetrieben erschütterte. Doch bereits zu Jahresbeginn kündigt sich die zweite Welle der Finanzkrise an: ein deutlicher Anstieg der Arbeitslosigkeit.

Abbildung: Sorgenmiene einer Oberbürgermeisterin: - Städtetagspräsidentin Petra Roth, CDU. (Foto: Stefan Jalowy)

Ein Teufelskreis. Höhere Arbeitslosenzahlen schaffen einen noch engeren Arbeitsmarkt, auf dem Langzeitarbeitslose im Verhältnis zu frisch aus ihren Jobs gekippten Neu-Erwerbs- losen noch weniger Chancen auf Wiedereingliederung haben. Damit werden in den Städten und Gemeinden die Sozial- ausgaben noch weiter steigen – und der Bundestag hat bereits beschlossen die Beteiligung an den Unterkunftskosten deutlich zu reduzieren. Der Bundesrat wird aber noch zustimmen müssen – und dort können die Kommunen zumindest auf vereinzelte Unterstützung zählen. „Die Bundesbeteiligung an den Unterkunftskosten für Langzeitarbeitslose darf auf keinen Fall gesenkt werden. Hier bleiben wir hartnäckig und sehen mehrere Ministerpräsidenten an unserer Seite“, stellte Petra Roth kämpferisch wie zuversichtlich fest. Bis auf elf Milliarden Euro könnten 2010 die Kosten für die Übernahme der Mieten von Hartz IV-Empfängern ansteigen – eine Milliarde mehr als im Vorjahr.

Aber wenn schon jetzt die laufenden Kosten vieler Städte, Landkreise und Gemeinden nur noch auf Pump zu sichern sind – wie sollen dann noch mehr Aufgaben und Ausgaben durch Gemeindeväter und –mütter gestemmt werden ? Von notwendigen Investitionen in zum Beispiel die Sanierung von seit Jahren zerbröselnden Kanalisationen oder von bröckelnden Schulgebäuden aus den 60er-Jahren ganz zu schweigen. Ein Patentrezept hat auch der Städtetag als kommunaler Spitzenverband nicht wirklich und angesichts der verzwickten Quadratur des Kreises bleiben auch Petra Roth nur sehr allgemeine Beschwörungsformeln, geht es um die Sicherstellung kommunaler Aufgaben: „Wir wollen diese Dienstleistungen in guter Qualität sichern, etwa die Kinderbetreuung weiter ausbauen, unseren Beitrag für die Schulen leisten und einen verlässlichen öffentlichen Nahverkehr sichern“, so die Städtetagspräsidentin. „Unser Land braucht leistungsfähige Städte. Gerade in der Krise darf das Vertrauen der Menschen in die zahlreichen kommunalen Leistungen nicht erschüttert werden.“

Abbildung: Stopp dem Kohlenklau: - Roth warnt vor weiterem Griff in die kommunalen Steuerkassen. (Foto: Stefan Jalowy)

Die CDU-Oberbürgermeisterin des im Vergleich zu Städten wie Duisburg, Berlin oder Karlsruhe mit Haushaltsmitteln noch re- lativ komfortabel ausgestatten Finanzzentrums Frankfurt kündigte ein baldiges Spitzengespräch mit Fachministern aus Bund und Ländern an. Die Abgesandten der Städte und Ge- meinden werden dann einen robusten kommunalen Schutz- wall gegen die Begehrlichkeiten ihrer föderalistischen Kolleginnen und Kollegen errichten müssen. Denn zusätzlich zu den Auswirkungen der Krise und der steigenden Erwerbs- losigkeit droht die zwischen den Koalitionspartnern aktuell umfeilschte Steuersenkung die Kommunen von einem Teil ihrer zentralen Einnahmequelle abzuschneiden – den ohnehin stark eingebrochenen Gewerbesteuereinnahmen. „Die Rückgänge der Gewerbesteuer machen im übrigen deutlich, dass diese wichtigste städtische Steuer keine weiteren Ein- griffe verträgt, sondern eher einer zusätzlichen Stabilisierung bedarf“, so Roth vor der Bundespressekonferenz.

„Wir werden in Kürze ein Gespräch mit dem Bundesinnen- minister als Kommunalminister führen und sind zuversichtlich, dass dem weitere Gespräche mit Mitgliedern der Bundesre- gierung folgen.“ Ob sich der mutmaßlich auch an den Ge- sprächen beteiligte Finanzminister Schäuble dann seiner Erfahrungen als ministerieller Kommunalexperte erinnern und als neuer oberster Kassenwart sich zu Zugeständnissen an die Städte und Gemeinden erweichen lassen wird, muss zumindest sehr in Frage gestellt werden. Wenn es hart auf hart kommt könnte schon bald die erste deutsche Stadt für Teile ihrer kommunalen Verwaltung Kurzarbeit anordnen. Ein Schreckensszenario – aber keineswegs aus einer gesellschaftlichen Science Fiction-Geschichte, sondern vielleicht schon morgen aus der Realität einer der reichsten Nationen der Welt.

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Abbildung: Als Städtetags-Chefin besorgt - - als Frankfurts OB entspannt. Petra Roth hat in ihrer Main-Metropole durch frühzeitige Haushalts-Konsolidierung die Kassenlage gut im Griff. (Foto: Stefan Jalowy)

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