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Hundert Tage Grün-rot in Baden-Württemberg

Vom „Grünen Ländle“ zum „Träger der roten Laterne“

Hundert Tage Grün-rot in Baden-Württemberg soll Künasts Wahlkampf helfen

Kommentar

Von Cedric Wrieden
, ab Mai 2012 bei www.demokratie-spiegel.de Ressortleiter für die Hauptstadtpolitik.

Berlin, 19.7.2011. Hundert Tage ist die grün-rote Landesregierung in Baden-Württemberg nun im Amt. In der Bundespressekonferenz zogen Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Grüne) und die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Renate Künast, Bilanz.

Ein lockeres „Grüß Gott“ klingt in Berlin schon etwas befremdlich. Doch der Mann, der diese Worte zur Begrüßung wählte, steht zur Zeit für eine Modernisierung seiner Region. Winfried Kretschmann, seit einhundert Tagen Landeschef von Baden-Württemberg, freute sich, als „Provinzpolitiker“ in die Bundespressekonferenz (BPK) eingeladen worden zu sein. Tatsächlich ist es nicht unbedingt üblich, ein Landesoberhaupt nach hundert Tagen in die BPK einzuladen. Doch war die Landtagswahl im „Ländle“ eine kleine Revolution. Kretschmann ist der erste grüne Ministerpräsident in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Nach scheinbar unzählbaren Jahren unter einer CDU-Regierung hat die grüne Machtübernahme doch etwas von einer 180-Grad-Wende.

In der BPK zog er eine Bilanz der hundert Tage, die er nun im Amt ist, für Kretschmann aber nur ein „künstliches Datum“. Im Wahlkampf sprach der Grünen-Politiker von einer „Politik des Gehörtwerdens“. Nicht zuletzt ist damit die „Dauerbaustelle Stuttgart 21“ gemeint, die noch immer für Diskussionsstoff in Koalition und Bevölkerung sorgt. Dennoch, sagt Kretschmann, „es geht nach Fahrplan“. Nächster Halt ist die Volksabstimmung über das Projekt im Dezember.

Als wichtigste Handlung seiner bisherigen Regierungszeit sieht der Atomkraftgegner Kretschmann das Mitwirkung an der Energiewende. Auf die Aussage,er habe von der Katastrophe in Fukushima im März 2011 profitiert, äußert Kretschmann sich mit Unverständnis. Seiner Meinung nach hätten die Ereignisse in Japan zwar die Bundesregierung zum umdenken gezwungen, er sei jedoch schon Jahre zuvor durch einfaches Denken zum Umdenken gekommen. Auch einen grünen Hype sieht Kretschmann gelassen und vertritt die Aussage „alles ist relativ“.

Berlin ist nicht Baden-Württemberg

Als Gelegenheit zum Rühren der Werbetrommel ergriff auch Renate Künast das Wort, denn fünf Monate nach der Landtagswahl im Ländle beginnt auch in Berlin der große Stimmenfang. Zwar lassen die Umfragewerte der Berliner Grünen mit 22 Prozent nicht auf die Stellung des Regierenden Bürgermeisters nach dem 18. September schließen, Renate Künast gibt sich aber kämpferisch. Sie käme schließlich aus der „Fischerschule“. Vom ehemaligen Außenminister habe sie gelernt, dass ein Wahlabend auch ganz anders enden kann als noch zuvor angenommen.

„Da müssen wir ran“, das ist der Werbeslogan der Grünen in Berlin. In der BPK führte Künast aus, was sie politisch an Berlin stört. Die SPD will „Berlin verstehen“, dass reicht Künast nicht, so sagt sie, denn man muss auch handeln. Die Hauptstadt sei „Träger der roten Laterne“, Schlusslicht in den Bereichen Bildung und Wirtschaft. Allein im Bereich Schule gibt es eine Milliarde Euro Sanierungsbedarf, so die Kandidatin. Auch die Berliner-„Dauerbaustelle“ S-Bahn liegt Künast am Herzen. Ohne Teilausschreibungen des Netzes sieht sie keine Chance, dass es wieder zu einem intakten Angebot kommt.

Viele Probleme der Hauptstadt zählt sie auf und lässt kein gutes Haar am Rot-Roten Senat: „Versemmelte“ Schulreformen, Mietexplosionen. Eine Verlängerung der A 100, auch ein rot-rotes Projekt, wird es mit den Grünen nicht geben. Künast will mit allen Mitteln eine weitere Amstperiode von SPD und Linken verhindern. In Bezug auf Koalitionspartner hält sich die Kandidatin selbst aber alles offen. Es ist bekannt, dass die größte Schnittmenge mit der SPD besteht. Fast hätte sich Künast versprochen und CDU gesagt, doch die warnte sie davor aus den aktuellen Brandanschlägen auf Autos populistischen Wahlkampf machen zu wollen.

Man wird sehen, ob sich die „Fischerschule“ in der Hauptstadt von „arm aber sexy“ durchsetzen kann. Von Kretschmann lernen heißt jedoch nicht unbedingt siegen lernen. Berlin ist nicht Baden-Württemberg. Ratschläge wollte Kretschmann seiner Parteifreundin jedenfalls nicht geben. Bis auf einen: Am Wahltag ist der Stimmenfang nicht erst mit Schließung der Wahllokale beendet, sondern bereits zur Mittagszeit. Wie groß der Appetit ist, wird man sehen.

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