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Der Tod trägt weiß.

Kommentar

Von Michael Ermisch
Der Tod trägt weiß. Nicht wie einer, der einem das Leben raubt, sondern eher wie ein Heilsbringer tritt Felix Martin in seiner Rolle auf. Unerwartet faszinierend und beunruhigend zugleich kommt der Tod nicht bedrohlich daher, sondern als eine Verführung, als ein Liebhaber, der tötet, indem er küsst. Nach ihm sehnt sich Elisabeth ihr ganzes Leben lang und unterliegt schließlich seinem Charme: „Der letzte Tanz gehört alleine mir“, verspricht er, inzwischen schwarz gekleidet.

Auf der Bühne leuchtet eine große Videoleinwand, die sehr eindrucksvoll in Federn strukturiert den Hintergrund dominiert. Jedes Feder-Feld zeigt immer wieder andere Bilder, Fragmente der Wiener Hofburg – oder Seelensplitter? Die Felder vereinen sich zu großen Landschaftsbildern und vermitteln Größe und Weite. Die Spiegel an den Seitenwänden verstärken den Eindruck, manchmal sieht es sieht aus, als sei einer zerbrochen. Davor läuft das große Drama der Habsburger Schlag auf Schlag ab, das ja mit dem Tod Elisabeths nicht zu Ende sein sollte.

Der italienische Anarchist Luigi Lucheni, gespielt von Bruno Grassini, erstach Elisabeth 1898 im Alter von 61 Jahren in Genf. Grassini erzählt als moderierender Mörder ihre Geschichte im Rückblick. In seiner Person ist das Ende immer anwesend.

Es ist eine Erzählung, die nicht ins Stocken gerät. Alle bewegen sich ständig, die Beamten, Kleriker und Ratgeber fahren an Kaiser Franz Joseph, gespielt von Markus Pol, vorbei, wie die Männchen am Münchner Rathaus.

Die Kaffeehausbesucher drehen ihre Tische, als säßen sie in Autoscootern. Regisseur Harry Kupfers detailgenaue Personenregie kennt man aus der Oper, zum Beispiel, als der Kaiser und die Kaiserin „Ich liebe dich“ zueinander sagen aber gerade dabei sind aneinander vorbeizufahren. Das Ensemble spielt mit Stilbrüchen, Nonnen treten mit grotesk großen Hauben auf, der Bischof tanzt und das Volk demonstriert. Das Musical ist kein Romy-Kitsch und kein klischeeseliges Herz-Schmerz-Musical, es ist voller politischer und menschlicher Grenzerfahrungen. Das Kupfer die Nationalsozialisten „Sieg Heil!“ rufen und den Hitlergruß machen lässt, um den aufkeimenden Antisemitismus im Habsburgerreich zu illustrieren, ist eine Übertreibung. So viel Deutlichkeit schlägt ins Gegenteil um.

Da die Geschichte ständig Farbe und Temperatur ändert, ist das gleich wieder vergessen. Vor allem im Gesicht von Pia Douwes, der Hauptdarstellerin, spiegeln sich die wechselnden Zeiten. Zu Beginn noch das glückliche Mädchen in ländlicher Umgebung, das Gedichte schreiben will, verdunkeln sich ihre Züge nach der Eheschließung zunehmend. Wenn sie alleine ist, merkt sie, dass sie Kraft nur noch aus sich selbst schöpfen kann, und singt davon in großen Einzelnummern.

Mit "Elisabeth" gelang der Holländerin Dia Douwes, die als Tänzerin begann, 1992 der internationale Durchbruch. Eine Paraderolle eine Rolle ihres Lebens. Die reife Sissi wird ihr zur zweiten Haut.

Nach der Pause kommt der große Bruch und es ist Schluss mit der gefühlvollen Sissi. Sie wird gefühlskalt, bis es schließlich für ihren Zustand nur noch ein Wort gibt: verhärmt. Doch bei so einer Schwiegermutter auch kein Wunder. Christa Wettstein spielt die Erzherzogin Sophie wunderbar böse und intrigant.

Musikalisch reicht die Klangweite von Sylvester Levays Partitur von Streichern über Schlagzeug bis zu expressivem Orgelspiel. Sissis Leben ähnelt dem Leben der Königin der Herzen Lady Di, die ebenso unter der Isolation und Vereinsamung am kaltem Hofe litt, zunehmend verbitterte und depressiv wurde. Am Ende es Musicals ist es der Tod, der Lucheni das Messer gibt und Elisabeth in Empfang nimmt. Da trägt er längst wieder weiß.

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