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Russland kämpft mit EU und NATO gegen Drogen

Putin-Vertrauter Viktor Ivanov

rät: Afghanistan lieber mit Pflugscharen statt mit Schwertern befrieden. (Fotos: Copyright by Stefan Jalowy)

Putin-Vertrauter Ivanov rät: Afghanistan lieber mit Pflugscharen statt mit Schwertern befrieden

Von Stefan Jalowy

26.03.2010, Berlin – Russlands oberster Drogenbekämpfer Viktor Ivanov sieht die Strategie der NATO im Rahmen der „International Security Assistance Force“ (ISAF) bei der Befriedung Afghanistans als nicht sonderlich wirkungsvoll an. Aus Sicht des engen Vertrauten des russischen Staats- präsidenten Vladimir Putin geht die größte Gefahr für die EU wie auch für Russland vom Geschäft mit afghanischem Roh-Opium aus. Das Geschäft mit Opium, aus dem vor allem Heroin hergestellt wird, läge zum Teil in den Händen extremistischer Gruppen, die die zentralasiatischen Staaten destabilisieren und übernehmen wollten. “Die ISAF aber bekämpft nur die afghanischen Opium-Clans, die mit den Taliban kooperieren. Doch das ist nur ein verschwindend kleiner Teil.“

Auf Einladung der „Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik“ (DGAP) referierte der enge Putin-Vertraute und Afghanistan-Veteran am Freitag vor einem hochrangig besetzten Kreis aus Nachrichtendienst-Experten, Politikberatern und Journalisten in der Bundeshauptstadt.

Der ehemalige KGB-Generalmajor, der gegen Ende der sowjetischen Besatzung in Afgha-nistan diente, konkretisierte seine Ansichten mit erschreckenden Zahlen aus UN-Quellen.
Auf jährlich etwa 85 Mrd. US-Dollar bezifferte er den globalen Umfang des Geschäfts mit Opium, das auf den afghanischen Mohnfeldern angebaut wird. Davon würden circa fünf Milliarden Dollar in Afghanistan verbleiben – der Rest des Geschäfts mit der tödlichen Droge (nach UN-Angaben weltweit jährlich ca. 100.000 Tote durch afghanisches Opium) werde im Ausland abgewickelt. Die Taliban, gegen deren seit gut einem Jahr landesweit zunehmende Präsenz die ISAF-Truppen bislang mit mäßigem Erfolg kämpfen, kooperieren nach Ivanovs Informationen nur mit einem kleinen Teil der afghanischen Drogen-Clans. „Die ISAF geht gegen den Mohnanbau nur in den Distrikten vor, in denen die Taliban eine Rolle spielen“, so Putins Generalbevollmächtigter im Kampf gegen Drogen. „Die überwiegende Zahl der afghanischen Opium-Großhändler bleiben unbehelligt.“ Diese würden nach Erkenntnissen der russischen Nachrichtendienste und Sicherheitsbehörden mit extremistischen Gruppen aus Usbekistan, Tadjikistan und der Türkei kooperieren, die auf den Transitrouten durch Russland, Zentralasien, die Türkei und den Balkan eine perfekte Logistik aufgebaut haben. „Noch vor zehn Jahren lag der Schmuggel von Opium und Heroin nach Europa in den Händen türkischer Organisationen. Das hat sich geändert – jetzt beherrschen vor allem Kosovaren den Schmuggel, denn sie nutzen den Vorteil ihres Landes als potentieller EU-Beitrittskandidat.“

Neben der hohen Zahl an Heroin-Opfern in Russland – jedes Jahr sterben dort rund 30.000 Heroin-Abhängige an einer Überdosis der auf Opium basierenden Droge – stellen vor allem
die durch die Transit-Geschäfte mit Opium und Heroin aufgefüllten Kriegskassen der extre-
mistischen Gruppen in Russlands zentralasiatischem „Hinterhof“ eine ernste Bedrohung für den Kreml dar. „Wenn durch die Zerstörung der afghanischen Mohnfelder diese Gruppen nicht ihrer Haupteinnahmequelle beraubt werden, dann wird das eine gewaltige Destabilisierung Zentralasiens zur Folge haben. Und das kann auch nicht im Interesse Europas liegen“, so Ivanov.

"Aufmerksamer Zuhörer: Werner Sonne, ARD-Hauptstadtstudio". (Fotos: Copyright by Stefan Jalowy)

Der aus seiner Zeit als hoher Geheimdienstoffizier in Afghanistan mit den dortigen Verhältnissen gut vertraute Ivanov hatte am Mittwoch vor dem Russland-NATO-Rat in Brüssel einen Sieben-Punkte-Plan für eine Kooperation zwischen Russland und der NATO präsentiert. Kern war dabei eine Ausweitung des ISAF-Mandats auf die umfassende Zerstörung der afghanischen Mohnfelder durch die Truppen der Allianz. Der Generalsekretär der NATO, Anders Fogh Rasmussen, hatte den Vorschlag Ivanovs jedoch zurück- gewiesen. Durch seinen Sprecher James Appathurai ließ er später erklären: "Wir können uns nicht in eine Situation bringen, in der wir die Menschen im zweitärmsten Land der Welt um ihre einzige Einnahmequelle bringen ohne ihnen eine Alternative zu geben. Das ist einfach nicht möglich.“

"Ratloser Insider: August Hanning, Ex-Chef des Bundesnachrichtendienstes (BND)" (Foto: Copyright by Stefan Jalowy)

In Berlin verwies Viktor Ivanov auf den Plan, den afghanischen Bauern den Anbau von Weizen und Zuckerrüben sowie faire und ihnen eine existenzsichernde Preise auf den Weltmärkten zu gewähren. „Die Opiumbauern dort sind sehr arme Menschen, sie verdienen etwa drei Dollar pro Woche – wir denken, dass sie das auch mit dem alternativen Anbau von Getreide und Gemüse verdienen könnten.“

An die Adresse der Bundesrepublik gerichtet fragte Ivanov, „was sind die Ziele der Bundeswehr in Afghanistan?“ Mit Blick auf eine Verstärkung der ISAF-Kontingente meinte er: „Ein Anwachsen der militärischen Präsenz löst keine Probleme. Die Bevölkerung fühlt sich zunehmend besetzt und das führt zu der aktuell stattfindenden Konsolidierung diverser Gruppen, die gegen die ISAF auftreten.“ Statt dessen würden allein in den NATO-Staaten jedes Jahr 10.000 Menschen an den folgen ihrer Heroinsucht sterben. „Das sind im Verhältnis zu den militärischen Verlusten der ISAF-Truppen 50mal so viele zivile Opfer.“

Der als Gast anwesende ehemalige Chef des Bundesnachrichten- dienstes (BND), August Hanning, bestätigte indirekt die generelle Analyse Ivanovs. „Je mehr man sich mit dem Mohnanbau in Afghanistan beschäftigt, desto mehr muss man aufpassen nicht in Depressionen zu verfallen“, kommentierte der in den Jahren 1998 bis 2005 oberste Bundesnachrichtendienstler. Er sehe es ein „riesiges Problem“ in der Förderung von landwirtschaftlichen Ersatzproduktionen in Verbindung mit einer sicheren Logistik. Hanning resignierend: „Für die Lösung des Problems mit dem afghanischen Drogenanbaus sehe ich keine Patentrezepte.“ Viktor Ivanov aber bekräftigte seine Überzeugung, dass Afghanistan eher mit Pflugscharen denn mit Schwertern zu befrieden sei. Er will weiter für eine landesweite Bekämpfung der Mohnfelder bei gleichzeitiger Förderung unschädlicher Existenz-Alternativen für die afghanischen Bauern kämpfen.

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