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Das ganze Land ein Garten - Dessau-Wörlitz

KÜSTER, HANSJÖRG/HOPPE, ANSGAR: Das Gartenreich Dessau-Wörlitz. Landschaft und Geschichte. Verlag C. H. Beck, München 2010. 224 S., mit 96 Farbabb., einer Zeichnung und einer Karte, 19,95 Euro.

Das Gartenreich Dessau-Wörlitz zählt seit 2000 zum Weltkulturerbe. Hansjörg Küster und Ansgar Hoppe führen durch Landschaft und Geschichte einer Region, in der Natur, agrarische Nutzung und künstlerische Gestaltung eine beispielhafte Verbindung eingingen.

Von Monika Thees, 21.7.2010, erschienen in der » Berliner Literaturkritik.

„Jeglichen Beifall errang, wer Nützliches mischt (verbindet) mit dem Schönen“, schrieb der römische Dichter Horaz in „De arte poetica“. Nützlich war die ökonomische Entwicklung, schön sollte das Land gestaltet sein. Für Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau (1740-1817) wurde das Zitat, so wird berichtet, zum bestimmenden Leitspruch seines Handelns. Mit seinem Freund und Berater, dem Architekten Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff, und zahlreichen Helfern schuf er im ausgehenden 18. Jahrhundert eine spektakuläre Kulturlandschaft. „Vater Franz“ formte sie aus dem Geist seiner Epoche: mit englischen Parkanlagen, Schlössern, offenen Weideflächen, mit Einzelbäumen und Baumgruppen, gesäumt von Flüssen und Seen. Kein Zaun trennte den Wörlitzer Garten von der Stadt, die Umgebung wurde Teil des Landschaftsparks, von Anfang an stand dieser offen für jedermann.

Die Anlagen von Wörlitz gelten als „Zierde und Inbegriff der deutschen Klassik“ und bilden den viel gerühmten Kern des heute 150 Quadratkilometer umfassenden Gartenreichs an Mulde und Elbe. Zwischen der späteren Bauhausstadt Dessau und der Lutherstadt Wittenberg entstand über Jahrhunderte hinweg ein einmaliger, von Natur und Menschen geformter Kultur- und Landschaftsraum. Bauwerke, Gärten, Alleen, landwirtschaftliche Nutzflächen und bepflanzte Deiche gingen in dieser Landschaft eine einzigartige Verbindung ein. Seit 1988 ist sie Teil des Biosphärenreservats Mittelelbe, seit zehn Jahren (2000) gehört das „Gartenreich Dessau-Wörlitz“ zum UNESCO Weltkulturerbe. Es sei ein „herausragendes Beispiel für die Umsetzung philosophischer Prinzipien der Aufklärung in der Landschaftsgestaltung, die Kunst, Erziehung und Wirtschaft miteinander verbindet“, so die Begründung des Welterbekomitees.

Das Gartenreich Dessau-Wörlitz strahlt als einzigartiges Juwel. „An einem solchen Stein ist nicht nur der Schliff edel. Er ist auch seiner Natur nach kostbar“, schreiben Hansjörg Küster und Ansgar Hoppe, beide, als Professor für Pflanzenökologie sowie Biologe und Landschaftsforscher, tätig an der Leibniz Universität Hannover. „Das Land, in dem sich heute das Gartenreich befindet, das Gebiet an der Mündung der Mulde in die Elbe, bekam nicht erst durch künstliche Gestaltung sein einmaliges Gesicht, es hatte schon von Natur aus besondere Eigenheiten.“ Eiszeitliches Schmelzwasser floss durch das Breslau-Magdeburg-Bremer Urstromtal, der Wind formte Dünen aus Sand, kleine Hügel, die später in die Landschaftsgestaltung mit einbezogen wurden. Die langsam fließende Elbe spaltete sich in Flussarme, flutete bei Hochwasser das Land, ließ Auwälder entstehen.

Wörlitz wurde erstmals 1196 erwähnt, Mosigkau 1272, mittelalterliche Siedlungen entstanden zwischen dem Ackerland auf den Anhöhen und den niedrig gelegenen Weiden. Doch massive Abholzungen für Brenn- und Werkholz sowie die Übernutzung urbaren Landes führten bis ins 17. Jahrhundert zu vermehrt wüsten Flächen. Im Zuge der nach dem Dreißigjährigen Krieg einsetzenden Reformen unter Henriette Catharina von Oranien-Nassau (1617-1708) begann der Ausbau von Schloss und Park Oranienbaum sowie der Anbau von Spezialkulturen wie Tabak, Hopfen, Anis, Safran und Waid. Leopold I. (1676-1747), der „Alte Dessauer“, forcierte den Umbau seines Fürstentums, durch Flurbereinigung (sog. Verkoppelungen), durch den planmäßigen Bau von Chausseen und Siedlungen, durch Trockenlegung, Eindeichungen und Melioration. Park und Schloss Mosigkau, das „kleine Sanssouci“, der am besten erhaltenen Schlossbau des Rokoko im mittleren Deutschland, entstanden.

Hansjörg Küster und Ansgar Hoppe verdeutlichen einprägsam historisch ge- und überwachsene Spuren, sie machen Landschaft in ihren Überformungen les- und erfahrbar – nicht wissenschaftlich trocken, sondern spannend und äußerst lehrreich verknüpfen sie Ökologie, Kultur- und Landschaftsgeschichte, zeichnen nach, wie Natur und künstlerische Gestaltung dem eine Form gaben, was uns heute als beispielhaftes Miteinander von Mensch und Biosphäre gilt. Leopold II. Friedrich Franz, der Enkel Leopolds I., starb 1817, sein arkadisches Gartenreich mit insgesamt sieben Schloss- und Parkanlagen wurde hochgerühmt und Vorbild, unter anderem für die Berlin-Potsdamer Parklandschaft in der Gestaltung durch Peter Joseph Lenné.

Mit der einsetzenden Industrialisierung veränderte sich das „nützlich-schöne“ Gartenreich. Der Ausbau von Eisenbahn und Schifffahrt schritt voran, Kohle ersetzte Holz, Mineraldünger steigerte die Felderträge. Die Bauern gaben die Eichelmast auf, sie fällten, trotz strengen Verbots („Eichenregal“), zahlreiche Solitäreichen, nur einige Jungbäume wurden unter Leopold IV. Friedrich nachgesetzt. Das Junkerswerk entwickelte sich zur weltbedeutenden Flugzeugfabrik, 1925 zog das in Weimar gegründete Bauhaus nach Dessau. In Vockerode, mitten im Gartenreich, stand seit 1937 (bis 2001) ein monumentales Braunkohlekraftwerk, die Elbe führte giftige Schadstoffe, ein Autobahnturm trug bis in die 1990er Jahre die Neonreklame „Plaste und Elaste aus Schopkau“.

„Die Natur, die frühe Gestaltung, die künstlerische Überformung und die modernen Landschaftsveränderungen verliehen dem Land ... ihre unverwechselbare Identität“, schreiben die Autoren im Epilog. Das Schloss Luisium mit dem englischen Garten, das Rokoko-Ensemble Mosigkau, der Landschaftsgarten Großkühnau und das Georgium bilden eine Einheit mit dem barocken Stadt-, Schloss- und Parkensemble Oranienbaum und den klassizistischen Wörlitzer Anlagen. Der Einklang von Natur, gärtnerischer Gestaltung und künstlerischer Überformung zeugt von der kulturellen Größe vergangener Tage. Die Zukunft des Gartenreichs liegt nicht allein in musealer Bewahrung, sondern bedarf aktiver Erhaltung und Planung.

Landschaft unterliegt einer stetigen Veränderung durch natürliche Entwicklungen und durch den Menschen, der prägend auf sie wirkt. Er sollte es mit Bedacht tun und Augenmaß. Dies gilt für Fragen der Aufforstung, Renaturierung und den Deichausbau nach der katastrophalen Elbeflut 2002, die strittige (und unnötige) Ausbaggerung der Elbe und deren Zukunft als Schnellstraße für den Containerverkehr. Es betrifft die Erarbeitung nachhaltiger Tourismuskonzepte ebenso wie die optimale Nutzung der ausgebeuteten Braunkohlegruben von Bitterfeld und Großhainichen und ist weiter zu fassen als übergreifendes Konzept, das die Idee des Gartenreichs einbindet in eine zukunftsweisende ökologisch-ökonomische Entwicklung der gesamten Region.

Literaturangaben:

KÜSTER, HANSJÖRG/HOPPE, ANSGAR: Das Gartenreich Dessau-Wörlitz. Landschaft und Geschichte. Verlag C. H. Beck, München 2010. 224 S., mit 96 Farbabb., einer Zeichnung und einer Karte, 19,95 Euro.