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500 Millionen für Umbau des Berliner Stadtschloßes

(Bild: Glaser, Caro)

Von Helmut Lorscheid

Bonn/Berlin, 14.6.2009. In Berlins Mitte wird für mehr als eine halbe Milliarde Euro das ehemalige Stadtschloss nachgebaut. Ein umstrittener Förderverein, der 80 Millionen Spenden für die barocke Fassade zusagte, hat die ersten Millionen schon ausgegeben: vor allem für Modelle, Personal und Verwaltung.

Es wächst langsam Gras über den Palast der Republik, der als Symbol der DDR nicht unter Denkmalschutz stand. Die Befürworter eines Erhalts dieses Stücks jüngerer deutscher Baugeschichte konnten sich nicht durchsetzen. Der Bau wurde abgerissen. Das satte Grün, das sich jetzt bis zum Ufer der Spree zieht, tröstet die Augen aber nur vorübergehend. Im Herbst nächsten Jahres soll hier eine gigantische Baustelle eingerichtet werden. Humboldt-Forum heißt das Projekt, benannt nach dem Berliner Wissenschaftler Alexander von Humboldt.

Von außen soll das Gebäude aussehen wie das 1950 gesprengte Stadtschloss. Im Kern ist jedoch ein moderner Betonbau geplant. Spötter reden deshalb von einem Scheinschloss. Genutzt werden sollen die rund 40 000 Quadratmeter unter anderem von der Humboldt-Universität, der Zentral- und Landesbibliothek und der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. An einem internationalen Wettbewerb zur Gestaltung des Großvorhabens beteiligten sich mehr als hundert Architekten. Den ersten Platz belegte der bis dahin weitgehend unbekannte italienische Planer Franco Stella. Eine umstrittene Entscheidung. Der Stuttgarter Architekt Peter Conradi, ehemaliger Präsident der Bundesarchitektenkammer, gehört zu den bundesweit bekanntesten Kritikern. Preußen sei „Gott sei Dank“ zugrunde gegangen, viele seien froh, „dass es Preußen nicht mehr gibt“. Ein Preußenschloss sei deshalb „keine identitätsstiftende Aufgabe für die Bundesrepublik Deutschland“, kritisierte Conradi in einem Interview mit dem Deutschlandradio.

Ungeachtet solcher Einwände wird das Vorhaben von der Politik vorangetrieben. Im April beschloss das Bundeskabinett die Gründung der Stiftung Berliner Schloss - Humboldtforum. Sie soll Eigentümerin des Berliner Schlosses werden. Die Baukosten werden auf 552 Millionen Euro veranschlagt. Der Bund trägt 440 Millionen, das
Land Berlin 32 Millionen Euro. Die restlichen 80 Millionen sollen durch Spenden aufgebracht werden.

Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee (SPD) verteidigte die Entscheidung, mitten in der Finanzkrise mehr als eine halbe Milliarde Euro für das Stadtschloss auszugeben: „Quer gegen die Wirtschaftskrise wollen wir zeigen, Deutschland ist eine Kulturnation.“ Der SPD-Politiker ist überzeugt, „dass die Spenden kommen“.

Viele Fachleute bezweifeln dies unterdessen heftig. Für die Spendensammlung war bisher allein der Förderverein Berliner Schloss zuständig. Noch Anfang Oktober 2008 erklärte Karin Roth, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesbauministerium, auf eine Frage der Grünen, der Verein habe zugesagt, „dass es sein Ziel sei, dem Projekt 80 Millionen Euro (bar) zur Verfügung zu stellen“. Die Betonung lag auf „bar“. Der Bund will Geld sehen.

Wilhelm von Boddien

Schon 1993 warben Anhänger der Schloss- Rekonstruktion mit einer Attrappe für den Wiederaufbau (oben). Besonders engagiert ist Wilhelm von Boddien, Geschäftsführer des Fördervereins, der 80 Millionen Euro Spenden versprach. (Bild:Glaser, Caro)

Der Hamburger Kaufmann Wilhelm von Boddien, Gründer des Fördervereins, hat eine ganz andere Vorstellung. Ihm genügte die Rolle des Geldbeschaffers nie, er wollte selbst mitbauen. So wurde es auch in die Satzung geschrieben. Mit den eingesammelten Geldern soll der Verein „Architekten und Bauleistungen zur Rekonstruktion der Schlossfassaden selber durchführen oder durchführen lassen“. Das Ergebnis dieser Leistungen sei dann an einen „öffentlichen oder gemeinnützigen Träger zu übergeben“. Pläne und ein Haufen Steine statt Geld? So genau blickt derzeit niemand durch. Fest steht nur: Die etwas mehr als zehn Millionen Euro Spenden, die bisher zusammenkamen, wurden im Wesentlichen vom Förderverein ausgegeben. Wichtigster Auftragnehmer ist das Berliner Architekturbüro Rupert Stuhlemmer. Der Planer wurde vom Geschäftsführer des Fördervereins, Wilhelm von Boddien, mit der „historisch getreuen Rekonstruktion der äußeren barocken Schlossfassade“ betraut.

Die Geschäftsverbindung hat einen faden Beigeschmack: Rupert Stuhlemmer war bis Ende Oktober 2004 stellvertretender Vorsitzender des Fördervereins. Wie hoch die zwischen Verein und Architekturbüro vereinbarte Auftragssumme ist und was genau mit den Spenden geschah, mögen weder Geschäftsführer von Boddien noch Rupert Stuhlemmer mitteilen. Unbeantwortet ließen sie auch die Frage von Sonntag Aktuell, ob Stuhlemmer bereits als Vereinsvize mit Aufträgen bedacht wurde. Fakt ist: Lange bevor der internationale Architektenwettbewerb Ende letzten Jahres abgeschlossen war, arbeiteten Stuhlemmer und einige Berliner Bildhauer bereits an Steinmustern und modellierten Schmuckelemente aus Gips. Zu den Kritikern der Schlossrekonstruktion gehört auch Philipp Oswalt, Direktor der Stiftung Bauhaus in Dessau. Er behauptet bisher unwidersprochen im Internet-Blog „Schlossdebatte.de“, Rupert Stuhlemmer habe von seinem alten Verein Aufträge in Höhe von etwa 5,4 Millionen Euro erhalten. Eigentümlich findet es nicht nur Oswalt, das neben dem Architekturbüro Stuhlemmer ausgerechnet Wilhelm von Boddien einer der Hauptnutznießer des Fördervereins ist. Nachdem seine Firma Boddien Landmaschinenhandel und Kommunaltechnik 2004 in die Insolvenz geraten war, wurde aus dem damaligen ehrenamtlichen Vereinsvorsitzenden ein hauptamtlicher Geschäftsführer, ausgestattet mit einem ansehnlichen Gehalt. Im Bericht der Wirtschaftsprüfer zum 31. Dezember 2004 heißt es lapidar, die Erhöhung der Personalkosten des Vereins um 220 000 Euro im Jahr resultiere „im Wesentlichen aus der Berufung des Herrn Wilhelm von Boddien zum Geschäftsführer“.

Notwendig geworden sei die Bestellung eines Hauptamtlichen „aufgrund des stetig steigenden Verwaltungsaufwands und der zunehmenden Aktivitäten des Vereins“. Ob das Gehalt angemessen war, wurde nicht geprüft. Wilhelm von Boddien genießt aber nicht nur ein beachtliches Salär – er hat auch weitreichende Vollmachten. Während in anderen Vereinen der Vorstand Verträge abschließt, erledigt das im Förderverein nicht dessen Vorsitzender Professor Richard Schröder (SPD), sondern Geschäftsführer Boddien. So hielten die Wirtschaftsprüfer in ihrem Prüfbericht 2004 fest, die „wesentlichen Aufwandspositionen“ des Vereins setzten sich „überwiegend“ aus „Kosten der Schlossrekonstruktion“ zusammen. „Erfolgt“ seien die Aufträge an Architekt Stuhlemmer „durch den Geschäftsführer des Vereins“ Weil Wilhelm von Boddien in Hamburg wohnt, hat dort auch die Geschäftsstelle des gemeinnützigen Berliner Fördervereins ihren Sitz. Nicht irgendwo in Hamburg, sondern im Haus Rissen, einem noblen Konferenzzentrum. Mietkosten: 16 000 Euro jährlich. Vom Deutschen Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI), es vergibt Spendensiegel, erhielt der Förderverein ungeachtet aller Kritik bislang ein positives Zeugnis.

So sei die Auftragsvergabe an das Architekturbüro Stuhlemmer auf einer Mitgliederversammlung „ausführlich diskutiert“ und „im Nachhinein ausdrücklich genehmigt“ worden. Auch das monierte Fehlen eines vereinsinternen Kassenprüfers sei kein Problem: Der Jahresabschluss werde ja von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft analysiert. Außenstehende halten das Testat für etwas anrüchig: Die Vorsitzende des DZI, Ex-Senatorin Ingrid Stahmer (SPD), ist zugleich Aktivistin des Fördervereins. Sogar die Staatsanwaltschaft wurde wegen des Finanzgebarens der Spendensammler schon eingeschaltet. Philipp Oswalt und zwei ehemalige Vereinsmitglieder erstatteten Strafanzeigen. Die Vorwürfe lauteten auf Untreue und Geldwäsche. Anlass dafür war offenbar unter anderem eine anonyme Spende an den Förderverein in Höhe von 700 000 Euro. Die Behörde sah jedoch laut Verein „keine tatsächlichen Anhaltspunkte“ für die Aufnahme von Ermittlungen. Geschäftsführer Boddien wirft Oswalt vor, er betreibe eine „Kampagne“ gegen den Verein. Das Vertrauen in den Spendensammler scheint mittlerweile angekratzt. Er soll nicht mehr allein für die Akquise zuständig sein. Die neugegründete Stiftung Berliner Schloss – Humboldtforum wird sich als Bauherrin nun selbst um Spenden bemühen. Kommen die eingeplanten 80 Millionen nicht zusammen, werden wohl die Steuerzahler zur Kasse gebeten.

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