Jonas Gedanken zur Fremdenfeindlichkeit

Islamisierungsdebatte und Antijudaismus

Islamisierung des nationalsozialistischen Antisemitismus in der Mitte unserer Gesellschaft

Von Hans Jonas

Genauso wie nicht jeder Moslem Antisemit ist, ist nicht jeder Jude Israeli. Wir verteidigen den Staat Israel und nicht die Politik bestimmter Parteien.

Die mediale Weiterverarbeitung der Verschwörungstheorien im pseudowissenschaftlichen Gewand wird zur Gefahr! Unsere allgemeine Zurückhaltung und Nichtpositionierung gegen Rassismus, Chauvinismus, für die Uno-Charta und für das Grundgesetz hindert uns eine Ausuferung des Korans ernsthaft wahrzunehmen. Das leider sehr verbreitete Gedankengut und diese antidemokratische Auffassung spielen selbst in den aktuellen Unruhen eine Rolle und sind in Europa, Deutschland und daher auch in Berlin, besonders bei moslemischen Jugendlichen offen ersichtlich.

Der Auftraggeber einer Studie, die EU-Behörde "Europäische Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit" hatte diese Studie unter Verschluss gehalten. Diese Reaktion verdeutlicht leider eine sehr gefährliche Tendenz: Antisemitismus im islamischen Gewand als eine Art "Kulturgut" zu schützen. Die Verantwortlichen befürchteten, dass die erschreckenden Ergebnisse die Abneigung gegen den Islam fördern würden. Der Jüdische Weltkongress und internationale Presseorgane haben die Studie auf ihren Internetseiten zugänglich gemacht.

"Die Protokolle der Weisen von Zion", Hitlers "Mein Kampf" feiern Urständ und erfreuen sich großer Beliebtheit. Ich möchte vor einer falschen Zurückhaltung warnen: In Schulen und Jugendeinrichtungen, in Stadtteilläden hat sich "Bist Du Jude?", "Judensau" und "Du Jude" zum bevorzugten Schimpfwort unter Muslemi entwickelt.

Verschwörungstheorien haben psychologisch folgende Wirkung: Sie grenzen nach Außen ab und wirken nach Innen stabilisierend. Sie sind nicht nur im islamischen Kontext gegen die Moderne und die Demokratie gerichtet. Misstände und Tabus werden auf einen Feind projiziert: Der Jude, Urheber aller Ursachen. Hat man einen Sündenbock, können die eigenen Verfehlungen aus dem Lager geschafft werden.

Sayyid Qutb, einflussreicher ägyptischer Vordenker des Islamismus schreibt in seinem Traktat: "Unser Kampf gegen das Judentum", in Anspielung auf Marx, Freud, Durkheim: "Hinter der Doktrin des atheistischen Materialismus steckte ein Jude; hinter der Doktrin der animalistischen Sexualität steckte ein Jude und hinter der Zerstörung der Familie und der Erschütterung der gesellschaftlichen Beziehungen in der Gesellschaft steckte ebenfalls ein Jude." Er verlangt die Rückbesinnung auf die islamischen Wurzeln und Werte als den einzigen Weg zu Frieden und Gerechtigkeit in der Welt. Er propagiert mit Hilfe der antisemitischen Verschwörungstheorien das "logische" Ausbleiben der Heilsergebnisse und schiebt sogar die innerislamischen Auseinandersetzungen "dem Juden" in die Schuhe.

Derartige "Theorien" sind eine willkommene und große Möglichkeit für den arabischen und moslemischen Raum von der eigenen Verantwortung für die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Misstände abzulenken und die anhaltenden Unruhen doch zu Gunsten ihrer autoritären Machtstrukturen zu entscheiden. Der israelfeindliche Iran profitiert davon am meisten. Unter dem Aspekt, wer an die Macht kommt und einen evtl. Gottesstaat aufbaut, zeigt, das es dem Iran nur recht sein kann, wenn es brodelt. Hier liegt die Versuchung auf der Hand: jüdischen Erfolg und arabische Ohnmacht mit einer vom westlichen Imperialismus unterstützten jüdischen Weltverschwörung zu erklären. Das ist der wichtigste gemeinsame Konsens der islamischen Umma.

Zusammenfassend lasse ich hier den im reinsten "Stürmerstiel" schreibenden libanesischen Historiker Ajjaj Nuwayhid zu Wort kommen: "Oh, du darfst nicht auf halben Wege stehend innehalten, mein arabischer Leser, denn es ist deine Pflicht, dass du mit absoluter Sicherheit weißt, was und wer das 'Internationale Judentum' ist, das auf die Zersprengung von Christentum, Islam und der gesamten Zivilisation hinarbeitet. Wenn du auf halbem Wege innehälst, vergehst du dich an dir selbst und deiner Umma, an deiner Geschichte und an deinen jetzigen und künftigen Nachkommen."

Darf Antijudaismus so viel Platz in den Köpfen von muslimischen Migranten haben? Diese Zustimmung und das Schweigen darüber muss gebrochen werden. Wo sind die islamischen Kulturvereine die selbstkritisch hier ihre Position verändern und sich auf das Grundgesetz berufen? Wo die Fragen der Parteien?

Auch wir müssen in unserer Politik und Wirtschaft den Verweis auf den arabisch-türkischen Kontext, der auf die Kultur der Herkunftsländer verweist, ablehnen. Dies darf nicht offenen Auges verantwortet werden, weil damit direkt oder indirekt Israel selbst für den zunehmenden Antisemitismus in den islamischen Gemeinschaften und Ländern verantwortlich gemacht wird. So wird völlig ausgeblendet, wie sehr der Konflikt durch eine zunehmend religiöse und zugleich antisemtische Deutung auf arabisch-islamischer Seite verschärft wird. Das Ergebnis ist die typische Täter-Opfer-Umkehr.

Trotz der wirklich offenen Lage der Energieversorgung wage ich zu fragen: Ist es in Ordnung, Menschenrechte, Freiheit und Demokratie gegen Öl einzutauschen und menschenverachtende Machtstrukturen am Leben zu erhalten, die von der simplen Behauptung gespeist wird: Ich will es auch im Winter warm haben? (veröffentlich auf demokratie-spiegel.de am 20.3.2011)


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