Erstes Netzwerktreffen



Erster Idemokratischer Stammtisch

Von Hendrik Neuhaus


Das etwa Wohnzimmergroße Studio „newthinking store“ in der Tucholskystraße 48 bot am Freitag, den 24. März, für das „1. Netzwerktreffen für Interaktive Demokratie“ eine gemütliche Atmosphäre.


Sonst ist das newthinking store das Zuhause einer Kommunikationsagentur für die Informationsgesellschaft, doch regelmäßig finden hier auch Events rund um das Thema Technologie und direkte Demokratie statt. Zwei dieser Stores gibt es bereits in Berlin, in Köln soll demnächst ein weiterer eröffnet werden.


Etwa 30 Direkte-Demokratie-Interessierte und -Engagierte fanden an diesem Abend zusammen. Eingeladen hatten iDemokratie, münchenPolis und newthinking, die neben Campact e.V. auch die Referenten stellten.

Christian Hochhuth, der Gründer der Initiative „iDemokratie“, moderierte den Abend und versorgte das Publikum während der Vorträge mit den aktuellsten Blogs, die per Beamer an die Wand gestrahlt wurden.

Man war auf interessante Beiträge aus Berlin und München gespannt. Ziel dieser Art von Veranstaltungen sei es, erklärte Christian Hochhuth, einerseits verschiedenen interaktiv-Demokraten zusammenzubringen. Andererseits soll ein Online-Offline-Bezug hergestellt werden. Letzteres bedeute ein Zusammenspiel von Initiativen, die sowohl im Internet präsent und zudem auf der Straße und bei Veranstaltungen in Aktion treten.


Mit den Worten „Wir möchten ein "Netzwerk für Interaktive Demokratie" aufbauen und damit den Dialog, Erfahrungsaustausch und gemeinsame Kooperationen zwischen den in ganz Deutschland verteilten Initiativen fördern, " gab Christian Hochhuth den Startschuss für das neue Portal für Interaktive Demokratie "demokratie24.de". Kräfte sollen gebündelt und verschiedene Themen, Kampagnen, Strukturen und ein visueller Wahlkampf unter ein Online-Dach gebracht werden, das ist der Wunsch von idemokratie. Man möchte man zum Mitmachen anregen und dem Bürger Petitionsmöglichkeiten aufzeigen.

MünchenPolis, erklärte Caroline von Lowtzow, ist ein Netzwerk; ein offener Salon von politisch Interessierten, die sich engagieren möchten. Wichtig sei dabei, dass alle Bürger über wesentliche Themen diskutieren, nicht nur die Politiker. Aus diesen Diskussionen heraus würden dann auch neue Ideen entspringen, zum Beispiel zur EU-Osterweiterung oder zur Familienpolitik. Mit berlinPolis und hamburgPolis bestehe eine Vernetzung, "sozusagen ein interaktiver Stammtisch". Das Problem, dessen werden sich die Mitglieder auf ihren monatlichen Treffen immer wieder bewusst, ist die nur bedingt vorhandene Organisation und Struktur. So sei kaum kontinuierliche Arbeit möglich, so Caroline.

Dritter und Letzter im Bunde der Podiumsreferenten war Günter Metzges von Compact e.V., die sich als Demokratie in Aktion verstehen. Über ihre Website compact.de soll die Möglichkeit geschaffen werden, einen online-Dialog mit Politikern herzustellen, um so die Meinung Einzelner sichtbar zu machen.

Politikfremde sollen herangeholt und der Lobbymacht eine entsprechende Gesellschaftsmacht entgegengesetzt werden.

Auf die kritische Frage aus dem Publikum, ob das ganze nicht eine Art Fast-Food-Politik sei, sagte Metzges: „Nein, es geht hier um Ideologie. Ich wünsche mir, dass bei Entscheidungen, bei denen es in die falsche Richtung läuft, der Bürger durch sein Mitwirken umlenken kann. So etwa in der Atompolitik.“

Zwei weitere Vertreter, die sich unter das Publikum gemischt hatten, wurden im Anschluss daran von Christian Hochhuth um die Vorstellung ihrer Projekte gebeten.

Da war zum einen Stefan Schridde von 299direkt. Seine Statements wurden von den Zuhörern sehr kontrovers aufgefasst. Seiner Meinung nach erstark die Zivilgesellschaft zusehends, ist aber leider ohne Partei. Die konkrete Idee von 299direkt ist es, in den Wahlkreisen Abgeordnete durch Bürgerabstimmung aufzustellen, ohne Liste. Man würde also eine Art „casting“ mit dem Bürger zusammen betreiben. Dies hätte den großen Vorteil, so Schridde, dass tatsächlich ein Vertreter, der mehrheitlich vom Volk ausgesucht wurde, auch dessen Meinung vertreten könnte und nicht, wie bisher, dass die Parteien einen Vertreter stellen, der dem Volk nicht genügend bekannt ist.

Allerdings solle der Kandidat auch weiterhin nicht während seiner Mandatszeit abgewählt werden können. Eine Aussage, die bei einigen, offensichtlich recht direkteDemokratie-fanatischen Besuchern hörbaren Unmut auslöste. Sie waren der Auffassung, dass man Politiker aus Erfahrung nicht vertrauen könne.

„Die tun doch was sie wollen, sobald sie ein Mandat haben.“ Daher müsse der Bürger die Möglichkeit haben, ihm das Vertrauen wieder abzusprechen. Stefan Schridde darauf: „Ich habe da vielleicht ein anderes Menschenbild. Ich stelle mir eine Struktur vor, in der der Abgeordnete im engen kommunikativen Kontakt mit seinem Wahlkreis steht, vor dem er in regelmäßigen Abständen Rechenschaft über sein Handeln ablegt.“ Durch Gespräch habe man als Bürger immer Einflussmöglichkeiten auf den Abgeordneten, um ihn gegebenenfalls wieder „auf Linie“ zu bringen. Schridde sei zudem in Kreisen, die sich sehr intensiv für direkte Demokratie einsetzen, oft ein sehr pessimistisches Menschenbild aufgefallen. Eine Äußerung, die für weiteren Unmut sorgte. Bevor die Debatte jedoch zu hitzig wurde, lenkte Christian Hochhuth ein und ließ noch einen letzten Vertreter zu Wort kommen.

Kurt Wilhelmi vom Omnibus für direkte Demokratie fährt mit seinem Bus durch Deutschland, um für direkte Demokratie zu werben. Sein Ziel ist die Volksabstimmung, denn der Bürger müsse Souverän werden, so wie es die Demokratie ursprünglich vorsieht. Es soll aber nicht allein darum gehen, Ideen zu generieren, sondern konkrete Entscheidungen zu treffen. Unterschriftenaktionen seien zu unverbindlich, im Gegensatz zu der Wahlstimme. „Der Bürger muss dieses eine ihm zur Verfügung stehende Machtmittel gezielt einsetzen. Entweder indem er dem Politiker zu verstehen gibt, seine Partei zu wählen, wenn diese sich für die Volksabstimmung einsetzt. Oder er tritt in den Wahlstreik, solange es keine Volksabstimmung gibt.“

Nach soviel politischen Input und heißem Debattieren waren die Besucher dann eingeladen, ihre erhitzen Gemüter bei einem kühlen Gläschen Bier an der Bar im Nachbarraum abzukühlen. Die Diskussionen sollten aber so schnell kein Ende finden…


Text Hendrik Neuhaus (Praktikant Februar 2006 bei Medienmodul)


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