Direkte Demokratie wirkt schon

Wer lernen will, braucht Stabilitiaet und Ruhe.


Direkte Demokratie ist kein Umfragetrend und Stimmungsbarometer, sondern bestehende Politik, die noch kaum einer versteht.

Von Franziska Sylla

Berlin, 4.7.2010. Mit der Direkten Demokratie (DirDem) sollte man nicht spassen. Der Mensch neigt von Natur aus zur Bequemlichkeit. Im Denken, im Handeln, im Macht ausueben wollen. Direkte Demokratie schafft keine neuen Menschen. Und nicht jeder Parteipolitiker ist ein abgehobener Politsoldat, der nicht wuesste, was eine Waschmaschine kostet, wie die Agentur fuer Arbeit tatsachlich funktioniert oder dass eine Rede eine Rede und noch keine Tat ist. Und dass ein jeder Kampf um eine Meinungshoheit Geld kostet, um gesellschaftlich verankert zu sein. Das alles bleibt fuer jede Vereinigung, jede Buerger- oder Wahlinitiative, jede Partei, die wichtigste Voraussetzung.

In allen deutschen Bundeslaendern gibt Volksbegehren Dank engagierter Buergerinnen und Buerger, mit und ohne Mandat. Berlin zog 2006 als letztes Bundesland nach. Die Buergerbegehren laufen mal mehr mal weniger erfolgreich fuer die eigenen Initiativen, aber sie spiegeln mindestens die Interessen der Teilnehmer wieder, manchmal eben auch mehr und manchmal werden die Begehren oder – in der Folge – die Entscheide angenommen oder abgelehnt, aus den unterschiedlichsten Gruenden.

Die Direktwahl des Bundespraesidenten 2010 einzufordern, nur um den spontanen Zeitpunkt eines ploetzlich zurueckgetretenen Bundespraesidenten auszunutzen halte ich fuer eine verantwortungslose Stimmungsmache, da es keine gesetzliche Grundlage dafuer gibt. Selbst, wenn es sich bei dem Kandidaten um Joachim Gauck handelte, haette die Zeit fuer eine vernuenftige Vorbereitung fuer eine Direktwahl nicht gereicht.

Die Trennung zwischen DirDem-Instrumenten und den verfassungsrechtlich verankerten, vorhandenen Demokratieorganen, ist Humbug. Sie funktionieren genauso wenig ohne einander, wie ein Bundesregierungsvorschlag nicht ohne das Parlament, den Bundesrat oder ohne die Unterschrift eines Bundespraesidenten funktioniert. Nicht zu vergessen: das Verfassungsgericht und mittlerweile die Verfassungsorgane der Europaeischen Union. Oder haben Sie schon mal gehoert, dass ein Volksentscheid ohne Bezirks- oder Stadtrat, ohne Senat oder ohne ein Landesparlament zum Erfolg oder Misserfolg fuehrte im Ergebnis? Es ist mir ein Raetsel, wie geradezu von einigen einflussreichen Magazinen und Zeitungen die Wahl des Bundespraesidenten als eine Nichtwahl diskreditiert wurde, nur um die allzu leicht Feuer fangenden Gefuehle einiger Bevoelkerungsteile mit Oel zum Lodern zu bringen und die eigene Zeitung zu verkaufen. Ja, die Welle schlug bei den Stammtischpolitikern genauso ein, wie bei denen, die sich an den Buffets der Regierungsorgane laben. Journalisten und Berichterstatter eingeschlossen.

Das, was diese Welle um das Gauck-Phaenomen zeigte, war ein mangelndes Gemeinschaftsgefuehl, das gerade in unserer Zeit so kurzlebig sein kann, wie ein Konzert, eine Fußballsaison, eine Wahlperiode. Die Welle ist aber nicht das Meer selbst, auf dem gar keine Transportschiffe fahren koennen von einem Land zum anderen oder zum Vergnuegen, wenn es immerzu Wellen schlaegt. Mit der DirDem ist es wie mit dem Feuer der Liebe oder der Leidenschaft fuer eine Sache. Sie gehoeren zum Leben und Tun dazu, aber auch die haben mal Pause, das ist ganz natuerlich und dann ist es gut, wenn man weiss, dass es einen ordentlichen Hafen gibt, an dem man andocken kann.

Es wird hoffentlich noch viele hitzige und kontroverse Debatten in Deutschland geben, bis klar geworden ist, welchen Teil die Direkte Demokratie schon ausmacht und wo sie, wie veraendert werden kann. Aber fuer Bequeme und Geldgeile ist die DirDem genauso wenig tauglich, wie fuer solche Menschen, die nur das Feuer in der Liebe lieben, nicht aber die kuehle Ruhe danach. Die werden sich schnell wieder eine neue Liebe suchen und mit genau denen ist kein Staat zu machen. Vor allem nicht ein demokratischer Staat, in dem Kapitalismus, Sozialismus, Kommunismus, Buerokratismus und eben die Direkte Demokratie nebeneinander und sich ergaenzend gelebt und nicht zerredet und verbrannt werden. (LÄ 5.7., 01.20h)



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