SPD-Bundespartei- tag, 4.12.2011, Berlin

SPD-Bundesparteitag in Berlin



„Wenn wir uns der Sache nicht annehmen, dann tut das keiner.“

(Steinmeier zum Europa-Leitantrag)

Berlin, 4.12.2011. Großen Beifall erhielt Altkanzler Helmut Schmidt aus dem bis auf den letzten Platz besetzten Plenum nach seiner Kritik an den Liberalen und konservativen Parteien. Schmidt sagte, wer die europäische „Transfer-Union“ verweigere, sprich die Schulden einzelner europäischer Staaten nicht gemeinsam schultere, vertrete eine „national-deutsche“ Haltung.

Im Redemanuskript steht: „ ... dann ist das alles bloß schädliche Kraftmeierei.“ Der 90-Jährige bekräftigte, er stehe zu dem SPD-Dreiklang Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität.

Schmidt kritisierte die europäischen Institutionen mit einem Zitat des Sozialwissenschaftlers Jürgen Habermas. Es gebe „jetzt zum ersten Mal in der Geschichte der EU einen Abbau von Demokratie“ zu erleben. „In der Tat“, heißt es bei Helmut Schmidt weiter: Nicht nur der Europäische Rat inklusive seiner Präsidenten, auch die Europäische Kommission und ihr Präsident sowie die Ministerräte und die gesamte Brüsseler Bürokratie „haben gemeinsam das demokratische Prinzip beiseitegedrängt“. Schmidt bekannte, er selbst sei, als die „Volkswahl zum Europäischen Parlament“ eingeführt wurde „dem Irrtum erlegen, das Parlament würde sich schon selbst Gewicht verschaffen“. Tatsächlich habe es „auf die Bewältigung der Krise keinen erkennbaren Einfluss genommen, seine Beratungen und Entschlüsse blieben ohne öffentliche Wirkung“, so SPD-Altkanzler Helmut Schmidt.

Wenn keiner gegen die „Psychose-anfälligen“ Finanzmanager vorgehen wolle, so müssten „die Teilnehmer der Euro-Währung handeln“, so Schmidt weiter. Es folgte Beifall. Und am Ende seiner Rede stehenden, anhaltenden Applaus.

Da mehr direkte Demokratie „nicht so sein Thema ist“, so Michael Efler, Vorstandssprecher des Vereins „Mehr Demokratie“, habe sich Schmidt hierzu nicht eindeutig in seiner Rede positioniert. Tatsächlich aber lobte der SPD-Altkanzler die „repräsentative, parlamentarische Demokratie“.

Efler von „Mehr Demokratie“ war mit einem Infostand auf dem SPD-Bundesparteitag vertreten, ein Leitantrag „Demokratie“ des saarländischen Landesvorsitzenden und Mitglieds im Bundespräsidium Heiko Maas stand auf der Agenda. Das Magazin „Der Spiegel“ schrieb hierzu im Januar 2011, Maas wolle das Grundgesetz ändern und Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide als Elemente direkter Demokratie ermöglichen. Das sei „keine Ersetzung des parlamentarischen Prinzips", heißt es im Leitantrag, der als Vorlage für die Klausur des Parteivorstands am 10. und 11. Januar 2012 dient.

Inhaltlich solle diese „Volksgesetzgebung eine weitere Säule der Gesetzgebung neben Bundestag und Bundesrat“ sein, „in der Gesetzesinhalte durch Bürgerinnen und Bürger jederzeit ausgewählt und unmittelbar verbindlich entschieden werden“ könnten, erläuterte Heiko Maas, der innerparteilich die „Zukunftswerkstatt Demokratie und Freiheit“ leitet. SPD-

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel begrüßte den Vorstoß. „Das ist ein mutiger Entwurf, den ich unterstütze", sagte er damals im „Spiegel“. „Wir brauchen neue Brücken zwischen den parlamentarischen Institutionen und den Bürgerinnen und Bürgern.“

Über eine Stunde verspätet durfte Heiko Maas am 4. Dezember 2011 auf dem Bundespartei der SPD den von ihm verantworteten und vom Bundesvorstand unterstützten „Leitantrag Demokratie“ den interessierten Delegierten, Gästen und Pressevertretern vortragen.

Frank Walter Steinmeier verglich die europäischen Probleme bei den Altschulden mit denen der Übernahme der ostdeutschen Gebiete zu Gesamtdeutschland und empfahl eine Altschuldentilgung, wie ihn die deutschen Wirtschaftsweisen vergangenen November vorschlugen. Europa benötige ein „Gravitationszentrum“, sagte der Fraktionsvorsitzende im Bundestag auf dem Parteitag. „Auch wenn das manche nicht gerne hören wollen.“.

Hinsichtlich der europäischen Mitglieder sagte Steinmeier, er sei „heilfroh, dass Berlusconi endlich Geschichte ist“. Steinmeier plädierte für ein „besseres Europa“. Die Koalition von CDU, CSU und FDP habe keine Verdienste bei der bisherigen Krisenbewältigung innerhalb Deutschlands erworben.. Dies seien die Verdienste der vor wenigen Jahren noch regierenden Sozialdemokratischen Partei. (LÄ Monika Thees, 512.2011)


Helmut Schmidt (SPD) Deutscher Kanzler von 1974-82 (Bild: archiv/fs)


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