Qualifikationsportal fuer Migranten 2011

Auf Deutsch: Berufsqualifikationsvergleichsportal

Integrationspolitik/Bildungsqualitaetsinitiative/Wirtschaft/Ausbildung

Berlin, 18./19./10.2010. Abschluss ist nicht gleich Abschluss und bleibt fuer Viele zu oft ohne Anschluss in die aktuelle Berufsgesellschaft in Deutschland. Dem Fachmangelproblem zu begegnen mit Herabsenken der Einkommenshoehe von 66.000 Euro auf 40.000 Euro fuer hochqualifizierte Zuwanderer, wuerde beim FDP-Fluegel der Bundesregierungskoalition Zustimmung finden. FDP-Generalsekretaer Christian Lindner sagte das bereits vergangenen Freitag, Bundesminister Rainer Bruederle erneuerte am Montag seine positive Haltung dazu und der Minister setzte noch einen drauf: Ab 2011 wird es ein europaweit auszuschreibendes Internetportal geben, mit dessen Hilfe Berufsqualifikationen vergleichbar, analysierbar und bei Bedarf Wege aufgezeigt werden, wie die eigenen Qualifikationen zu ergaenzen waeren.

So ein Qualifizierungsvergleichsportal will auch Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU). „In der Frage der Qualifikationsanerkennung sind wir uns einig“, sagte Bruederle Montag in Berlin, allerdings gehe es inhaltlich beim BMWi um Berufsqualifikationen, bei Annette Schavan um ein Segment des Bundesbildungsministeriums (BMBF), naemlich „um die Universitaeten“ und damit verbundene Abschluesse. „Das ist eine andere Spielwiese“, sagte der Bundeswirtschaftsminister.

Im Fruehjahr habe Bruederle einen Fachkraeftekongress gestartet, jetzt ist die Machbarkeitsstudie da, die das Bundeswirtschaftsministerium bei dem Institut der deutschen Wirtschaft Koeln (IFOK) in Auftrag gab, fertig. Jetzt sollen moeglichst alle mobilisierbaren Ressourcen konkret aufgezeigt werden koennen, wie der im Oktober 2009 von CDU, CSU und FDP unterschriebene Koalitionsvertrag der Bundesregierung fuer die 17. Legislaturperiode in Auftrag gab. In Kapitel zwei unter dem Titel Bildungsrepublik Deutschland steht: Die Hochschulabschluesse muessen national und international besser anerkannt werden. Ebenso sollen im Ausland erworbene Qualifikationen im Bereich der beruflichen Bildung transparenter, einheitlicher und oekonomischer verwaltet werden. „Und fuer die Oekonomie ist das Wirtschaftsministerium zustaendig“, sagte Bruederle.

Wichtige Nebenziele koennte der Wirtschaftsminister mit der Bildungsministerin gemeinsam haben: Die Zahl der Schulabbrecher soll bis 2012 halbiert werden. Im Jahr 2005 zaehlte laut Nachrichtenmagazin Focus-Online vom 2. Januar 2007, das Statistische Bundesamt 76 000 Schulabbrecher. Die Wirtschaft beklagte die mangelnde Qualifikation. Der Praesident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Georg Ludwig Braun, sagte laut Focus damals: „Die Schere zwischen Jugendlichen, die ohne Hilfe keinen Einstieg mehr ins Berufsleben schaffen, und Unternehmen, die immer hoehere Anforderungen an ihre Mitarbeiter stellen muessen, oeffnet sich zusehends.“

Um das bis 2012 zu schaffen brachte Annette Schavan Anfang 2007 eine Bildungsoffensive gemeinsam mit Bund- und Laendern auf den Weg, so das Nachrichtenmagazin Focus-Online. Und auch die Tuerkische Gemeinde in Deutschland (TGD) startete 2007 eine Bildungskampagne, schrieb Focus. „Ziel ist es, binnen fünf Jahren die Zahl der türkischstämmigen Schüler ohne Schulabschluss zu halbieren, die Zahl der mittleren Schulabschlüsse zu verdoppeln und deutlich mehr tuerkisch-staemmige Abiturienten zu bekommen“, sagte der TGD-Bundesvorsitzende Kenan Kolat im Januar 2007. Bei auslaendischen Jugendlichen lag die Abbrecherquote im Jahr 2005 bei 17,5 Prozent, bei deutschen bei 7,2 Prozent. Kolat schlug vor Elternakademien zu gruenden, in denen tuerkische Eltern Wissen ueber das deutsche Schulsystem und ihre Mitwirkungsmoeglichkeiten erwerben sollten. „Wir wollen solche Schulen finanziell fördern, die gute Arbeit mit Migranteneltern und -kindern machen“, sagte Kolat bei Focus.

In Berlin sagte Bundeswirtschaftsminister Bruederle in der Pressekonferenz zur Vorstellung der Studie zum Aufbau eines berufs- und laenderuebergreifenden Informationsportals zur Erschliessung der Beschaeftigungspotentiale von Migranten und Migrantinnen: Im Jahr 2009 sind etwa sieben Prozent Schulabbrecher festgestellt worden. Ausserdem gebe es „ein Stueck Reserve“ bei den Migrationsschuelern, aber auch bei den Frauen mit Talent zu Ingenieurberufen.

„Die Qualifikationen, die sie in ihrem Heimatland erworben haben“, so der Wirtschaftminister, fehlen in Deutschland. Mitautor der Studie vom Institut der deutschen Wirtschaft Koeln (IFOK), Dirk Werner, sagte: Laut Mikrozensus des statistischen Bundesamtes Wiesbaden, gaebe es unter den zwei Millionen anerkannten Abschluessen „300.000 von Personen, die ihren Abschluss anerkannt haben moechten.“

Im Jahr 2009 fehlte der Nachwuchs in den MINT-Berufen (MINT = Mathematik, Ingenieurwesen, Naturwissenschaften, Technik), insgesamt habe ein Volkswirtschaftlicher Wohlstandsverlust von rund 15 Milliarden Euro stattgefunden, sagte Rainer Bruederle. Die Schluesselrolle ist, von Menschen mit Mighintergrund die Ressourcen zu nutzen, Bruederle nannte seine Initiative ausdruecklich eine „intelligente Integrationspolitik“.

Das Portal „wird erst auf Deutsch“ installiert, dann sehe man weiter, welche Sprachen hinzukommen, sagte Jochen Tscheulin nach der Pressekonferenz dem Demokratie Spiegel.

Warum kommt das Bildungsqualifikationsportal erst im Jahr 2011? Die dahinter liegenden Probleme waren und sind gigantisch und unuebersichtlich, an den Loesungen wird seit Jahren gefeilt, von verschiedenen Ressorts aus. Das ist zum Einen wegen eines foederal strukturierten Deutschlands so: die Bildungsrahmen werden in den jeweiligen Bundeslaendern geplant und gestaltet (Stichwort: Foerderalismusreform 2006). Zum Anderen ist das Bundeswirtschaftsministerium eine andere Spielwiese als das Bildungsministerium, das Arbeits- und Soziaministerium etwas anderes, als das Amt fuer Migration im Innenministerium, welches die Aufenthaltsregeln bestimmt, und dieses also widerum nicht das unterstuetzt, was die Beauftragte fuer Integration, Fluechtlinge und Migration, die am Bundeskabinett teilnimmt und verschiedene Bildungskampagnen auf den Weg brachte. (www.integrationsbeauftragte.de)

Nicht zuletzt gibt es Unterschiedlichkeiten fuer die Betroffenen beim Aufsuchen von verschiedenen Kammern in verschiedenen Bundeslaendern, verschiedene Verfahren zur Anerkennung von Berufsabschluessen, die unterscheiden sich sogar von Sachbearbeiter zu Sachbearbeiter (Quelle: phoenix.de, vom 18.10.2010).

Mit dem drei Jahre laufenden, kostenlosen Pilotportal aus dem Wirtschaftsministerium soll sich in erster Linie das Informationspotential fuer die Berufskammern des Handwerks und des Handels, wobei die Anschluesse zu den Berufsabschluessen in den kaufmaennischen Bereichen weniger nachgefragt werden, vergroessern. Das Ziel des Infoportals soll sein, Standardisierungen zu ermoeglichen. Aber auch „der Pole“, der sich vorab informieren will, soll von dem Portal profitieren, so Bruederle, oder „der Mitarbeiter“, der auf der Suche nach einem Qualifikationsvergleich ist. Zur Initiative des Internetportals sollen die Interessierten auf einen Expertenrat, eine Art Kompetenzzentrum, zugreifen koennen, bestaetigte Bruederle eine Handlungsperspektive aus der Studie.

Die Berufskammern werden in Folge eine entsprechende Bescheinigung ausstellen, die eine andere Bewertung der Berufsqualifikation vornehme und die Akzeptanz der Abschluesse voranbringe. Statt sechs Monate Bearbeitungszeit, soll die Pruefung der Aktenlage und die Beibringung noch fehlender Dokumente, auf drei Monate reduziert werden, sagte auch Annette Schavan Montag in Berlin (Quelle: phoenix.de).

Fuer Auswahlverfahren bei Zugewanderten „entscheiden wir nach Qualität“, nicht nach dieser oder jener „Herkunft“, sondern nach einem Punktesystem, so wie es in Kanada gehandhabt wird, sagte FDP-Wirtschaftsminister Rainer Bruederle. Deutschland wolle die Zuwanderung aktiv gestalten, hiess es in der Pressemitteilung vom BMWi und dem Abwanderungstrend hochqualifizierter Fachkraefte mit Mighintergrund entgegenwirken. Damit werde Deutschland dann „in Konkurrenz stehen mit den Europaeischen Laendern“, so Bruederle. Und international!? (Von Franziska Sylla, LÄ 19.10.2010, 15.12h)

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Mehr Informationen beim BMWi: http://www.bmwi.de/BMWi/ Navigation/Presse/pressemitteilungen,did=363786.html

Die Machbarkeitsstudie: http://www.bmwi.de/BMWi/Navigation/Service/publikationen,did=363316.html

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Hintergrundartikel: http://www.bundesregierung.de/nn_915730/Content/DE/Archiv16/Interview/2007/01/2007-01-02- bmin-schavan-rheinische-post-gemeinsam-mit-den-laendern.html

Schule und Bildung 2007: focus.de/schule/lernen/bildungsarmut_aid_121890.html

2008: /bildungsklick.de/a/70835/weniger-schulabbrecher-mehr-jungen-betroffen/

Bildungsgipfel in Dresden 2008: http://www.bpb.de/themen/L7YR2V,0,0,Bildungsgipfel.html


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