Kanzlerin Merkel zu Freiberuflern: Diskutieren Sie

Staat will kein Dauerunternehmer sein

Auszüge aus der Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel zum 60-jährigen Bestehen des Bundesverbandes der Freien Berufe am 4. März 2009

"Wir haben erlebt, dass Marktexzesse zu einer dramatischen Krise im Finanzsystem geführt haben - ausgehend von den Vereinigten Staaten von Amerika und sich jetzt weltweit umspannend, und zwar überall dort, wo große Finanzinstitutionen sind. Dies hat uns in eine Lage gebracht, die es wahrscheinlich in der Bundesrepublik Deutschland so noch nicht gegeben hat - jedenfalls nicht in den letzten 20 Jahren, die mir bekannt sind -, und zwar in eine Lage, in der Finanzinstitutionen auf uns zukamen und - nicht nur in Deutschland, sondern überall - vom Staat verlangt haben: Rettet uns!

Wir haben das getan. Ich sage aber auch, wir haben es nicht wegen der Banken getan, wir haben es noch weniger wegen der Banker getan. Wir haben es getan, weil wir uns bewusst sind, dass ein funktionierendes Finanzsystem die Voraussetzung dafür ist, dass Spareinlagen gesichert sind und dass Wirtschaften überhaupt möglich ist.

Ich werde oft gefragt: Wann macht ihr denn nun endlich etwas für den Mittelstand? Ich sage dann immer: Gerade die Rettung der Finanzinstitutionen ist eine ganz wichtige Maßnahme gewesen, damit der Mittelstand nicht noch mehr als jetzt schon in Mitleidenschaft gezogen wird. Dafür haben wir das getan."

Staat will kein Dauerunternehmer sein
"Sie dürfen auch ganz beruhigt sein, falls Sie beunruhigt sind, dass der Staat keinerlei Interesse - ich als Regierungschefin schon gar nicht - daran hat, irgendwie als Dauerunternehmer aufzutreten. In meinem beziehungsweise im Regierungspro-gramm der Großen Koalition waren Staatsanteile an Banken nicht vorgesehen. Deshalb werden wir froh sein, wenn wir sie wieder los sind. Wir müssen aber gewiss sein, dass wir angesichts dessen, was wir jetzt an Steuergeldern einsetzen, und der Summen, die wir täglich im Mund führen und die uns vor einem halben Jahr noch nicht leicht über die Lippen gekommen sind, immer noch daran denken, dass wir eine Lösung finden, die auch im Sinne des Steuerzahlers ist.

Wir führen Debatten, die ich für richtig halte, bei denen es zum Beispiel darum geht, was mit einer Bank wie der Hypo Real Estate geschieht. Wenn wir nun aber mit einer Kaskade von Maßnahmen, Gesprächen, Kapitalschnitten, Kapitalerhöhungen, um als Staat die Kontrollmehrheit zu bekommen, vielleicht nicht erfolgreich sind - wir werden alles vorher durchdeklinieren - und dann sagen, dass wir eventuell den Enteignungstatbestand als Ultima Ratio anwenden müssen, dann bitte ich Sie, immer im Auge zu haben, dass unter normalen Bedingungen, wenn wir nicht versprochen hätten, dass wir kein Institut insolvent gehen lassen, dieses Institut auf dem Markt überhaupt nicht mehr existieren würde. Das heißt, wir würden etwas enteignen, das unter normalen marktwirtschaftlichen Bedingungen gar nicht mehr zu enteignen wäre, bei dem man eher ein dickes Minuszeichen als ein dickes Pluszeichen hätte.

Insofern handelt es sich um eine besondere Situation. Das klarzustellen, ist mir sehr, sehr wichtig. Wenn Leute, die von der DDR nie irgendetwas mitbekommen haben, versuchen, einen Vergleich mit VEBs zu ziehen, kann ich nur sagen: Lassen Sie die Finger davon und nehmen Sie die Situation heute so, wie sie ist.

Das Finanzsystem hat eine Bedeutung für die gesamte Volkswirtschaft. (...)

Hierbei ist es natürlich notwendig, dass wir auf die Folgen der Finanzkrise reagieren und zum Beispiel zur Kenntnis nehmen, dass die Banken keineswegs heute wieder alle so arbeiten, wie sie dies vor der Krise getan haben. Überall, wo ein langfristiger, auf die Zukunft ausgerichteter überregionaler Kredit gefordert ist, haben wir im Augenblick erhebliche Schwierigkeiten".

Bürgschaften für in sich gesunde große und kleine Unternehmen

"Aus diesem Grund ist ein Teil unseres Maßnahmenpakets ein Bürgschaftsrahmen, und zwar ein Bürgschaftsrahmen, um Unternehmen zu helfen, die heute wegen der Finanzkrise in Kreditbedingungen hineingetrieben werden, die deutlich schlechter sind, als sie es früher waren. Es geht um Unternehmen, die gesund sind, das heißt, eine klare positive Fortführungsprognose haben. Das muss durch Wirtschaftsprüfer bestätigt sein, am besten auch durch Banken, die ihre Experten dort hinschicken. - Gut, ich meine, wenn es die Politik macht, ist es noch schlimmer. Verstehen Sie? Ich muss schon sagen, die Kameradschaft unter den in der Wirtschaft Tätigen hält sich in Grenzen. Die Banken schicken manchmal auch Wirtschaftsprüfer oder Anwälte hinein, auch Freiberufler, wenn ich das richtig sehe. Ich bitte Sie, jetzt ganz vorsichtig zu sein, damit Sie kein Eigentor schießen.

Ich möchte damit nur sagen, wenn sich eine Bank mit ihren Experten - es sind zum großen Teil Anwälte - die Dinge in einem Unternehmen ansieht, dann zeigt das immerhin, dass es ein Interesse daran gibt, hier Geld hineinzugeben. Daher hat unser Bürgschaftsrahmen zum Beispiel auch nur eine Absicherung von 90 Prozent und verlangt immer einen Eigenanteil, es sei denn, es handelt sich um eine von der Europäischen Union seit langem praktizierte Restrukturierungsbeihilfe, die dann mit ganz vehementen Einschnitten auch bei der Umstrukturierung verbunden ist. Wir versuchen, sozusagen Eigenanreize immer dabei zu haben, um ein Gefühl dafür zu bekommen, dass es im wirtschaftlichen Interesse ist. Ich meine, das ist in der augenblicklichen Diskussion sehr, sehr wichtig, weil manchmal das Ergebnis schon vorweggenommen wird, obwohl man erst am Anfang der Prüfung steht.

Es ist wichtig, dass wir versuchen, alles zu tun, um erstens die Banken wieder zum Laufen zu bringen und zweitens den Unternehmen eine Hilfestellung zu geben, die unverschuldet in eine Krise geraten sind, und sie mit den notwendigen Krediten auszustatten.

Die ganze Rede lesen Sie bei www.bundesregierung.de
(mmb/fs)


Kanzlerin Merkel als Karikatur von Paoli Cirelli

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