Aus dem Bundestag: Europapolitik und Irlandhilfe

Europaeische Hilfen und irische Sparplaene

Pressemitteilung des Deutschen Bundestages

Schäuble stellt europäische Hilfen und irische Sparpläne vor (Finanzausschuss)
Berlin: (hib/HLE/AH) Die Finanzhilfen für Irland sollen über die nächsten drei Jahre einen Umfang von 85 Milliarden Euro betragen. Davon seien 50 Milliarden für den staatlichen Finanzbedarf und 35 Milliarden für den Bankensektor bestimmt, sagte Finanzminister Wolfgang Schäuble am Montag Abend in einer Sondersitzung des Finanzausschusses. Irland habe zugesagt, in den kommenden 4 Jahren einen Konsolidierungsbeitrag von 15 Milliarden Euro zu leisten, was 9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts entspreche. Übertragen auf die Verhältnisse in der Bundesrepublik bedeute dies eine Konsolidierung von 225 Milliarden Euro. Es gebe nicht den geringsten realen Anlass für Spekulationen, dass der Euro-Rettungsschirm nicht ausreichen werde versicherte der Minister.

Insgesamt plane die Regierung in Dublin 10 Milliarden Euro Ausgabenkürzungen und 5 Milliarden Euro Einnahmeverbesserungen, berichtete Schäuble. So sollten im Sozialbereich 2,8 Milliarden Euro eingespart werden. Im öffentlichen Dienst sollten 25.000 Stellen eingespart und die Gehälter um 1,2 Milliarden Euro gekürzt werden. Studiengebühren sollten erhöht, das Rentenalter schrittweise bis 2028 von 65 auf 68 Jahre angehoben, und Wassergebühren sollten eingeführt werden.

Auf der Einnahmenseite sollten Mehreinnahmen durch Änderungen der Einkommensbesteuerung und der Rentenbesteuerung erzielt werden. Steuervergünstigungen würden abgebaut oder gestrichen, erklärte Schäuble. Auch der Mehrwertsteuersatz werde bis 2014 schrittweise von 21 auf 23 Prozent erhöht. Unverändert bleibe der Körperschaftsteuersatz von 12,5 Prozent (siehe auch Bericht über die Sondersitzung des Haushaltsausschusses). Im kommenden Jahr solle das Haushaltsdefizit bereits von derzeit 32 auf 9,1 Prozent gesenkt werden. Als strukturelle Maßnahmen in Irland nannte Schäuble unter anderem eine Senkung des Mindestlohns um 1 Euro auf 7,65 Euro.

Nach Angaben des Ministers soll Irland über seine Barreserven und Pensionsfonds mit 17,5 Milliarden Euro zum Unterstützungspaket selbst beitragen. Die externe Hilfe werde 67,5 Milliarden Euro betragen. Davon solle der Internationale Währungsfonds (IWF) 22,5 Milliarden Euro übernehmen. Der Rest in Höhe von 45 Milliarden Euro werde über die EU (Europäischer Finanzstabilisierungsmechanismus EFSM) und die zwischenstaatliche European Financial Stability Facility (EFSF) sowie bilaterale Darlehen aufgebracht. Während die EFSM 22,5 Milliarden Euro zur Verfügung stellen werde, würden von der EFSF ergänzend 17,7 Milliarden Euro kommen. Schäuble wies darauf hin, dass die EFSF 4,2 Milliarden Euro zusätzlich als Barmittel am Kapitalmarkt aufnehmen und halten müsse, um eine erstklassige Bonität (AAA) zu erhalten. Diese 4,2 Milliarden würden in die Gesamtkreditsumme für Irland eingerechnet und von Irland getilgt werden. Außerdem würden nicht am Euro teilnehmende Länder Kredite bereitstellen. Es handele sich um Großbritannien (3,8 Milliarden), Schweden (600 Millionen) und Dänemark (knapp 400 Millionen). Deutschland werde im Rahmen der EFSF voraussichtlich Garantien von 6,2 Milliarden Euro übernehmen, teilte Schäuble mit.

Die CDU/CSU-Fraktion bezeichnete die Hilfsmaßnahmen als wesentlichen Beitrag zur Stabilisierung des Euro. Es werde davon ausgegangen, dass Irland seine Zusagen einhalten werde. Es seien ”alle aufgerufen, die gemeinsame Währung zu verteidigen“. Die FDP-Fraktion sprach von einem ”ordentlichen Programm“, das sich sehen lassen könne.

Kritisch äußerte sich die SPD-Fraktion. Bundeskanzlerin Angela Merkel sei nicht nur tätig geworden, sondern für die Lage mitverantwortlich. In Medien sei bereits von einem ”Merkel-Crash“ die Rede. Nachdem Merkel das Stichwort ”Beteiligung der Gläubiger“ von Staatsanleihen bei Notlagen von Staaten genannt habe, sei es zu den negativen Entwicklungen auf den Finanzmärkten gekommen. Die SPD-Fraktion versicherte, auch sie sei für eine Beteiligung der Gläubiger, doch dürfe diese Beteiligung nicht zu einer Verunsicherung der Märkte führen.

Die Linksfraktion erklärte, es sei unklar, ob das Volumen des europäischen Rettungsschirms ausreichen werde. Das Grundproblem sei die Spekulation, und es sei nicht klar, ob die Eurozone gegen die Spekulation stehe. Die Linksfraktion kritisierte die geplanten Einsparungen bei den öffentlichen Haushalten Irlands als ”Voodoo-Ökononie“. Wie schon die SPD-Fraktion kritisierten auch Bündnis 90/Die Grünen, dass es nicht gelungen sei, Irland zu einer Erhöhung des Körperschaftsteuersatzes zu bewegen.

Opposition kritisiert niedrige Körperschaftsteuersätze in Irland (Haushaltsausschuss)
Berlin: (hib/HLE/AH) Dass bei den Verhandlungen über die finanzielle Unterstützung der in eine Haushaltsnotlage geratenen Republik Irland keine Senkung des Körperschaftsteuersatzes erreicht wurde, ist auf Kritik der SPD-Fraktion gestoßen. In einer Sondersitzung des Haushaltsausschusses am Montag Abend erklärte ein Sprecher der SPD-Fraktion, dass der derzeit mit 12,5 Prozent im europäischen Vergleich äußerst niedrige Körperschaftsteuersatz nicht erhöht worden sei, ”sehen wir sehr kritisch“. Mit dem niedrigen Steuersatz hatte Irland zahlreiche ausländische Unternehmen und Banken dazu veranlasst, sich auf der Insel niederzulassen. Seit Monaten habe man das Gefühl, ”Getriebener der Märkte zu sein“, kritisierte die SPD-Fraktion. Der europäische Rettungsschirm habe offenbar nicht zur Beruhigung der Märkte beigetragen. Die SPD-Fraktion bezeichnet es als ”beunruhigendes Signal“, dass eine Bundesanleihe kürzlich nicht vollständig habe platziert werden können.

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bedeutet der unverändert gebliebene Körperschaftsteuersatz eine ”schwierige Situation“. Angesichts der jetzt anlaufenden europäischen Solidaritätsmaßnahmen wäre eine Erhöhung des Körperschaftsteuersatzes ein wichtiges Zeichen gewesen. Dass der Satz jetzt unverändert bleiben solle, sei ”mindestens ein Schönheitsfehler“.

Die FDP-Fraktion widersprach dem Ruf nach einer Senkung der Körperschaftsteuer. Diese Forderung gegenüber Irland sei zu weitgehend. Sie würde im Umkehrschluss auch bedeuten, dass gegen Deutschland Forderungen erhoben werden könnten, Steuersätze zu ändern. Die FDP-Fraktion sprach sich angesichts der irischen Finanzkrise für ein ”Insolvenzrecht für Staaten“ aus.

Finanzminister Wolfgang Schäuble erklärte bei der Vorstellung des 85 Milliarden Euro umfassenden Hilfspakets für Irland (siehe auch Bericht über die Sondersitzung des Finanzausschusses), es sei nicht nur die irische Regierung gewesen, die eine Erhöhung der Körperschaftsteuer abgelehnt habe. Vielmehr habe ”eine ganze Reihe von Mitgliedsländern der EU“, darunter auch Großbritannien, es abgelehnt, von Irland höhere Steuersätze zu verlangen. Diese Länder wollten vermeiden, dass Steuerrechtsänderungen in Irland zum Einfallstor für die Aufhebung nationaler Zuständigkeiten im Steuerrecht in der ganzen EU würden. Ein Zinssatz für die an Irland zu vergebenden Kredite sei noch nicht festgelegt, sagte der Minister. Der Zinssatz müsse so hoch sein, dass es unattraktiv sei, sich der Hilfe des European Financial Stability Facility (EFSF) zu bedienen.

Zur Reaktion der Börsen auf die europäischen Rettungsmaßnahmen für Irland sagte Schäuble, die Märkte würden offenbar ”zweifeln, ob das die Lösung ist“. Der Minister sprach sich dafür aus, an Stelle des am 30. Juni 2013 endenden Rettungsschirms EFSF, über den ein Teil der Kreditvergaben an Irland erfolgen wird, eine Dauerlösung zu setzen. Diese Dauerlösung solle sehr nahe an den Regeln des heutigen EFSF sein. Schäuble verteidigte die Position der Bundesregierung, dass Gläubiger von Staatsanleihen im Krisenfall in marktschonender Weise einbezogen werden müssten. Es könne nicht sein, dass die Ertragschancen bei den Investoren blieben, während der Steuerzahler einspringen müsse, wenn die Risiken realisiert würden. Bis zum Europäischen Rat am 16. und 17. Dezember müsse ein Konsens über die Beteiligung von Gläubigern erreicht werden, forderte der Minister.

Für die CDU/CSU-Fraktion zeigt sich durch die irische Finanzkrise, dass es richtig gewesen sei, den europäischen Rettungsschirm zu spannen. Damit könne mit der irischen Problematik ganz anders umgegangen werden als noch im Fall Griechenland. Die Situation in beiden Ländern sei nicht zu vergleichen.

Die Linksfraktion wies darauf hin, dass die jetzt besonders auffälligen irischen Banken bei einem europaweiten Banken-Stresstest vor wenigen Monaten nicht aufgefallen seien. Aus Unterlagen der Bundesregierung geht hervor, dass Irland neben der Anhebung der Mindestkapitalanforderungen für Banken eine Verkleinerung des Bankensektors anstrebt. Nicht lebensfähige Banken, vor allem die Anglo Irish Bank und die Irish Nationwide Building Society (INBS) sollten abgewickelt werden. ”Es ist wahrscheinlich, dass die Halter nachrangiger Anleihen massive Abschläge (”haircut“) hinnehmen müssen“, heißt es in der Unterrichtung.

Im Bundestag notiert: Ausübung parlamentarischer Kontrollrechte im Bereich Finanzmarkt (Finanzen/Kleine Anfrage)
Berlin: (hib/HLE/AH) Unzufrieden mit den bisherigen Antworten der Bundesregierung zum Finanzmarkt zeigt sich die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Daher will die Fraktion mit einer Kleinen Anfrage (17/3740) Detailauskünfte über die Arbeit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin) und der Bundesbank erhalten. Die Bundesregierung habe die Bedeutung der Ausübung parlamentarischer Kontrollrechte im Bereich Finanzmarkt verkannt und erhalte daher jetzt die Gelegenheit zu einer Korrektur ihrer bisherigen Auffassung zur Antwortpflicht, schreibt die Fraktion in einem Vorwort zur Kleinen Anfrage.
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Mehr Infos beim Bundesfinanzministerium: http://www.bundesfinanzministerium.de/nn_54/DE/Wirtschaft__ und__Verwaltung/Europa/29112010-Irland.html?__nnn=true


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