Ausbau A 100 unausgereift: Gesundheit gefährdet

Neubau der Bundesautobahn A100

Von Reiner Schicks, Beusselstraße 42, 10553 Berlin, reinerumweltschutz@web.de

An die
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Referat GR B
Württembergische Str. 6
10707 Berlin
Telefax 9012 – 3712 (22.April 09-21.14 Uhr) Berlin, 22. April 2009

Meine Einwendungen zum Planfeststellungsverfahren (PlfstV) für den Neubau der Bundesautobahn A100 zwischen AD Neukölln und AS Am Treptower Park in den Bezirken Neukölln und Treptow-Köpenick von Berlin

Sehr geehrte Damen und Herren!

Hiermit erhebe ich Widerspruch und substanziell begründete Einwendungen gegen den Plan zum Weiterbau der Bundesautobahn A 100 - ab dem Autobahn- dreieck Neukölln bis zum Treptower Park.
Ich lebe an einer der gesundheitsschädlichsten Straßen in Berlin, mit unmittel-
barer Autobahnzufahrt im Norden. Hier staut sich täglich der ÖPNV und viele
LKW benutzen Tag und Nacht die Zufahrt zur Autobahn. Jede/r Berliner/in
ist insofern mittelbar und unmittelbar Direktbetroffener der weit reichenden
Ausbaupläne für noch mehr Autobahnen in Berlin. Weiterhin vertrete ich auch
Anwohnerinnen aus der Karl-Kunger-Str. 7.

Schon mit Beginn der Baumaßnahmen und den dadurch verursachten Lärm ist alleine für sich mit erheblichen Gesundheitsbeeinträchtigungen in der Baustel-
le und den angrenzenden Kiez zu rechnen.
Bei späterer Inbetriebnahme der Autobahn wird es nicht nur zu einer Über- schreitung von gesundheitsgefährdenden Lärmwerten an den in den Antrags- unterlagen prognostizierten Stellen kommen, sondern auch zu Gesundheits- beeinträchtigungen durch überhöhte Feinstaubwerte und Überschreitung der maßgeblichen Grenzwerte. Dazu kommen zahlreiche Schadstoffe, wie Queck-
silber, Kohlendioxid, Schwefel und Gummiabrieb der Fahrzeugbereifung.

Das Land Berlin hat zudem schon am 28. November 1996 dem Gesunde-Städ- te-Netzwerk der Bundesrepublik Deutschland zugestimmt (Drs. 13/676). In der
Präambel zum Beschluß des Vertrages in Anlehnung an die WHO, wird dabei eine gesunde Stadt u.a. wie folgt bewertet:

- Saubere und sicherer physische Lebensbedingungen von hoher Qualität;

- Eine ökologisch gut ausgewogene Umwelt inmitten eines globalen Ökosystems
das sich auf lange sicht selbst erhalten kann.

- Ein hohes Maß an öffentlicher Teilhabe und KONTROLLE über entschei-
dungen, welche die Gesundheit der Bürger beeinflussen.

Weitere Punkte beziehen sich auf die Arbeitsgestaltung und Gesundheitsvor-
sorge in der „gesunden Stadt“ nach diesen WHO-Kriterien.

Stattdessen hat Berlin als Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland, seit der Wiedervereinigung inzwischen über 45 Ha = 45.000.000 Qm an Rudealflächen
und sogenannten Brachflächen beseitigt.

Hauptgebiete hierbei waren u.a.:
Die Ministergärten, Der Spreebogen, Alle Freiflächen an der Tiergartenstraße und Köbisstraße, Der gesamte Moabiter Werder, Sämtliche Freiflächen am ehemaligen Lehrter Stadtbahnhof und der Invalidenstraße (siehe hierzu das
Luftbild vom gesamten unbebauten Spreebogen im Heft – Planung der Ver-kehrsanlagen im zentralen Bereich, Information Nr. 1).

Sämtliche Rudealflächen an der Friedrichstraße und Wilhelmstr., Sämtliche Brach- und Freiflächen an und um den Potsdamer Platz und dem Leipziger Platz. Sämtliche Grünzüge um den Pariser Platz, Alle Vegetationsflächen der ehemaligen „Grün GmbH. Alle Grünanlagen und die Mittelinsel an der Bachstr. Dazu kommen noch etliche Flächen in anderen Stadtteilen, wie etwa am Gleis- dreieck, oder in Marienfelde, Köpenick, oder auch in Hoppegarten, wo zuletzt ca. 540 alte Eichen entfernt wurden.

Nur alleine in der Innenstadt, um den Großen Tiergarten wurden seit 1993 über 6.800 wertvolle Altgehölze entfernt die mehr als 80 cm Umfang in 1.30 Meter
Höhe vorweisen. Insgesamt wurden sogar über 28.000 Pflanzen und Gehölze in der Innenstadt vernichtet. Kompensiert wurden (wenn überhaupt) diese Pflan-
zenverluste in bestehenden Grünanlagen durch Zusatzbepflanzungen. Über-
wiegend wird das Holz geschreddert und verbrannt oder als Unterbodenablage benutzt.

Weiterhin entstanden gewaltige Betonbauten und es fanden massive Eingriffe
im Grundwasser (Warschauer Urstromtal) statt. Es wurden weit über 32 Ha.
Fläche versiegelt bzw. Die Grundwasserzufluss der Oberfläche unterbunden.
Bereits am 02. April 1995 wurde für Berlin ein Gutachten erstellt, wonach die
damals schon geplanten Regierungsbauten, das Berliner Stadtklima entschei-dend nachteilig verändern werden. Klima- und Luftaustausch werden sich demnach entscheidend verändern und die durchschnittliche Temperatur in der Innenstadt ansteigen.

Auftraggeber des vormaligen Gutachtens war die Stadtentwicklungsgesellschaft des Landes Berlin DSK. (siehe Tagesspiegel vom April 1995 – Massive Probleme für das Stadtklima der Berliner Innenstadt -
Mit dem jetzt geplanten Erweiterungsbau der A 100- Anschlußstelle am Dreieck Neukölln, ist auch geplant, über 240 Wohnungen abzureißen und die sehr auf-
wendig restaurierten Gründerzeithäuser mit günstigem, familienfreundlichem Wohnbestand zu »überbauen« . Weiterhin sollen über 300 Kleingärten beseitigt werden. Für den geplanten 386 Meter langen Tunnel in Neukölln müssen Ge-werbegebiete aufgegeben werden und für die 2.3 Km lange Trogfahrbahn neben der S-Bahnstrecke müssen weitere Gewerbegebiete und Stadtbewirtschaftungs-
räume vernichtet werden. Etliche Kleingrünflächen werden zerstört und durch die Trogbauweise wird erneut und massiv das Grundwasser verunreinigt bzw. mit Gele angereichert.

Insgesamt sind mindestens 322 geschützte und wertvolle Bäume verloren und
weitere 3.300 Kleingehölze werden dann gerodet ( u. a. Platanen am Garten- denkmal Treptower Park ) Damit werden auch entgegen den Empfehlungen der Enquete - Kommission des Deutschen Bundestages weitere ca. 14 ha Boden durch Betonsohlen zusätzlich versiegelt!
Die künftige Lärm- und Abgasbelastung in der Umgebung der geplanten Auto- bahn A 100, sowie der Zufahrtsstraßen werden nachweislich und drastisch ansteigen, besonders in Ergänzung zum gleichbedeutenden Ausbau der A 113.

Wissenschaftlich erwiesen und völlig unbestritten ist inzwischen die Tatsache,
dass der Individualverkehr in der Stadt mehr und mehr zunimmt, durch den stetigen Ausbau und Neubau von Straßen. Also immer mehr Autos & LKWs fahren in der Berliner Innenstadt, während umweltgerechtere Transportmittel und Verkehrsarten (Fuß, Rad, Inliner, ÖPNV (Straßenbahn-Tram), Bahnnetz)
erheblich „ausgebremst“ werden. (Vergleiche hierzu: Finanzmittel der einzelnen
Verkehrsmittelförderung in Berlin).

Besonders auf den zu- und abführenden Straßen, zu den Autobahnanschlüssen hin, wird es zu einer erheblichen Zunahme des Autoverkehrs kommen. Die El-
senstr. wird unmöglich den weiteren Verkehrzuwachs in den Spitzenzeiten auf-
nehmen können. Weiterer Schleichverkehr (Zubringer) erfolgt über die umlie-genden Wohnstraßen wie: Aronstr., Kiefholtzstr., Schlesische Str., Bouché- oder auch Karl-Kunger-Str. !

Die von der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung behauptete Ent-lastungen für die Wohngebiete um die künftige Autobahn und in der Berliner Innenstadt werden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht ein-treffen, da die Senatsverwaltung nie alle gleichzeitig geplanten Baumaßnahmen berücksichtigt, sondern nur die solitären Planungen.

Mit dem Maßnahmen an der A 113, des Berliner Innenstadtring, an der Invali- denstr. und weiteren Ausbau von Großprojekten wird die Stadt im Jahr 2009 weitere 1.100.000 qm an Naturflächen verlieren und für das Jahr 2010 plant die Senatsverwaltung sogar eine Komplettbebauung von 2.4 Millionen qm ein.
Bei allen Baumaßnahmen für Autobahnen und Trassen muss zudem Erwäh-nung finden, dass die gesamte Innenstadt weiträumig geteilt wird. Zum Beispiel
muss auch berücksichtigt werden, dass die Erreichbarkeit des Naherholungs-gebietes Treptower Park (mit Mahnmal, Sternwarte, Insel der Jugend, Spree und Fähranleger sowie dem S-Bahnhof für alle Verkehrsteilnehmer deutlich schwieriger wird. Hier wird die Stadt nicht entwickelt, wie es Aufgabe des Se-nats ist, sondern zerstört und zerschnitten. Der Linienbusverkehr des landes- eigenen Betriebes BVG wird in der Elsenstr. im Stau der von der Autobahn abfahrenden Kfz stecken bleiben. Damit schadet sich das Land Berlin selbst,
indem es hier ganz konkret, durch den weiteren Ausbau des Autobahnnetzes
in Berlin, Planungsgeld dafür verbraucht, dass dem Landeseigenbetrieb die
Geschäftsgrundlagen eingeschränkt bzw. erschwert werden.
Die alleine für diesen Teilabschnitt der Autobahnverlängerung veranschlagten
443 Mio. EUR Steuergelder (Landes- und Bundesmittel), braucht Berlin für
die Bildung, der ökologischen Stadtentwicklung und der Verbesserung der al-ternativen Mobilität. Zwar wurde das Radwegenetz inzwischen ausgebaut und verbessert, aber der Regionalverkehr ist immer noch mangelhaft entwickelt und zum Beispiel Carsharing mit Elektrofahrzeugen in der Innenstadt ist für Berlin auf viele Jahre nicht in Sicht.

Zudem ist jetzt schon davon auszugehen, dass die veranschlagten 443 Mio. Steuermittelgelder nicht ausreichen werden. Traditionell waren Berliner Bau-
werke noch nie billiger als vorab veranschlagt wurde !

Ich fordere Sie auf, meine Einwendung in ihrer Komplexität und in jedem Ein-zelpunkt ausführlich zu prüfen und unter Beauftragung von unabhängigen
wissenschaftlichen Prüfern und Gutachtern zu bewerten und zu beantworten.

Des weiteren beantrage ich hiermit zum Lebensschutz künftiger Generationen
in Berlin und deren gesundheitlicher Unversehrtheit, dass alle leitenden Ent-scheidungsträger ( Hier Frau Senatorin Ingeborg Junge Reyer) in den Senats-einrichtungen und Referaten, n a m e n t l i c h erfasst und in Bau-Auslegebü- chern eingetragen werden – als unmittelbar verantwortliche Entscheidungträ-
ger in der Stadt.

Künftigen Nachfolgegenerationen wird es dadurch möglich sein auf die früheren Entscheidungsträger zurückgreifen, falls deren „positive Umweltexpertisen“ dann etwa widerlegt wurden und erhebliche Gesundheitsbelastungen eingetre-ten sind.

Jeder sollte schließlich in öffentlicher Führung und Leitung entsprechende Verantwortung für sein Handeln auch gegenüber künftigen Generationen übernehmen.

Mit freundlichen Grüßen

Reiner Schicks
-Ökologischer Bürgerservice Berlin


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