1 Mai 2010 in Berlin

1. Mai 2010 - In Kreuzberg nichts Neues


Das nördliche Kreuzberg um den Heinrichplatz und der
Oranienstraße ist inzwischen eher Kultur- und Modemeile
mit entsprechend angehobener Gastronomie. Hier tummelten
sich Samstag tausende Anwohner, Touristen und Partyfreaks.
Sie haben schon seit Jahren keinen Bock mehr auf Qualm,
CS-Gas mit brennenden Barrikaden.

So hat sich der Protest, wenn man es so nennen will, bzw. die
„Revolutionäre 1. Maidemo“ der Linksautonomen Gruppen
dieses Jahr in den südlichen Stadtteil verlagert. Dorthin soll
auch das neue Drogentherapiecenter vom „Kotti“ verlagert
werden und noch südlicher hinter dem „Görli“ wird die
Verlängerung der A 100 immer bedrohlicher. Mediaspree
ist weiterhin ein Reizthema, da etliche Kulturstätten und
Naturressourcen wegfallen, wenn das gesamte Gebiet an
beiden Spreeufern ausgebaut wird. Die Bar 25 rechnet
endgültig mit ihrer Schließung im nächsten Jahr !

Aber eine Revolution setzt zumindest breiten Rückhalt der
Anwohnermassen in diesem Stadtteil voraus. Schon die 68er
sprachen dazu „vom Fisch im fließenden Wasser“; erreichte
diesen Rückhalt in der vitalen Bevölkerung allerdings auch
nur zu den Anfängen der Hippiebewegung.

Also feierte sich am 1. Mai 2010 die „Revolutionäre Bewegung“
mit immerhin 10.000 TeilnehmerInnen bei der Demo selbst. Das
„Wasser dieser Fische“ kam aber nicht aus der Anwohnerschaft,
durch Rückhalt, sondern aus den Rohren der Wasserwerfer am
Lausitzer Platz. Auch der Barrikadenbau blieb ziemlich aus, da
die Anwohner sämtlichen Sperrmüll in den Kellern ließen und
nur einige Mülltonnen, dann ein Opfer der Flammen wurden.


Demonstranten auf dem Dach Schönhauser Allee Ecke Wichertstr. 1. Mai 2010 (Foto: Reiner Schicks)

Zudem war die heikelste Frage in der Reichenberger Straße, ob
in Kreuzberg mehr autonom-ähnlich gekleidete „Bullen“ an der
Demo teilnahmen, statt der eigentlichen Autonomen. Längst hat
sich inzwischen die Polizei die Strategie dieser Gruppen zu Eigen
gemacht. Sie sind vermummt im Einsatz als Kleingruppen. Sie sind
schnell unterwegs und greifen konsequent zu. Sie stehen nicht mehr
einfach in „Reih`und Glied“ an der Kreuzung, sondern sind mitten
mang im Geschehen.

Ebenso groß wie die Demo und das Polizeiaufgebot war außerdem
das „Publikum an den Straßenrändern“…und deren Elite, die sich
rechtzeitig Logenplätze in den Häusern an der Demoroute besorgt
hatten. Mit bester Sicht ausgestattet, wurde dann ab 19 Uhr, bei
Einbruch der Dämmerung, endlich der „geilen Action“ entgegen
gefiebert.

Doch die Enttäuschung war dieses Jahr groß. So brannten doch
nur ein paar Gummitonnen, Bretter und Zaunteile am Lausitzer
Platz und einige Müllreste östlich am Spreewaldplatz.

Die Polizei zeigte zuletzt der gesamten Demo an der Skalitzer Str.
die rote Karte. Alle Querstraßen zum Mayfest in der Oranienstr.
wurden vollkommen abgeriegelt. Ein Durchbruchversuch war
schon nach 5 Minuten vereitelt, denn die Partyfreaks wollten
mit Köfte, Döner und Pappbechern voll Bier und Wein lieber
feiern und keine Steine oder Flaschen werfen. So blieb die 23.
1.Mai-Demonstration in Kreuzberg, diesmal am Rande der
Peripherie stecken. Vielleicht sollten sich die Autonomen
Gruppen einfach einmal fragen, ob die vielen „Latschdemos“
überhaupt noch zeitgemäß sind und warum Attac oder Green
peace längst andere Agitationsmittel anwenden.

Nur 6 Stunden vorher an der Bornholmer Str. und in Prenzl
Berg war exerziert worden, wie eine breite Anwohnerschaft
auf Straßen und Dächern, von Jung bis Alt, mit Kind und
Kegel, mit Köpfchen und Power, der Aufmarsch von einigen
Neonazis in Berlin verhindert werden kann. So klappt es eben
auch mit dem Nachbarn !

RpresseR
3. Mai 2010


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