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Eskapaden und Aktivitäten des BND 2008


Helmut Lorscheid (» heise Verlag/Telepolis)

30.12.2008. Auch in diesem Jahr sorgte der deutsche Geheimdienst für Skandale und Untersuchungsausschüsse. Eines hat der BND auch 2008 nicht geschafft: Den Nachweis dafür zu erbringen, dass er in irgendeiner Weise dem demokratischen Rechtsstaat dient oder ihn gar schützt. Im Gegenteil: Der BND schadet der Demokratie und schädigt auch ganz praktisch Menschen, von denen er sich gestört fühlt oder die sich seinem Wunsch auf Zusammenarbeit widersetzen. Egal ob im In- und Ausland. BND-Beamte, an Tarnidentitäten und das Leben unter falschem Namen gewohnt, setzen ihr „Handwerkszeug“ nicht selten auch zur Lösung privater Alltagskonflikte ein.

Schon fast zum Standard der BND-Tätigkeit gehört es, die Treue des Ehepartners mit geheimdienstlichen Mitteln zu überwachen. Aber besonders gerne beharken sich BND-Beamte untereinander. Die so geheimnisumwobene „Parlamentarische Kontrollkommission“ (PGK) des Deutschen Bundestages befasst sich in ihren geheimen Sitzungen fast so lange mit dienstinternen Personalquerelen und Beschwerden über Vorgesetzte wie mit der Kontrolle der eigentlichen Geheimdienstarbeit. Verständlich ist der „Beschwerdedruck“, schließlich bleibt die Arbeit in einer kranken Organisation nicht ohne Auswirkungen auf die Psyche der dort Tätigen.

Stoff für Untersuchungsausschüsse
Fast jährlich liefert der BND genügend Anlässe zur Einrichtung eines oder mehrerer Parlamentarischer Untersuchungsausschüsse. In der laufenden 16. Wahlperiode befasst sich so ein [extern] Untersuchungsausschuss mit mehreren BND-Skandalen gleichzeitig: Mit der Tätigkeit zweier BND-Agenten in Irak während des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges der US-Regierung; der Weiterleitung kriegswichtiger Erkenntnisse an die US-Armee; dem Treiben des BND im Zusammenhang mit der Entführung deutscher Staatsbürger durch die CIA und schließlich mit der Bespitzelung BND-kritischer Journalisten.

Besonders intensiv kümmerte sich der Auslandsgeheimdienst mit dem im bayerischen Weinheim tätigen Publizisten Erich Schmidt-Eenboom. Der Autor zahlreicher Bücher über den BND wurde monatelang, rund um die Uhr beschattet, seine Gespräche wurden abgehört und alle Besucher und Kontaktpersonen observiert. Schmidt-Eenboom befasst sich kritisch mit dem BND und hat auch immer wieder über journalistische Kooperationspartner des Dienstes berichtet. Auf seine Ausführungen vor dem Bundestagsuntersuchungsausschuss darf man gespannt sein ([local] Am Nasenring des BND?).

Im Frühjahr 2008 sorgte der BND erneut für Schlagzeilen. Dieses Mal war die Spiegel-Journalistin Susanne Koebl [extern] ins Visier der Pullacher geraten, weil sie mit dem afghanischen Handels- und Industrieministers Amin Farhang im Emailkontakt stand. Der FDP-Abgeordnete Max Stadler, als Mitglied der früheren PKK und heutigen PKG sowie mittlerweile im zweiten Parlamentarischen BND-Untersuchungsausschuss durchaus erfahren im kontrollierenden Umgang mit dem BND, warnte angesichts dieses Falls: „Die Affäre um die Bespitzelung der Spiegel-Redakteurin zeigt, dass der BND sich zu einem Staat im Staate zu entwickeln droht.“

Stadler [extern] erinnerte daran, dass wenige Wochen vor der Überwachung der Emails der Spiegel-Frau der sogenannte [extern] Schäfer Report vorgelegt worden war, der sich mit der Überwachung von Journalisten und der Kooperation zwischen BND und Journalisten befasste. Damals hatte das Bundeskanzleramt noch mal klar gestellt, dass der BND künftig die Journalisten in Ruhe lassen soll. Der Fall Koebl zeigte, dass den BND-Mannen solche Weisungen schlicht egal sind. Sie bespitzelten weiterhin Journalisten, wie spätestens an diesem Beispiel deutlich wurde.

Im Zuge der parlamentarischen Aufarbeitung dieses Falles sprach die PKG dem BND und dessen Präsidenten sogar das Misstrauen aus. Aber auch das ist den Dienstmännern im fernen Pullach ziemlich egal. Kann es auch, denn wenn es ganz dicke kommt, wird allerhöchstens der Präsident ausgewechselt. Wie beispielsweise Präsident Konrad Porzner nach dem [extern] Münchener „Plutoniumskandal“. Einer jener Beamten, die für die Bespitzelung der Spiegeljournalistin verantwortlich waren, Werner Ober, wurde danach [extern] zum Vizepräsidenten befördert. Werner Ober ist übrigens als Vizepräsident zuständig für Zentrale Aufgaben und „Modernisierung“.

Fragwürdiger Datenkauf in Liechtenstein
Diskutiert wurde im Frühjahr 2008 auch über die Beschaffung von Bankdaten aus Liechtenstein über Hunderte von Steuerhinterziehern aus allen möglichen Ländern. Der BND soll einen Großteil dieser Daten von verschiedenen Anbieter erworben haben ([local] Bestrafe einen und warne hundert). Einer von ihnen, Heinrich Kieber verfügte über Daten bis zum Jahr 2002, die er zuvor bereits allen möglichen Stellen angeboten hatte ([local] Wer hat Interesse an der Aufdeckung des BND-Informanten?). Der BND hatteaber über Liechtensteiner und Schweizer Bankdaten bis einschließlich 2005. Woher die neueren Informationen stammten, vermochte das Kontrollgremium des Bundestages für die Nachrichtendienste (PKG) auch nach dem Studium „geheimer BND-Akten“ nicht zu klären.

Der Schweizer “SonntagsBlick" berichtete, BND-Mitarbeiter hätten einen pädophilen Banker erpresst, um an weitere Liechtensteiner Kontenunterlagen zu gelangen. Dieser Quelle zufolge – deren Seriosität in etwa der des BND entsprechen dürfte – wurde der Banker "mit Hilfe von Profis aus dem einschlägigen Milieu (...) in eine Falle gelockt"., Demnach soll der BND in einem Hotelzimmer, das mit versteckten Kameras ausgerüstet war, dem pädophilen Banker eine Falle gestellt haben. Als man diesem die Aufzeichnungen zeigte, sei er bereit gewesen, weitere Daten von deutschen Steuersündern zu liefern.

Natürlich erfuhren die Kontrolleure auch für die Liechtenstein-Connection wieder einmal zuerst aus der Zeitung, obwohl das Bundeskanzleramt und der BND eigentlich verpflichtet sind, die PKG bei wichtigen Ereignissen sofort zu informieren. Reflexartig forderten die PKG-Mitglieder auch im März 2008 mal wieder eine "strengere Kontrolle des BND“. Diese stets folgenlose Forderung wurde und wird stets bei jedem neuen BND-Skandal aufgestellt. Und davon gab es im Laufe des Jahres 2008 noch mehrere. Gerne gefordert wird auch eine „Reform der Geheimdienstkontrolle“. Klingt gut, blieb aber bisher ebenfalls folgenlos.

Polizei und Bundeswehr in Libyen – ohne Kenntnis des BND?
Ebenfalls im Frühjahr 2008 wurde bekannt, dass deutsche Polizisten und Militärs sich in Libyen als Ausbilder für die dortige Polizei ein Zubrot verdienten. Der BND behauptete zunächst, er wisse davon nichts. Selbst hartgesottene BND-Freunde, wie der CSU-Bundesagsabgeordnete Hans Peter Uhl, hatten an dieser Version so ihre [extern] Zweifel.

Natürlich wusste der BND Bescheid, bereits zu Beginn der Ausbildungsaktion im November 2005 „begegnete“ ein BND-Resident in Tripolis dem Geschäftsführer der Ausbildungsfirma. Man trifft sich eben und spricht miteinander. Da dem BND keine direkte Beteiligung an der Ausbildung für Gaddafis Truppen nachgewiesen werden konnte, wurde der vermeintliche Skandal medial von den zuständigen Politikern wieder abgesagt. Obwohl es schon komisch ist, hatte doch der BND bereits in den 70ziger Jahren eine solche Schulungsmaßnahme für libysche Elitetruppen veranstaltet ([local] Der BND in Libyen).

Wäre der Untersuchungsausschuss mit diesem Pensum nicht schon genügend ausgelastet, könnte sein Auftrag nun noch um die Themengebiete „Überwachung der Deutschen Welthungerhilfe in Afghanistan und „Hintergründe der Verhaftung dreier BND-Agenten im Kosovo“ ([local] Der Kosovo-Cocktail) erweitert werden. Auch die Frage, wieso der BND nicht einmal seine eigenen IP-Adressen vor fremden Zugriff schützen kann, wäre spannend und sicherlich untersuchungswürdig. Die IP-Adressen zahlreicher inländischer BND-Dienststellen wurden von einem Telekom-Mitarbeiter aufgelistet - und [extern] diese Liste gelangte in die Öffentlichkeit.

„Hilfe zur Selbsthilfe“ – für den BND?
„Empört“ zeigt sich die Welthungerhilfe in Bonn von der jahrelangen Überwachung ihrer Kommunikation in Afghanistan durch den BND. Der Auslandsnachrichtendienst hatte die Hilfsorganisation schriftlich darüber informiert, dass er von Oktober 2005 bis April 2008 mehr als 2000 "Telekommunikationsverkehre" erfasst und ausgewertet hat. Ziel der Lausch- und Spähaktion war angeblich nur ein Teilbereich, nämlich das von der Welthungerhilfe geleitete Projekt "Afghan NGO Safety Office" (ANSO) in Afghanistan.

Für die Welthungerhilfe besteht der Skandal vor allem in der Gefährdung der Neutralität aller in Afghanistan tätigen Nichtregierungsorganisationen. Seit 1980 ist die Welthungerhilfe ohne Unterbrechung in Afghanistan aktiv und in ihrer Arbeit bemüht, allzu engen Kontakt zum Militär, auch zur Bundeswehr, zu vermeiden. Aus diesem Grund verlegte sie bereits vor rund zwei Jahren ihr Hauptbüro in Afghanistan weg vom Bundeswehr-Standort Kundus in die Nachbarprovinz. Gegenüber Telepolis bezeichnete ein Sprecher des Verteidigungsministeriums das Verhältnis zur Welthungerhilfe als „sachlich“ – was in diesem Zusammenhang als das Gegenteil von „herzlich“ verstanden werden darf.

Generalsekretär Hans Joachim Preuß betont immer wieder, dass Unabhängigkeit oberstes Prinzip und eine wesentliche Sicherheitsvoraussetzung für die Arbeit der Welthungerhilfe in Afghanistan sei. "Wir distanzieren uns von jeglicher Form zivil-militärischer Zusammenarbeit,“ so Preuß. In einem [extern] Schreiben forderte er Bundeskanzlerin Merkel dazu auf, den Vorfall zu untersuchen und sicherzustellen, dass künftig Entwicklungshelfer nicht mehr abgehört werden. In dem Schreiben heißt es: "Dass deutsche Verfassungsorgane eine unabhängige deutsche Entwicklungsorganisation observieren, befremdet und irritiert uns. Wir gehen davon aus, dass sich die für diese Maßnahme politisch Verantwortlichen entschuldigen. Und wir erwarten, dass Sie erklären, dass solche Abhöraktionen gegen Projekte und Mitarbeiter humanitärer Organisationen, die in einem gefährlichen Umfeld arbeiten, zukünftig unterbleiben."

Aus dem Kanzleramt lag bis zum Redaktionsschluss dieses Textes noch keine Antwort vor. Die Vorsitzende der Welthungerhilfe war zum Zeitpunkt der Überwachung übrigens [extern] Ingeborg Schäuble, die Ehefrau eines gewissen Wolfgang Schäuble, der den Einsatz der Schlapphüte in Afghanistan auch noch [extern] verteidigte.

Schäuble erklärte, obwohl er für den BND überhaupt nicht zuständig ist: „Ich vermute nicht, dass der Bundesnachrichtendienst Entwicklungshelfer bespitzeln wollte." Die Welthungerhilfe hat mittlerweile einen Rechtsanwalt eingeschaltet. Dies sei man den ebenfalls abgehörten Partnerorganisationen in Afghanistan schuldig, erklärte Generalsekretär Hans Joachim Preuß gegenüber Telepolis.

Im Bundestag traf das Bekanntwerden dieses erneuten BND-Skandals auf bereits routiniertes Entsetzen, besonders natürlich bei der Opposition. Wolfgang Neskovic, MdB (Die Linke) und Mitglied der PKG, sah sich an die Überwachung der Spiegel-Journalistin Susanne Koebl ([local] Der BND ist ein Geheimdienst ...) [extern] erinnert:

„Wie schon beim verfassungswidrigen Auslesen der E-Mails der Spiegel Journalistin Koebl scheint der BND das Ausland für einen grundrechtsfreien Raum zu halten. Dabei ignoriert er, dass auch der BND als Teil der vollziehenden Gewalt nach Art.1 Abs.3 des Grundgesetzes an die Grundrechte als unmittelbar geltendes Recht gebunden ist. Damit hat er nicht nur die Grundrechte deutscher Staatsbürger im Ausland, sondern auch die im Grundgesetz benannten Menschenrechte ausländischer Staatsbürger zu beachten, soweit ein Inlandsbezug gegeben ist. Deswegen reicht es zukünftig nicht aus, im Nachhinein geschehene Grundrechtsverletzungen einzugestehen, vielmehr ist es notwendig, sie erst gar nicht zu begehen." Die Überwachung von Entwicklungshelfern durch den Bundesnachrichtendienst zeigt Neskovic zufolge, „dass der BND bei seiner Tätigkeit offensichtlich außer Rand und Band geraten ist.
Wolfgang Neskovic


Spannend zu erfahren wäre auch, welcher harmlosen und möglicherweise nichts ahnenden Hilfsorganisationen sich der BND im In – und Ausland sonst noch bedient? Schließlich [extern] schreibt der Korrespondent der NZZ, Eric Gujer, in einem Buch: „In Afghanistan arbeiteten BND-Mitarbeiter dabei auch unter der Tarnung von Nichtregierungsorganisationen, den NGOs."

Mittelstandsförderung à la BND
Wer nun hofft, der BND treibe sein (Un)wesen nur im Ausland, wird enttäuscht. Wie schon erwähnt, leiden auch in heimatlichen Gefilden immer wieder Menschen unter seinen Intrigen und seinem ebenso geheimen wie illegalen Treiben. Zwei Beispiele aus dem Bereich der mittelständischen Wirtschaft:

Vor einigen Jahren wurden durch eine [extern] Veröffentlichung der c’t bekannt, dass der BND sich auf illegale Weise Spracherkennungssoftware bei einer kleinen, aber feinen Münchener Softwarefirma „beschafft“ hatte. „Beschaffer“ war der BND-Beamte Christoph Klonowski, unter seinem Decknamen Stephan Bodenkamp damals tätig beim „Amt für Auslandsfragen“, einer Tarnbehörde des BND im Süden Münchens.

Klonowski/Bodenkamp interessierte sich für die Entwicklungen der mittelständischen Softwarefirma Polygenesys auf dem Gebiet der Spracherkennung. Trickreich, aber außerhalb der Legalität beschaffte er sich, was er haben wollte. Eine „Beschaffung“ mit juristischen Folgen: Am 20. Dezember 2000 wurde ein Strafbefehl wegen Urkundenfälschung und versuchten Betrugs gegen eine Person namens Christoph Klonowski rechtskräftig. Im damaligen Urteil kann man nachlesen, dass "Klonowski" der Klarname des BND-Mitarbeiters Bodenkamp ist. Das Gericht verurteilt ihn zu einer Geldstrafe von 13 500 Mark wegen Fälschung des Konsortialvertrags mit einem Anbieter im Spracherkennungs-Projekt. Auf Grund des gefälschten Vertrags wäre Polygenesys daran gehindert worden, Lizenzen für ihre Produkte zu erhalten und die Projektergebnisse künftig kommerziell zu verwerten.

Trotz des rechtskräftigen Strafbefehls gegen ihren Beamten stand und steht der BND bis heute hinter seinem Beamten, der weiter steil Karriere machte. Die betrogene Softwarefirma hatte das Nachsehen. Ihre Inhaberin Annette Brückner wurde in den folgenden Jahren immer wieder vom BND schikaniert, verleumdet und in der Entwicklung ihrer Firma behindert. Auf einen Schadensersatz oder gar eine amtliche Entschuldigung des BND bzw. der Bundesregierung warten die Brückners bis heute.

Ein weiteres Beispiel für die Mittelstandsförderung a la BND
Seine ganz eigenen Erfahrungen machte auch in jüngerer Zeit auch Klaus-Erich Kremer. Eines Tages bekam sein mittelständische Unternehmen Besuch vom BND. Ob er nicht für sie arbeiten wolle, fragten die Agenten. Kremer lehnte ab - und seine Firma geriet in die Mühlen der Behörden und kämpft ums Überleben seiner Firma.

Ähnlich wie bei Annette Brückner in München geht es auch bei Kremer in Bremerhaven um hochspezialisiertes Wissen. In diesem Fall sind Ortungstechnik gegen Taucher, Schiffe und Minen eine Spezialität von Kremers Firma Applied Radar & Sonar Technologies, die einst in Bremerhaven Hightech für die Unterwasserortung produzierte. Bestimmt eine Technologie, an der auch die Mannen aus Pullach ihren Spaß haben könnten. Der BND schickte zwei Beamte, um den Unternehmer für den Dienst anzuwerben. Es sollte sich auch finanziell für ihn lohnen, erklärten die Boten aus dem fernen Pullach.

Der hanseatische Kaufmann lehnte ab, er mochte keine Hilfsdienste für die Schlapphütte leisten. Eine Ablehnung mit Folgen. Nach den Geheimen kamen andere Beamte in die Firma. Erst schaute das Gewerbeamt zu einer Betriebsprüfung vorbei, wenige Wochen später auch mal die Zollfahndung. Da Kremer nicht alle verlangten Papiere sofort vorlegen konnte, witterten die Zöllner Unbill. Im September beantragten sie beim Amtsgericht Bremen einen Durchsuchungsbeschluss, der am 4. Oktober vollstreckt wurde. Das war ausgerechnet der Tag, an dem Kremer drei Repräsentanten eines pakistanischen Geschäftspartners im Haus hatte. Es ging um einen Auftrag im Wert von mehreren Millionen Euro. Während ein Teil der Zöllner Akten beschlagnahmte, führten andere die pakistanischen Gesprächspartner zur Vernehmung ab, was sich verständlicherweise negativ auf das Klima der Geschäftsverhandlungen auswirken sollte. Der Millionenauftrag kam nicht zustande. Ohne Auftrag kein Geld, ohne Geld keine Firma. Kremer musste den Betrieb in Bremerhaven schließen, den Großteil der Angestellten entlassen.

Im Zuge der Ermittlungen wurde klar, dass Kremers Pakistan-Auftrag "durchaus genehmigungsfähig" gewesen sei. Es gab auch keine anderen Verdachtsmomente gegen ihn. Kremer beteuert, er habe stets alle Genehmigungen beim Bundesamt für Ausfuhrkontrolle beantragt, und das sei dem Zoll auch schon vor der Durchsuchung bekannt gewesen. Die Zollaktion kann er sich deshalb nicht erklären, zumal andere deutsche Firmen in der Zwischenzeit sogar Waffen nach Pakistan liefern durften.

Beim BND heißt es, man „äußere sich grundsätzlich nicht zu operativen Einsätzen“, einen Zusammenhang mit den Aktionen anderer Behörden im Fall Kremer schließe man jedoch aus. [extern] Die Staatsanwaltschaft stellte ihr Verfahren gegen die Firma "mangels hinreichenden Tatverdachts" bald wieder ein.

Erkenntnisse aus der Toilette
Derzeit beschäftigten sich Zeitschriften wie [extern] Focus mit der Frage, was ein mit dem Vorwurf der sexueller Belästigung konfrontierter, angeblicher „Mafia-Spezialist“ von seinem Besuch auf einer Toilette des Bundestages notierte und später gegenüber einer Kollegin zum Besten gegeben haben soll. Allein darüber, was der BND-Beamte angeblich über einen Toilettenbesuch im Reichstagsgebäude berichtet hat, verfasste der mit den internen Ermittlungen betraute Beamte immerhin 20 Seiten. Zur Sprache kam beispielsweise auch ein angebliches Prostata-Problem eines Grünen-Politikers. Ein leitender Beamter des Kanzleramts soll in einem internen Vermerk als „kleine fette Schwuchtel“ dargestellt worden sein.

So jedenfalls die tiefschürfenden Erkenntnisse des Focus, einem Heft, dessen [extern] Beziehungen zum und Verwicklungen mit dem BND kaum noch weiter ausbaufähig sein dürften. Im Rahmen der dienstinternen Ermittlungen gab es auch „Online-Durchsuchungen der Computer von 49 BND-Mitarbeitern“, wobei wiederum auch private Laufwerke überprüft worden sein sollen. Die Operation, die sich in erster Linie gegen einen damaligen Referatsleiter richtete, sei schon drei Wochen vor Beginn des eigentlichen Disziplinarverfahrens gestartet worden.

Wahrscheinlich wird sich auch damit irgendwann das hoch geheime „Parlamentarische Kontrollgremium“ beschäftigen. Denn, so der [extern] Focus weiter, der BND-Personalrat Franz Josef Amann habe die Untersuchung „monströs und exzessiv“, genannt. Die Vorwürfe gegen den Leitenden Regierungsdirektor seien ein „Sammelsurium von zum Teil grotesk anmutenden Vorwürfen“, so Amann in einem internen Gutachten. Und weil der Focus aus diesem internen Gutachten zitiert, wird die Sicherheitsabteilung des BND nach jenem Leck suchen, durch welches solch explosive Geheimnisse in die Öffentlichkeit gelangten. Einmal mehr bestätigt sich damit die These: Der BND befasst sich vor allem mit solchen Problem, die es ohne ihn nicht gäbe.

Braucht jemand den BND?
Im Mai 2008 fand die feierliche Grundsteinlegung für die neue BND-Zentrale in Berlin statt. Aus diesem Anlass zog Christian Ströbele,(B90/Die Grünen) und für diese Fraktion Mitglied der PKG und des BND-Untersuchungsausschuss, eine Bilanz – und zwar eine wenig erfreuliche. "Der Bundesnachrichtendienst ist angeschlagen“, [extern] sagte er:

Immer wieder gerieten Teile des Geheimdienstes außer Kontrolle. Das Vertrauensverhältnis des BND-Präsidenten zum Parlament und zur Bundeskanzlerin ist gestört. Weisungen des Bundeskanzleramtes bleiben ohne nachhaltige Wirkung. Eine wirksame Kontrolle dort hat gefehlt. Wahrlich kein Grund zum Feiern für den Dienst.“ (...). Auch eine größere Nähe zur Regierung wird die Kontrolle des Geheimdienstes nicht erleichtern. Glasfassaden oder ein öffentlich zugängliches Café in dem Mammutbau schaffen keine wirkliche Transparenz. Diese müsste im Inneren des Dienstes und in seiner Leitung sowie im aufsichtführenden Kanzleramt verankert und wirklich gewollt werden. Daran fehlt es bisher.
Christian Ströbele

Dem bleibt höchstens noch hinzuzufügen, dass Ströbeles Fraktion schon mal eine gute Idee in Bundestag eingebracht hat: Einen [extern] Antrag, den BND bis zum 31. Dezember 1998 aufzulösen.

Veröffentlicht bei: http:/» /www.heise.de/tp/r4/artikel/29/29434/1.html

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