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Zweite lange Nacht der Opern & Theater

Volle Häuser in Deutschlands Bühnenhauptstadt


Die 2. „Lange Nacht der Opern & Theater“ – Berlins Bühnen, Künstler und Intendanten inszenierten allerfeinste Werbung (nicht nur) für nächtliche Kultur-Flaneure

Von Stefan Jalowy

11.04.2010 (Berlin) – Berlin strahlt und auch wenn nicht die ganze Hauptstadt auf den Beinen war – aber rund 20.000 Besucher an einem Abend in nicht weniger als 68 Opernhäuser und Theaterbühnen zu bekommen...das erlebt Berlin auch nicht jeden Abend. Zum zweiten Mal lud die Bühnenwelt der Spree-Metropole zur „Langen Nacht der Opern & Theater“. Und abgesehen von gelegentlichen April-Schauern dürfte für die Macher diese Nacht perfekt über die Bühnen gegangen sein. Vor allem die zahlreich in die Schauspiel- und Opernhäuser drängenden jungen Zuschauer dürften auch Kultur-Staatssekretär André Schmitz überrascht haben. Kein Wunder – vor allem die kleineren Bühnen und Off-Theater luden nach dem Ende der jeweils 30 Minuten langen Filet-Häppchen noch zu Parties mit DJ-Battles, Live-Mucke und Feiern bis ins Morgengrauen. Dank der Shuttle-Busse der BVG, die auf mehreren Rund-strecken die Nachtflaneure kostenlos durch die Stadt kutschierten, konnten die meisten Bühnenschwärmer das breit gefächerte Angebot an Revue- und Schauspielkunst in Form einer komfortablen „KulTour de Berlin“ wahrnehmen.

Kurz vor 18 Uhr vis-a-vis des Brandenburger Tors. Feuchtkalt dämmert der Abend und entlang der „Strasse des 17. Juni“ werden die ersten gelben BVG-Busse hintereinander aufgefahren. Sie werden eine zentrale Rolle spielen, denn mit ihnen werden in dieser „Langen Nacht der Opern & Theater“ Tausende von neugierigen Bühnen-Schnuppern quer durch die Hauptstadt fahren – von den großen Häusern in Mitte zu den Revuetheatern, Musical-Palästen und Off-Bühnen in den anderen Bezirken. André Schmitz schaut ein wenig skeptisch in den sich gerade mal wieder gräulich färbenden Vorabend-Himmel. Vor knapp einer halben Stunde hatte ein massiver Platzregen Touristen und Theaterfreunde unter die wenigen Klappschirme neben den Kassen-Container gescheucht. Der Kultur-Staatssekretär klappt den Kragen hoch, klettert auf das Podest der Mini-Bühne und eröffnet mit einer für einen Politiker rekordver-dächtig kurzen Rede die „2. Lange Nacht der Opern & Theater“. Niemand ist wirklich überrascht, als Schmitz die „Vielfalt der Inszenierungen und der Schauspielkunst in der Hauptstadt“ lobt und stolz darauf verweist, dass sich Berlin in den letzten Jahren zu einer „wahren Bühnen-Hauptstadt“ entwickelt habe. Er wünscht Spaß, Vergnügen und gute Unterhaltung und schon strömen die ersten Zuschauer in Richtung der Haltestellen gleich nebenan. Denn schon hier wird das gelten, was sich wenig später in fast jedem Theater als wichtigste Regel herausstellen wird: Wer zuerst kommt, besetzt die besten Plätze. Im Gegensatz zum „wahren Theaterleben“ garantieren die 15 Euro günstigen Karten keine festen Sitzplätze – und wenn die Säle voll sind...müssen sich die Zuspätgekommenen eben bis zur nächsten Vorstellung gedulden. Die Wartezeit wird überbrückt durch gratis verteilte Sonder-ausgaben einer Berliner Tageszeitung zur Langen Nacht und wer sich noch für den Bühnen-
Marathon stärken muss – greift gerne zu den ebenso kostenfrei überreichten Müsli-Riegeln.

Die Menge vor dem Haupteingang zur „Komischen Oper“ harrt in der kühlen Brise, der „Prosecco“-Stand gleich nebenan wird nur wenige Gläser seiner verhältnismäßig teuren „Edel-Brause“ los. Kein Wunder, denn so richtig festlich wirkt das Outfit der Besucher nicht wirklich und zwischen großer Abend-Garderobe und anspruchsvolleren Getränken besteht scheinbar doch eine gewisse Wechselbeziehung. Ein junger, hochgewachsener Mann teilt Die Versammlung der Wartenden teilt sich wie einst das Rote Meer vor Abraham, als ein junger hochgewachsener Mann die Szene betritt. Nein, kein Prominenter – vermutlich ein Schauspielschüler, der unter einem dem Schauplatz angemessenen schwarzen Zylinder, dem feinen weißen Hemd mit schwarzer Fliege und einem eleganten Cutaway selbstbewusst rauchend den Theater-Buffo und Bonvivant gibt. Ansonsten dominieren eher Wintermäntel, Steppanoraks und Alltagskleidung – High Heels und Abendkleid wären auch für die (meist kurzen) Wege zu den Shuttle-Bushaltestellen eher hinderlich. Der tiefe Bühnenraum in der „Komischen Oper“ demonstriert die bravoureus gemeisterte Organisation der Spielleitung: während auf der Vor-Bühne ein Klavier mit bleichem Totenkopf positioniert, ein edel aufgebahrter Sarg nebst Kerzen arrangiert wird dirigieren die Bühnenarbeiter hinten das Bühnenbild für die nächste Aufführung in den Bühnenkasten. Bis vor einer dreiviertel Stunde hatte hier das Ensemble noch „Fidelio“ aus dem normalen Spielplan gegeben. Und nun drängen wir Opern-Schnupperer schon auf die Plätze. Die „schönsten Tode der Opernwelt“ werden hier in kurzen Miniaturen aufgeführt...melodramatische Todesszenen, die gar nicht so todernst gespielt werden und das Publikum lacht erleichtert angesichts der teils mit schwarzem Humor gesungenen „Ade, Du schnöde Welt“-Tragikomik. Eine halbe Stunde präsentieren junge Opernstimmen Auszüge aus dem kommenden Programm – und die Zuschauer lecken bei diesem mit leichter Hand inszenierten Spielplan-Trailern sprichwörtlich Blut.

Abbildung: Staatskapelle - (Foto: stj)

Lange Nacht der Opern, 9.April2010, Berlin


Mit leichter Hand und als großes Fest für die Schauspiel- und Gesangskunst auf den Berliner Bühnen ist diese „Lange Nacht der Opern und Theater“ eine geniale Idee, um auch einem jungen und sehr jungen Publikum das Angebot an Kultur, Unterhaltung und Spaß jenseits des nächtlichen Clubbings oder Exzess-Saufens nahe zu bringen. Zwar werden Hardcore-Abtänzer wohl kaum in die Foyers und Ränge der großen wie kleinen Häuser zu locken sein. Aber beim Warten auf den Shuttle an der Haltestelle hören wir die begeisterten und irgendwie nach Verblüffung klingenden Kommentare von Hoodie-Trägern in Begleitung von jungen Fräuleins in weissen Overknee-Stiefelchen, Lederjäckchen im Bolerostil und Dancefloor-Nahkampf-MakeUp. „Woah...das war wie Kino, ey...so - voll das Drama. Hallo – ich bin jetzt „Dirty Dancing“...und dann ist Dee Dschäi-Bettel...“ Das Handy trötet Lena Maier-Landgut (oder so) in die windige Nachtluft und alle drängen schiebend in den gelben BVG-Shuttle.

Die Nacht rast im Eilzugtempo durch die Stadt und wir bleiben in der „Staatsoper unter den Linden“ hängen – eigentlich wollten wir ja noch nach dem Zufallsprinzip mal irgendwie nach Kreuzberg shuttlen oder zum Prenzlberg...in irgendein experimentelles Haus. Dorthin, wo in dieser Nacht zum Beispiel Studenten der „Ernst Busch“-Schauspielschule sich ausprobieren und völlig neuem Publikum präsentieren wollen. Impro-Theater – wäre auch geboten. Aber dann fegt uns der große Chor der Staatsoper mit Klassikern so heftig ins Gestühl, dass wir kurzentschlossen im prächtigen Opernsaal sitzen bleiben. Und mit dem „Barbier von Sevilla“ und einem prächtig singenden Alfredo Daza werden wir wahrlich festlich belohnt. Ein mit hohem mimischen Talent gesegneter Tenor, der sehr zu Recht vom Publikumapplaus gleich mehrmals auf die Bühne zurückgeholt wird. Und mit ihm der furios und mit gewaltiger Kraft jubilierende Staatsopernchor.

Es ist früher Morgen. Ein wenig durchgesessen, aber schwingend und im Kopf die Ohrwürmer der in der Oper gehörten Melodien mitsummend bleiben wir an der Endhaltestelle des 2er-Shuttlebusses noch stehen. Und der BVG-Chauffeur lächelt und lädt uns ein: „Se können een Stück mitfahr’n, det jeht schon...“. Wir steigen aus und schlendern den „17. Juni“ entlang. Was für eine lange Nacht...und im Goldelse grinst dazu – und das kann man wahrlich nicht in jeder Berliner Nacht sehen.

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