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Denkmal für verfolgte Homosexuelle überreicht

Deutschlands erstes Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen eingeweiht.

Von Michael Ermisch

Berlin. Das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Schwulen und Lesben wurde am Dienstag, dem 27. Mai 2008, in Berlin-Tiergarten von Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) und dem Regierenden Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit (SPD) der Öffentlichkeit überrreicht.

75 Jahre nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten und 60 Jahre nach der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte ist es nun endlich erreicht, die Bundesrepublik Deutschland widmete den verfolgten Homosexuellen einen Gedenkort. Das Denkmal steht jetzt in der Ebertstrasse. Der Bundestag hatte nach Jahre langen Druck durch den Lesben- und Schwulenverband (LSVD) und der Initiative "Der homosexuellen NS-Opfer gedenken", 2003 für das Denkmal gestimmt. Etwa 60.000 verurteilte und 7000 in Konzentrationslagern ermordete Schwulen und Lesben können diese Ehre nicht mehr genießen. Der letzte Überlebende, Pierre Seel, ist im November 2005 gestorben.

„Die Erinnerung an die während der Diktatur durch die Nationalsozialisten verfolgten Homosexuellen erfolge in der Tat sehr spät“, räumte der Kulturstaatsminister in seiner Ansprache bei der feierlichen Einweihung ein. Er bezeichnete dabei das Denkmal als Zeichen einer "gereiften demokratischen Gesellschaft."

Berlins Regierender Bürgermeister betonte deutlich: „Die gesetzliche Gleichstellung Homosexueller ist noch nicht erreicht." Das Stigma der Abnormalität von Homosexualität existiert bis heute, was sich in Schwulenwitzen, Diskriminierungen am Arbeitsplatz und offener rechtsextremer Gewalt gegen Schwule und Lesben äußert. "Auch in unserer schönen Stadt gibt es gewalttätige Übergriffe auf Lesben und Schwule.“

Nach einem Entwurf des dänisch-norwegischen Künstlerduos Michael Elmgreen und Ingar Dragset entstand ein schlichter 3,60 Meter hoher und 1,90 Meter breiter Betonwürfel.

Schräg in eine Ecke eingeschnitten befindet sich ein Fester, in dem der Betrachter die Filmprojektion einer scheinbar endlosen Kuss-Szene zweier Männer sieht. Dieser Film wird nach zwei Jahren gegen einen Film mit einem lesbischen Liebespaar ausgetauscht. Bau und Unterhalt des Denkmals wurden mit 600.000 Euro aus dem Etat des Bundeskulturstaatsministers finanziert. Das Land Berlin stiftete das Grundstück.

Bei aller Freude über das Denkmal mahnte der Sprecher des LSVD, Günter Dworek, an: „Viele Jahrzehnte waren die homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus in Deutschland aus der offiziellen Gedenkkultur ausgeschlossen und von Entschädigungszahlungen ausgegrenzt. In vielen Ländern dieser Welt sind Schwule und Lesben heute noch schwerer Verfolgung ausgesetzt. Aus seiner Geschichte heraus hat Deutschland eine besondere Verantwortung, Menschenrechtsverletzungen gegenüber Lesben und Schwulen entschieden Entgegenzutreten.“

Das Mahnmal wird es nicht leicht haben, von Passanten wahrgenommen zu werden. Es liegt zurückgesetzt am südöstlichen Rand des Tiergartens, direkt gegenüber des vor drei Jahren fertig gestellten Mahnmals für die ermordeten Juden Europas, mit seinem gewaltigeh Stelenfeld aus insgesamt 271 Betonquadern. (me)

Inschrift der Texttafel am Denkmal



Im nationalsozialistischen Deutschland fand eine Homosexuellen-Verfolgung ohne gleichen in der Geschichte statt. 1935 ordneten die Nationalsozialisten die umfassende Kriminalisierung männlicher Homosexualität an. Dazu wurden die im § 175 des Strafgesetzbuches vorgesehenen Bestimmungen gegen homosexuelles Verhalten erheblich verschärft und ausgeweitet. Bereits ein Kuss unter Männern konnte nun zu Verfolgung führen. § 175 bedeutete Gefängnis oder Zuchthaus. Es gab über 50.000 Verurteilungen. Teilweise konnten die NS-Behörden die Kastration Verurteilter erzwingen.

Mehrere tausend Schwule wurden wegen ihrer Homosexualität in Konzentrationslager verschleppt. Ein großer Teil von ihnen überlebte die Lager nicht. Sie starben aufgrund von Hunger, Krankheiten und Misshandlungen oder wurden Opfer gezielter Mordaktionen. Die Nationalsozialisten haben die Lebenswelten von Schwulen und Lesben zerschlagen. Weibliche Homosexualität wurde – außer im annektierten Österreich – nicht strafrechtlich verfolgt. Sie galt den Nationalsozialisten als weniger bedrohlich. Gerieten lesbische Frauen dennoch in Konflikt mit dem Regime, waren auch sie Repressionen ausgesetzt. Schwule und Lesben lebten in der NS-Zeit eingeschüchtert und unter stetem Zwang zur Tarnung. Lange Zeit blieben die homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus aus der Gedenkkultur ausgeschlossen – in der Bundesrepublik wie in der DDR. Hier wie dort wurden Schwule lange Zeit weiter strafrechtlich verfolgt. In der Bundesrepublik Deutschland galt der § 175 unverändert bis 1969 fort.

Aus seiner Geschichte heraus hat Deutschland eine besondere Verantwortung, Menschenrechtsverletzungen gegenüber Schwulen und Lesben entschieden entgegenzutreten. In vielen Teilen dieser Welt werden Menschen wegen ihrer sexuellen Identität heute noch verfolgt, ist homosexuelle Liebe strafbar und kann ein Kuss Gefahr bedeuten.

Mit diesem Denkmal will die Bundesrepublik Deutschland
– die verfolgten und ermordeten Opfer ehren,
– die Erinnerung an das Unrecht wach halten und
– ein beständiges Zeichen gegen Intoleranz, Feindseligkeit und Ausgrenzung gegenüber Schwulen und Lesben setzen.

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