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Instrumentelle Morgenlandreise


Von und mit Lydia Repke Neue Seite 1

- 8. Edenkobener Gitarrennacht -

BERLIN. Konzert ausverkauft. Staatssekretär Karl-Heinz Klär lud zur 8. Edenkobener Gitarrennacht am Montag, dem 28. April, um 21 Uhr in die Berliner Landesvertretung Rheinland-Pfalz, In den Ministergärten 6, ein. Moderiert von Peter Finger traten Musiker aus Palästina, Belgien, Deutschland und der Türkei auf. Thema war dieses Jahr "Auf Morgenlandreise – mit Oud & Saz".

Als der Saal 40 Minuten vor Konzertbeginn geöffnet wurde, verteilten alle Anwesenden ihre Jacken und Tücher in Windeseile auf den Stuhlreihen – ähnlich den Urlaubern, die mit ihren Handtüchern Plätze am Swimmingpool reservieren.  Danach gingen sie gemütlich in den Vorraum zurück, in dem unter dem Namen „Magic Balls“ ausgestellte Bilder Faszination auf die Besucher ausübten. Das Warten wurde außerdem durch den Ausschank von einem Rosé, einem trockenen Rot- und Weißwein versüßt. Die Getränke hatte der Edenkobener Bürgermeister, Werner Kastner, für diesen Anlass mitgebracht. Dann war es soweit

Dann war es soweit: Peter Finger, Herausgeber des Fachblattes „Akustik Gitarre“, betrat die Bühne. Dieses Jahr hätte er sich bei der Wahl des Themas auf die Vorläuferinstrumente der akustischen Gitarre konzentriert: Saz und Oud. Während der Oud aus dem Arabischen käme und eine Kurzhalslaute sei, die übersetzt Holz hieße, sei die Saz eine türkische Laute. „Saz heißt Musikinstrument und weil das etwas schwammig ist, nennt man sie auch Balama. Das heißt Bund“, erklärte der Moderator und zauberte damit ein Schmunzeln in die Gesichter des Publikums. 1988 hat der Gitarrist Finger ein Musiklabel gegründet. Die dazugehörigen Musiker bilden eine Familie und aus diesem Kreis schöpft er jedes Jahr seine Ideen für das Programm: „Ich habe das Glück, die Musiker auszusuchen und meine Freunde einzuladen. Es reicht aber nicht, dass ihr meine Freunde seid, ihr müsste auch gut spielen können.“

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Ismail Türker, ein türkischer Osnabrücker, und Eckhard Günther setzten sich auf ihre Plätze. Als das Duo „Saite an Seite“ anfing zu spielen, nahm die vorher helle Beleuchtung einen rot-gelben Farbton an. Im Hintergrund war der Reichstag mit zwei im Wind wehenden deutschen Flaggen zu sehen. Der Saz-Spieler Türker mit dunkler Mütze auf dem Kopf und der Gitarrist Günther erzeugten schöne Klangfarben. Außerdem boten sie eine interessante Mischung aus türkischer Folklore, Jazz, Blues und orientalischem Gesang. In leicht gebrochenem Deutsch sagte der aus Izmir stammende Musiker die Lieder an: „Das nächste Stück heißt ‚Ich und dich’.“ „Was?!“, schreckte der Gitarrist auf. „Sicher, dass du nicht ‚Dich und mir’ meinst?“, zwinkerte er dem gebürtigen Türken zu. Eckhard Günther klärte die Zuhörer auf: „Das Stück heißt ‚Ich und du’. Ismail ärgert sich immer noch, dass er heute 8 € für eine Flasche Wasser bezahlt hat.“ Als die beiden von der Bühne gingen, spaßte der Akustikgitarrist Peter Finger noch ein bisschen herum: „Wer das Geheimnis lüften will, wie es unter Ismails Käppi aussieht, der schaut am besten am CD-Stand. Da ist er ohne zu sehen."

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Karim Baggili, einer der Lieblingskünstler des Moderators, lief lässig mit seiner Gitarre, Cowboystiefeln, halblangen Haaren und Jeans den Mittelgang entlang. Der 1976 in Belgien geborene Gitarrist kündigte seine Kompositionen an: „Das nächste Stück habe ich vor acht, vielleicht auch vor neun oder zehn Jahren geschrieben. Ich weiß es nicht mehr genau, jedenfalls ist es eine Weile her.“ Auch seine anderen musikalischen Beiträge seien nicht wesentlich später entstanden. „Das heißt wohl, ich sollte mal wieder was Neues komponieren“, stellte er lachend fest. Der Sohn jordanisch-jugoslawischer Einwanderer überzeugte durch seine akkurate, sehr saubere Technik. Seine flamencoangehauchte Musik zeigte viele klassische Einflüsse auf. Sie war von Tempowechseln geprägt, sodass ein romantisch ruhiger balladenartiger Teil von einer explosiven Flamencoeinlage mit schnellen Tonleiterläufen abgelöst wurde. Der junge Musiker verließ den Raum durch eine Tür, die direkt ins Freie führte. Finger wartete darauf, dass Baggili noch einmal hereinkam, um seinen tosenden Applaus entgegenzunehmen. Dieser war aber schon weg: „Gut. Er wäre sowieso nicht mehr hereingekommen. Die Tür geht nur von innen auf.“

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„Viermal täglich herzlich lachen, sich und anderen Freude machen, ab und zu ein Gläschen Wein: Das hilft zum Fröhlich- und Glücklichsein.“ Mit diesen Worten nippte die 19-jährige Edenkobener Weinprinzessin Franziska Schneider an ihrem Glas 2007er Chardonnay. Von den musikalischen Genüssen der ersten Konzerthälfte ging es nun zu den kulinarischen Köstlichkeiten in der Pause: Ein Buffet mit Spargelsuppe, Brötchen und gefüllten Croissants stand bereit. Kurz bevor es mit dem instrumentellen Programm weiterging, klappte Sylvia Villwock ihr Zeichenheft wieder auf: „Ich muss immer was tun. Ich finde das nett, wenn die Herren mich begleiten.“ Die 43-jährige Berliner Kunstlehrerin skizzierte die Musiker während diese ihre Werke spielten.

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Die zweite Hälfte begann sehr unterhaltsam. Der Herausgeber der Gitarrenzeitschrift wollte den 165 Zuhörern die nächste Gruppe, das palästinensische Oud-Trio Jourban, näher bringen: „Es fehlt einer in dem Trio. Vorher waren es vier.“ Lachend versprach er sich bei seiner Ansage ein paar Mal: „Tja, wenn ich einmal am Glas der Prinzessin nippe...“ Die Gruppe besteht normalerweise aus den drei Brüdern Adnan, Wissam und Samir. Da Adnan nicht konnte, wurden die beiden restlichen Brüder durch einen hervorragenden Perkussionisten namens Yousef Hbeisch ergänzt. „In Paris sind sie auf Platz eins in den Weltmusikcharts, oder Platz zwei“, endete Finger. Samir nahm sein Instrument und sagte in Bezug auf die Anmoderation: „Obwohl ich kein Wort verstanden habe, war es äußerst lustig.“

Besonders beeindruckend war das Zusammenspiel der beiden Brüder. Selbst nach langen atmosphärischen Pausen setzten sie unisono ein und spielten selbst schnelle Läufe temperamentvoll und exakt zusammen. Wissam war erster arabischer Absolvent der Stradivari-Instrumentenbauschule und hat die Zupfinstrumente selbst angefertigt. „Heute Abend sind wir vier Brüder, weil die Instrumente auch Brüder sind“, beschrieb Samir die Familiensituation. Des Weiteren stellte er klar: „Manchmal denken die Leute wir müssten über Politik singen, weil wir aus Palästina sind. Das stimmt nicht.“ Der Oud-Spieler animierte im dritten Stück die Menschen im Saal zum Mitsingen. Samir Jourban zeigte außerdem, dass er ein gutes Gehör hatte, in dem er während eines der arabisch-spanisch klingenden Stücke sein Instrument nachstimmte. Im letzten Stück „Suffer“ improvisierte das Trio über Isaac Albeniz’ Gitarrenstück „Asturias“.

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Zu guter Letzt bat der Oud spielende Samir alle Musiker, inklusive den Moderator, auf die Bühne zum Improvisieren. Innerhalb einer Minute hatten die Musiker sich neu formiert und ihre Stühle und Instrumente aufgebaut. Selbst der 53-jährige Finger war binnen weniger Sekunden mit seinem Gitarrenkoffer unter dem Arm  auf dem Podest: „Das war also eine spontane Idee. Ich hatte die Gitarre mit, nur umso zu zeigen, wie eine Stahlsaitengitarre aussieht.“ Wieder lächelte das Publikum. So richtig widerstehen konnte ihm und seinem Charme keiner an diesem Abend: „Ansonsten um ein bisschen Eigenwerbung zu machen für morgen in Lichterfelde. Da spielt ein Stahlsaitengitarrist.“


LÄ 16.05.2008, fs)

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