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Text » Hendrik Neuhaus (Praktikant Februar 2006 bei Medienmodul)

Du entscheidest mit!
Von Hendrik Neuhaus

Unter dem Motto "Du entscheidest mit" fordert das „Bündnis für Direkte Demokratie“ faire Volksentscheide. Das Bündnis ist ein Zusammenschluss von insgesamt neun Initiativen (u.a. „Mehr Demokratie e.V.“, „Initiative Berliner Bankenskandal“, „Humanistische Union“), Bürgerinnen und Bürgern, die sich zum Ziel gesetzt haben, die Mitbestimmungsmöglichkeiten in Berlin zu verbessern. Mit einem eigenen Gesetzentwurf soll den parlamentarischen Mitarbeitern eine Reform der Volksgesetzgebung vorgelegt werden. Der Gesetzentwurf wurde auf der Pressekonferenz am Freitag, den 10. März 06, in Berlin der Öffentlichkeit vorgestellt.


„Wir brauchen eine Reform der Verfassung“ forderte Pressesprecher Christian Posselt in seiner Begrüßungsrede. "Die Berliner Parteien vehandeln derzeit über eine Verfassungsänderung, die am 17.September, zeitgleich mit der Berlin-Wahl, per Volksabstimmung beschlossen werden soll", Poselt weiter. Die Frage sei dabei, wie viel mehr direkte Demokratie wir eigentlich brauchen. Das „Bündnis für direkte Demokratie“ (BfDD), erst im Januar frisch gegründet, hat einen Gesetzentwurf erarbeitet. Dieser wird » am Montag, den 13. März an den Parlamentspräsident von Berlin, Walter Momper (SPD), übergeben und so in den parlamentarischen Prozess eingebracht.

Nach der Übergabe des Gesetzesvorschlages werden 200 blaue und orange Luftballons vor dem Abgeordnetenhaus aufsteigen und das Bündnis-Motto „Du entscheidest mit!“ symbolisch zu den Bürgern tragen.


Gemeinsam erläuterten Michael Efler von „Mehr Demokratie, Hans-Jürgen Lindemann, Sprecher der „Initiative Berliner Bankenskandal“ und Dr. Christoph Bruch, Vorstandsmitglied der „Humanistischen Union“ und Referent der Pressekonferenz, erläuterten die Reformvorschläge aus dem Gesetzentwurf.

Demnach sollen Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide einfacher und bürgerfreundlicher gestaltet werden. Seit 1995 erlaubt die Verfassung von Berlin den Bürgerinnen und Bürgern, über politische Sachfragen abzustimmen und so aktiv auf die Gesetzgebung Einfluss zu nehmen. „Die Berliner wollen sich beteiligen. Das belegen die vielen Bürgerbegehren auf Bezirksebene, die in den letzten Monaten gestartet wurden“, erklärte Efler. Doch die Hürden, die es dabei zu überwinden gelte, seien schlichtweg zu hoch. Das habe zur Folge, dass es trotz vieler Versuche bisher noch kein einziges erfolgreiches Volksbegehren gegeben hat.


Dem soll durch ein Absenken der Hürden entgegengewirkt werden. In Zukunft sollen bereits 10.000 Unterschriften, statt bisher 25.000, für eine Volksinitiative ausreichen, damit das Abgeordnetenhaus sich mit einem Vorschlag zur Gesetzgebung befasst.

Bei Ablehnung des Vorschlags durch das Parlament kann ein Volksbegehren gestartet werden, an dem sich mindestens 100.000 Wahlberechtigte beteiligen müssen. Bislang müssen 10% der Wahlberechtigten ihre Stimme im Amt (eine zusätzliche Hürde) abgeben. Stimmt das Abgeordnetenhaus dem Vorschlag dann nicht zu, kommt es zum Volksentscheid, bei dem anders als bisher, wo noch ein Drittel der Wahlberechtigten zustimmen muss, allein die Mehrheit der abgegebenen Stimmen entscheiden soll. Es soll also keine Zustimmungsquoren mehr geben, sondern nur noch Beteiligungsquoren.
Zudem soll es fortan praktisch keine Tabuthemen mehr geben, wie es bisher z.B. Verfassungs- und Haushaltsfragen waren.


Der Bündnis-Vorschlag beinhalte außerdem zwei neue Beteiligungsinstrumente. Zum einen sollen Verfassungsfragen zukünftig in einem obligatorischen Referendum immer zur Abstimmung gestellt werden. Bei Gesetzen, die vom Abgeordnetenhaus beschlossen werden, soll das Volk ein Vetorecht erhalten. Wenn 40.000 Wahlberechtigte es fordern, findet eine Volksabstimmung statt.


Was die Informationspolitik angeht, so dürfe sie, laut Dr. Efler, nicht allein von den Medien ausgehen, sondern dem Bürger sollen Abstimmungshefte direkt zugesandt werden, in denen über die Vor- und Nachteile von Volksentscheiden informiert wird.

Dr. Christoph Bruch von der „Humanistischen Union“ forderte in seiner Rede, dass es dem Bürger möglich gemacht werden müsse, aktiv in den Gesetzgebungsprozess einzugreifen. Es sei einfach nicht akzeptabel, dass alle Entscheidungsmacht allein dem Abgeordnetenhaus zustünde. Dies sei ein Misstrauensvotum gegen die eigenen Bürger seitens der politischen Klasse. „Viele Probleme entstehen doch erst, weil Politiker bestimmte Entscheidungen aus Gründen des Machterhalts treffen. Die Volksmitbestimmung wäre eine Entlastung für die Politiker.“ Dies dürfe nicht als Gegenbewegung verstanden werden, sondern als Ergänzung. Unbedingtes Ziel sei es, die Mündigkeit der Bürger im Bezug auf Politik zu fördern und so auch der grassierenden Politikverdrossenheit im Volk entgegenzuwirken.


Das Informationsrecht und die damit verbundene Akteneinsicht müssen in der Verfassung verankert werden, so Dr. Bruch. Eine weitere Neuheit sei der Einwohnerantrag, der dann zustande kommt, wenn er innerhalb von 6 Monaten von 10.000 Einwohnerinnen und Einwohnern ab 16 Jahre (also nicht ausschließlich von Wahlberechtigten) unterstützt wird. Dies sei ein eindeutiges Integrationsangebot an all die hier lebenden ausländischen Mitbürger und eine Möglichkeit, dem Ausland zu zeigen, wie man hier in Deutschland gewaltfreie Auseinandersetzung betreibt.


Der Gesetzentwurf sei, so Dr. Bruch, nicht willkürlich ausgedacht, sondern entstamme der Verfassung von Brandenburg. Berlin käme also auf den gleichen Stand wie Brandenburg, was bei einer eventuellen Fusion der beiden Länder ohnehin von Vorteil wäre.

Der Sprecher der „Initiative Berliner Bankenskandal“, Hans-Jürgen Lindemann, fügte noch hinzu, dass es ein Unding sei, dass die Berliner nicht über ihre eigenen Steuergelder entscheiden könnten. So etwas wie der Berliner Bankenskandal sei durch direkte Demokratie zu verhindern gewesen.
Die Abgeordneten und der Bürgermeister, so Lindemann, wollen immer mehr Rechte zur besseren Durchführung ihrer Politik, was sicher ein legitimer Wunsch ist. Doch die Frage sei es, ob man diese Rechte auch dem Bürger zugestehen möchte?


Die Sorge, dass ständige Volksentscheide zu ständigem Wahlkampf über Sachfragen führe, teilte Lindemann nicht. „Mitbestimmung bei Sachfragen, das ist ja genau das, was wir uns wünschen. Dafür ist aber ein politisches Instrument nötig, dass über die Frage, wer Bürgermeister wird, hinausgehen muss.“ Man dürfe keine Angst vor direkter Demokratie haben. „Die Bürger sollen endlich Verantwort übernehmen können! Politiker lieben es, Szenarien zu entwickeln, was alles Schlimmes passieren könnte? Das ist Angstmacherei! In der Schweiz wird der Haushalt auch vom Volk mitbestimmt, aber konservativ. Angst ist also unbegründet.“

Dr. Michael Effler erklärte abschließend, dass unter dem Druck des „Bündnisses für Direkte Demokratie“ in den Fraktionen des Abgeordnetenhauses eine Diskussion in Gang gekommen ist. Daher biete sich ein einmaliges Zeitfenster, dass die notwendigen Änderungen der Landesverfassung in einem Paket mit weiteren Reformen am 18. Mai mit einer Zweidrittel-Mehrheit im Abgeordnetenhaus beschlossen und am 17. September – gleichzeitig mit der Wahl – durch Volksabstimmung verabschiedet werden. Die Zeit dränge allerdings, da die inhaltlichen Fragen im Parlament bereits bis Ende März geklärt sein werden. Daher sei man jetzt in ständigem Gespräch mit allen Fraktionen, denn vor allem CDU und SPD seien noch eher zurückhaltend, was eine Reform der Verfassung betrifft.


Auf die Frage, wie das Bündnis auf eine eventuelle Abweichung seitens der Parteien bezüglich der Reformvorschläge reagieren würde, sagte Efler, dass man das erst entscheiden könne, wenn es so weit ist. „Wir werden solange kämpfen wie möglich. Falls es am 18. Mai zu einer Abweichung kommen sollte, werden wir uns dann beraten und bis zur Wahl weiterkämpfen.“


Zum Autor:
Hendrik Neuhaus hat im Februar 06 ein einmonatiges Praktikum bei Medienmodul absolviert. Es hat in München gefunkt, für die Liebe zog er um. "Arbeit, Wohnung, Liebe, alles paletti", schreibt er. Wir wünschen weiterhin so viel Liebe, Glück und Erfolg. Franziska Sylla, Medienmodul

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