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„Migration und Bevölkerung“


TITELSTORY: Familiennachzug: Ehepartner scheitern an Sprachtest
Im ersten Halbjahr 2008 sind fast ein Viertel weniger Visa im Rahmen des
Ehegattennachzugs erteilt worden als im selben Zeitraum 2007. Ursächlich
dafür sind fehlende Sprachkenntnisse der ausländischen Ehepartner. Seit
September 2007 müssen sie vor der Einreise nach Deutschland einfache
Sprachkenntnisse nachweisen.

INHALT:
- Familiennachzug: Ehepartner scheitern an Sprachtest
- Deutschland: Definition „Migrationshintergrund“
- Kurzmeldungen – Deutschland
- EU: Aufnahme irakischer Flüchtlinge beschlossen
- Kurzmeldungen – Europa I
- Umfrage Europa und USA: Einstellung zu Einwanderung
- Kurzmeldungen – Europa II
- In der Diskussion: Gesundheit in der Einwanderungsgesellschaft
- Kurzmeldungen – Welt
- Veranstaltungen / Literatur

Zusätzlich in der Internetausgabe (» http://www.migration-info.de) und in der
HTML-Fassung:
- Deutschland: Debatte um Deutsch und Türkisch
- Deutschland: Weiterhin ungleiche Bildungschancen
- Vereinigtes Königreich: Einwanderung erreicht Höchststand

Familiennachzug: Ehepartner scheitern an Sprachtest
Im ersten Halbjahr 2008 sind fast ein Viertel weniger Visa im Rahmen des Ehegattennachzugs erteilt worden als im selben Zeitraum 2007. Ursächlich dafür sind fehlende Sprachkenntnisse der ausländischen Ehepartner. Seit September 2007 müssen sie vor der Einreise nach Deutschland einfache Sprachkenntnisse nachweisen.

Durch die Neufassung des deutschen Zuwanderungsrechts zum September 2007 müssen Ehepartner aus Nicht-EU-Staaten vor ihrer Einreise nach Deutschland Grundkenntnisse der deutschen Sprache nachweisen. Ausgenommen sind Ehepartner aus Staaten, deren Bürger ohne Visum nach Deutschland einreisen können, etwa Australier, Japaner, Südkoreaner und US-Amerikaner.

Diese Sprachkenntnisse sollen u. a. die soziale Integration von Zuwanderern erleichtern und Zwangsehen verhindern (vgl. MuB 6/07). Die Kosten, die mit den Vorbereitungskursen und der Prüfung verbunden sind, betragen oft mehrere hundert Euro und müssen von den Antragstellern selbst getragen werden. Die Prüfung kann beliebig oft wiederholt werden.

Die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion Die Linke (Drucksache 16/10732) ergab nun, dass die eingeführten Sprachanforderungen zu einem Rückgang um 24 % bei der Ausstellung von Visa für Ehepartner geführt haben. Im ersten Halbjahr 2008 wurden deutlich weniger Visa an Ehepartner ausgegeben (14.229) als im ersten Halbjahr 2007 (18.716).

Grundlage der Erteilung der Visa ist u. a. das Bestehen eines Sprachtests an einem Goethe-Institut. In Ländern ohne Goethe-Institut genügt ein persönliches Vorsprechen des Antragstellers in der Botschaft. Im Zeitraum von Januar bis August 2008 haben in den wichtigsten Herkunftsländern lediglich 59 % aller Antragsteller den Sprachtest bestanden, zwei von fünf Ehegatten fielen durch die Sprachprüfung und konnten vorerst nicht nach Deutschland einreisen. Am erfolgreichsten absolvierten Ehepartner aus Indien den Test (73 %), gefolgt von russischen (71 %) und chinesischen (70 %) Ehepartnern. Am schlechtesten schnitten Ehepartner aus Kasachstan (38 %), Thailand (52 %) und der Ukraine (52 %) ab.

An der Neuregelung des Zuwanderungsrechts hatte Die Linke in ihrer Anfrage Mitte Oktober kritisiert, dass die Notwendigkeit des Sprachnachweises Ehepartner benachteilige, die des Lesens und Schreibens nicht mächtig sind. Diese Eheleute würden in einem nicht akzeptablen Maß voneinander getrennt. Die Bundesregierung wies diese Vorwürfe von sich. Das gesetzgeberische Ziel der Sprachanforderungen bestehe keineswegs in der „Verhinderung des Familiennachzugs“.

Weitere Kritik besteht an der Ausrichtung der Gesetzesnovelle als Instrument gegen Zwangsheiraten und arrangierte Ehen. Ob und inwiefern Zwangsheiraten durch die Sprachregelungen tatsächlich verhindert werden können, geht aus der nun vorliegenden Antwort der Bundesregierung nicht hervor. Die Fraktion Die Linke kritisierte in der Kleinen Anfrage, dass diesbezüglich weiterhin keine empirisch nachvollziehbaren Angaben gemacht werden könnten, obwohl dies einer der Hauptgründe für die Einführung der sprachlichen Hürde war. Die Bundesregierung beruft sich in ihrer Antwort auf die abschreckende Wirkung der Sprachstandstests. Die Neuregelung trage dazu bei, den Nachzug zwangsverheirateter Ehepartner nach Deutschland „von vornherein zu verhindern“, heißt es in der Antwort der Bundesregierung. Darüber hinaus führe der Erwerb einfacher Sprachkenntnisse zu einer Verbesserung der Bildungssituation, was die Ehepartner „nach dem Familienbild der betreffenden Kreise unattraktiver“ mache, da sie schwerer kontrollierbar seien, heißt es in einer vorangegangenen Antwort der Bundesregierung zum selben Thema (Drucksache 16/7288).

Vertreter der Oppositionsparteien kritisierten bereits im vergangenen Jahr die Novelle des Zuwanderungsgesetzes. Einige der wichtigsten türkischen Migrantenverbände blieben aus Protest gegen die Gesetzesänderungen dem zweiten Integrationsgipfel fern (vgl. MuB 6/07). Zuletzt forderten einige Migrantenselbstorganisationen anlässlich des dritten Integrationsgipfels im November ein „Überdenken“ der Nachzugsregelungen (vgl. MuB 9/08). th

Mehr Informationen:
dip21.bundestag.de/dip21.web/bt (Dokumentations- und Informationszentrum für Parlamentarische Vorgänge)
» www.bagiv.de/integrationsplan.html


Deutschland: Definition „Migrationshintergrund“
Auf Beschluss der für Integration zuständigen Minister der Länder vom 10. April 2008 befasst sich gegenwärtig eine Arbeitsgruppe mit der Entwicklung von Integrationsindikatoren und der Verbesserung des Integrationsmonitorings und in diesem Zusammenhang auch mit einer einheitlichen Definition des Begriffs „Migrationshintergrund“ (vgl. MuB 4/08). Die Arbeitsgruppe wird gemeinsam von Berlin und Nordrhein-Westfalen geleitet, der Bund ist beteiligt.

Eine der ersten Aufgaben der Arbeitsgruppe bestand darin, eine einheitliche Definition der Eigenschaft „Migrationshintergrund“ zu entwickeln, etwa für Auswertungen des Mikrozensus. In Nordrhein-Westfalen wird alternativ der Begriff „Zuwanderungsgeschichte“ verwendet. Hier gibt es Unterschiede zwischen der vom Statistischen Bundesamt angewandten Definition und der des Landesamtes für Datenverarbeitung und Statistik (LDS) Nordrhein-Westfalen. Die unterschiedlichen Begrifflichkeiten betreffen eine kleine, aber wachsende Gruppe, die Kinder von Eingebürgerten.

Es geht um folgenden Unterschied: Nach Definition des Statistischen Bundesamtes haben auch die Kinder von bereits in Deutschland geborenen Eltern, die durch Einbürgerung Deutsche wurden, einen Migrationshintergrund. Dadurch wird deutschen Kindern der dritten Generation, die weder selbst, noch deren Eltern zugewandert sind, ein Migrationshintergrund zugeschrieben. Diese Definition geht nach Auffassung Nordrhein-Westfalens zu weit. Kindern von deutschen Eltern, die selbst schon in Deutschland geboren wurden, sollte demnach kein Migrationshintergrund zugewiesen werden. Die Kinder von hier geborenen eingebürgerten Deutschen im Hinblick auf den Migrationshintergrund anders zu behandeln als die Kinder von Deutschen, die ihre Staatsangehörigkeit „geerbt“ haben, ist nicht sinnvoll.

Die Mehrheit der in der Arbeitsgruppe versammelten Bundesländer folgte der nordrhein-westfälischen Kritik nicht. Schließlich wurde folgende Einigung erzielt: Die Definition des Migrationshintergrunds, wie sie vom Statistischen Bundesamt für die Auswertung des Mikrozensus entwickelt wurde, soll zur Grundlage von länderübergreifenden Erhebungen und statistischen Auswertungen genommen werden. Einen Migrationshintergrund haben danach: Ausländerinnen und Ausländer, im Ausland Geborene und nach dem 1. Januar 1950 Zugewanderte, Eingebürgerte sowie Kinder, bei denen mindestens ein Elternteil in eine der genannten Kategorien fällt.

15,4 Mio. Personen mit Migrationshintergrund
Nach aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamts ist der Anteil der Personen mit Migrationshintergrund im vergangenen Jahr geringfügig auf 15,4 Mio. (+ 268.000) gestiegen. Das entspricht 18,8 % der Gesamtbevölkerung. Insgesamt lebten 2007 7,3 Mio. Ausländer (8,9 %) sowie 8,1 Mio. Deutsche mit Migrationshintergrund (9,9 %) in der Bundesrepublik De
tschland. Das heißt, fast jeder zehnte Deutsche kommt aus einer Migrantenfamilie oder ist selbst Migrant.
Insgesamt 10,5 Mio. Personen mit Migrationshintergrund gaben an, eigene Migrationserfahrung zu haben. Rund 7,8 Mio. davon waren ausländische oder eingebürgerte Zuwanderer, etwa 2,8 Mio. kamen als Aussiedler oder Spätaussiedler bzw. als deren Angehörige nach Deutschland. Knapp 4 Mio. Menschen gehörten zur in Deutschland geborenen „Bevölkerung ohne eigene Migrationserfahrung“. Davon besaßen knapp 3,2 Mio. einen deutschen Pass, 1,7 Mio. waren in Deutschland geborene Ausländer.
» www.destatis.de

Bund und Länder werden gebeten, diese Definition so weit möglich in den Jahren 2009 und 2010 im Rahmen von Integrationsmonitoringverfahren anzuwenden. Eine Überprüfung der Definition soll spätestens 2010 erfolgen.

Den Ländern steht es allerdings frei, für ihre Zwecke eigene Definitionen zu verwenden. So wird Nordrhein-Westfalen für sein Integrationsmonitoring, wie es etwa im Integrationsbericht 2008 vorgenommen wurde, weiterhin die eigene Definition des Migrationshintergrunds zugrunde legen (vgl. MuB 7/08).

Die Arbeitsgruppe befasst sich jetzt mit der Entwicklung geeigneter Integrationsindikatoren. Diese sollen in der 1. Hälfte 2009 vorgelegt werden. Dr. Bernhard Santel, Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration Nordrhein-Westfalen, Referat „Strategische Fragen der Zuwanderung und Integration“

EU: Aufnahme irakischer Flüchtlinge beschlossen
Nach mehrmonatiger Diskussion haben die EU-Innen- und Justizminister Ende November in Brüssel beschlossen, europaweit bis zu 10.000 irakische Flüchtlinge aufzunehmen. Nach Deutschland sollen rund 2.500 Flüchtlinge kommen. Vertreter von Flüchtlingsorganisationen und Oppositionsparteien kritisierten die Zahl als zu gering. Es ist das erste Mal, dass sich die Bundesrepublik an einem so genannten Resettlement-Programm des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) beteiligt.

Situation im Irak: Infolge der US-geführten Invasion im März 2003 und des bis heute andauernden Bürgerkriegs wurden im Irak nach Angaben des UNHCR insgesamt 4,7 Mio. Menschen vertrieben (vgl. MuB 2/08, 4/07, 6/07). Etwa 2,7 Mio. Iraker sind Binnenvertriebene; 2 Mio. haben in den Nachbarländern Zuflucht gesucht, die meisten in Syrien und Jordanien.

Im April startete Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU), unterstützt von den Kirchen, eine Initiative zur Aufnahme von Christen aus dem Irak, da diese besonders bedroht seien (vgl. MuB 5/08). Die Beschränkung auf Christen wurde u. a. vom Koalitionspartner SPD und dem UNHCR kritisiert. In der Folge wurde die Aufnahme besonders schutzbedürftiger Flüchtlinge angestrebt.

Bei seinem Deutschlandbesuch im Juli bat der irakische Ministerpräsident Nuri al-Maliki die Bundesregierung, vorerst keine Flüchtlinge aufzunehmen, da sich die Sicherheitslage im Irak verbessert habe und insbesondere die mehrheitlich gut ausgebildeten irakischen Christen für den Wiederaufbau des Landes gebraucht würden.

Am 24./25. Juli beschlossen die EU-Innenminister, die Lage zunächst weiter zu prüfen und eine Beobachtermission in die Region zu entsenden (vgl. MuB 7/08). Die „Fact Finding Mission“ der EU reiste Anfang November nach Syrien und Jordanien. Ihr Bericht, der in enger Kooperation mit dem UNHCR verfasst wurde, bestätigt, dass sich die Situation der Flüchtlinge verschlechtert habe, da deren finanzielle Ressourcen zur Neige gingen und eine Integration in Syrien und Jordanien unmöglich sei. Eine Rückkehr in den Irak bleibe die einzige Lösung, dafür müsse sich die Sicherheitslage aber deutlich verbessern. Weiterhin fliehen mehr Personen aus dem Irak, als dorthin zurückkehren.

Für 75.000 Flüchtlinge besteht keine Rückkehroption. Es handelt sich etwa um traumatisierte, kranke oder alte Personen, unbegleitete Minderjährige, Angehörige von Minderheiten oder alleinstehende Frauen. Besonders hebt der Bericht auch die Lage von etwa 2.400 palästinensischen Flüchtlingen aus dem Irak hervor. Sie lebten unter menschenunwürdigen Bedingungen in drei Camps im irakisch-syrischen Grenzgebiet und müssten ebenfalls dringend umgesiedelt werden.

EU-Beschluss: Am 27. November einigten sich die EU-Innenminister auf die Aufnahme von bis zu 10.000 Flüchtlingen. Der Beschluss ist nicht bindend und erfolgt „unter Berücksichtigung der Zahl der Menschen, die bereits von den Mitgliedstaaten aufgenommen wurden oder aufgenommen werden sollen“. Die Bundesregierung erklärte sich bereit, rund 2.500 Iraker und somit die meisten innerhalb der EU-Staaten aufzunehmen. Wie viele Flüchtlinge die anderen Länder aufnehmen wollen, ist bisher unbekannt. Im Rahmen des UNHCR Resettlement-Programms kamen bis November 1.358 Iraker nach Schweden, 317 nach Frankreich, 294 in die Niederlande, 245 nach Großbritannien und 140 nach Finnland. Die USA nahmen bisher 15.995 irakische Flüchtlinge auf, Kanada 2.172 und Australien 1.590. Allein im ersten Halbjahr 2008 stellten zudem etwa 14.000 Iraker einen Asylantrag in einem EU-Mitgliedstaat.

Aufnahme in Deutschland: Die rund 2.500 Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen sollen, werden vom UN-Flüchtlingshilfswerk und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gemeinsam ausgewählt. Aufgenommen werden sollen besonders schutzbedürftige Flüchtlinge. Das Innenministerium rechnet damit, dass viele Christen unter ihnen sein werden. Es ist das erste Mal, dass Deutschland in Zusammenarbeit mit dem UN-Flüchtlingshilfswerk im Rahmen eines Resettlement-Programms Flüchtlinge aufnimmt.

Die ersten 500 Flüchtlinge sollen Anfang 2009 nach Deutschland kommen und voraussichtlich im Durchgangslager Friedland bei Göttingen (Niedersachsen) untergebracht werden. Dort sollen sie einen Schnellkurs belegen, der ihnen die Integration erleichtern soll. Alle drei Monate sollen weitere 500 Iraker eintreffen und anschließend auf die Bundesländer verteilt werden. Die Flüchtlinge erhalten zunächst eine Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre. Verschiedene Politiker, darunter Berlins Innensenator Erhardt Körting (SPD), rechnen aber damit, dass „der ganz große Teil der Menschen auf Dauer bleiben wird“.

Reaktionen: Der französische Einwanderungsminister und derzeitige Vorsitzende des EU-Innenministerrats Brice Hortefeux (UMP) sagte: „Europa hat gezeigt, dass es ein Raum der Aufnahme, des Schutzes und der Großzügigkeit ist.“ Auch Kirchen und internationale Flüchtlingsorganisationen begrüßten den EU-Beschluss. Es sei „der entschiedenste und positivste Schritt“, den die EU bisher gemeinsam für die Ansiedlung von Flüchtlingen getan habe, sagte Gilles Van Moortel vom Europa-Büro des UNHCR.

Deutschland: Bilanz - Ein Jahr Altfallregelung
In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke gab die Bundesregierung aktuelle Zahlen für die Mitte 2007 verabschiedete Altfallregelung (§§ 104a, 104b AufenthG) für langjährig Geduldete bekannt (vgl. MuB 3/08, 2/08, 10/07, 3/07, 2/07). Diese besagt, dass Ausländer, die am Stichtag 1. Juli 2007 länger als sechs (mit minderjährigen Kindern) bzw. acht Jahre (ohne minderjährige Kinder) ununterbrochen in Deutschland gelebt haben, eine Aufenthaltserlaubnis bekommen können. Die Antragsteller müssen außerdem über ausreichend Wohnraum verfügen, grundlegende Deutschkenntnisse besitzen und gegebenenfalls den Schulbesuch ihrer Kinder nachweisen (vgl. MuB 3/07).
Von August 2007 bis September 2008 sind in den Bundesländern 35.550 Anträge auf Altfallregulierung eingegangen. Im gleichen Zeitraum wurde auch über zahlreiche Anträge nach dem vorangegangenen Beschluss der Innenministerkonferenz (sog. IMK-Regelung) entschieden. Insgesamt sind 28.721 Anträge nach IMK- und Altfallregelung mit der Ausstellung einer Aufenthaltserlaubnis beschieden worden. 23.334 dieser Aufenthaltsgenehmigungen wurden „auf Probe“ ausgestellt, weil der Lebensunterhalt der Familie nicht gesichert war. Dies muss in den kommenden zwei Jahren von den Antragstellern nachgewiesen werden, um den Aufenthaltstitel nicht zu verlieren. Insgesamt 6.165 Anträge wurden nach IMK- und Altfallregelung abgelehnt, über mindestens 8.101 aller Anträge wurde noch nicht entschieden.
Am Stichtag 30. September 2008 hielten sich immer noch fast 110.000 Ausländer mit einer Duldung sowie 23.500 Personen mit einer Aufenthaltsgestattung in Deutschland auf (Drucksache 16/10986). Diese mehr als 130.000 Personen könnten nach der Bleiberechtsregelung vom August 2007 aufgrund ihres seit über sechs Jahren andauernden Aufenthalts von der Altfallregelung profitieren. Flüchtlingsorganisationen und die Oppositionsparteien hatten immer wieder kritisiert, dass die neben der langen Mindestaufenthaltszeit geforderten Bedingungen für den Erhalt eines Aufenthaltstitels nach der Altfallregelung zu restriktiv seien und deshalb zu wenige Personen von der Neuregelung profitieren würden. th

Kritisiert wurde, dass die Palästinenser in den Lagern an der syrisch-irakischen Grenze trotz ihrer besonderen Erwähnung im Bericht der „Fact Finding Mission“ nicht berücksichtigt werden. Die deutsche Flüchtlingsorganisation Pro Asyl kritisierte die angekündigte Aufnahme von 2.500 Flüchtlingen als unzureichend und „beschämend gering“. Ähnlich äußerten sich die Grünen-Politiker Volker Beck und Josef Winkler. Angesichts des Ausmaßes der Flüchtlingskatastrophe sei das deutsche Kontingent „völlig unzureichend“. Der Erzbischof von Kirkuk im Nordirak Louis Sako kritisierte hingegen die geplante Aufnahme. Die internationale Gemeinschaft solle mehr dafür tun, dass die irakischen Christen in ihrer Heimat bleiben könnten. me

Weitere Informationen:
www.ue2008.fr/PFUE/lang/fr/accueil/PFUE-11_2008/PFUE-27.11.2008/resultats_JAI
www.proasyl.de
www.ecre.org

Kurzmeldungen – Europa (MUB/Dez 2008)

Niederlande: Ministerin zurückgetreten
Die niederländische Ministerin für Ausländerfragen Ella Vogelaar (PvdA, Sozialdemokraten) ist Ende November nach heftiger Kritik an ihrer Politik zurückgetreten. Die Ministerin reagierte damit auf Vorwürfe aus der eigenen Partei, sie sei zu liberal und bagatellisiere das Problem krimineller Einwanderer. Dem Rücktritt der Ministerin gingen Auseinandersetzungen in der Koalitionsregierung aus Christ- und Sozialdemokraten über den Umgang mit zunehmenden Unruhen und gewalttätigen Übergriffen in Wohngebieten mit vielen islamischen Einwanderern voraus. Vogelaar war die Nachfolgerin der für eine harte Linie bekannten populistischen Ministerin Rita Verdonk. Verdonk, die der rechtsliberalen Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD) angehörte, war im Dezember 2006 an einem Misstrauensvotum zu ihrer Asylpolitik gescheitert.
www.government.nl/Government/Balkenende_IV_Government/Resigned/Ella_Vogelaar

EU: Schweiz Teil der Schengenzone
Am 27. November haben die EU-Innenminister in Brüssel offiziell beschlossen, die Schweiz in die Schengenzone aufzunehmen. Ab 12. Dezember entfallen die systematischen Personenkontrollen an den Grenzen zwischen der Schweiz und den Nachbarländern Deutschland, Österreich, Italien und Frankreich. Die Passkontrollen an Flughäfen entfallen erst am 29. März 2009, dem Beginn des Sommerflugplans. Bis dahin sollen die nötigen Umbauten auf den Flughäfen Zürich, Basel und Genf abgeschlossen sein. Mitglieder der Schengenzone sind bisher 22 EU-Staaten sowie Norwegen und Island. Die EU-Mitgliedstaaten Großbritannien, Irland, Rumänien, Bulgarien und Zypern sind nicht dabei.
www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/WillkommeninD/EinreiseUndAufenthalt/Schengen.html

Melilla: Neuer Flüchtlingsansturm
Im Oktober und November haben erneut Hunderte Afrikaner versucht, in die spanische Exklave Melilla zu gelangen. Schwere Unwetter hatten den Grenzzaun teilweise niedergerissen. Höhepunkt des Andrangs war am 10. November der Versuch von 200 afrikanischen Immigranten, die spanische Stadt zu stürmen. Die spanischen und marokkanischen Grenzbeamten verhinderten dies unter Einsatz von Gummigeschossen und Tränengas. Bei den Auseinandersetzungen wurden zwei spanische und sieben marokkanische Grenzposten sowie 14 Afrikaner verletzt. 84 Afrikaner wurden auf der marokkanischen Seite der Grenze festgenommen. Im Herbst 2005 hatten Tausende Afrikaner versucht, in die beiden spanischen Exklaven Ceuta und Melilla einzudringen und so auf europäischen Boden zu gelangen (vgl. MuB 10/05, 9/05).

Frankreich: Ehe-Annullierung gescheitert
Das Berufungsgericht im nordfranzösischen Douai hat am 17. November entschieden, dass die Annullierung einer Ehe wegen verschwiegenem vorehelichen Sexualverkehr nicht rechtskräftig ist (Az. RG 08/03786). Im vorliegenden Fall heirateten 2006 zwei französische Staatsbürger muslimischen Glaubens und marokkanischer Herkunft. In der Hochzeitsnacht erzählte die Braut dem Bräutigam, dass sie keine Jungfrau mehr sei. Dieser wollte daraufhin die Ehe annullieren lassen und zog vor Gericht. Im April 2008 hob das Gericht in Lille in erster Instanz die Ehe mit der Begründung auf, die Frau habe ihren Mann „in einem wichtigen Wesenszug ihrer Persönlichkeit getäuscht“ (Az. 07-08458). Die Frau stimmte der Auflösung zu.
Politiker aller Parteien kritisierten die Entscheidung. Das Urteil löste eine breite öffentliche Debatte aus. Justizministerin Rachida Dati (UMP) forderte daraufhin die Staatsanwaltschaft auf, wegen der gesamtgesellschaftlichen Bedeutung der Sache Berufung einzulegen. Das Berufungsgericht entschied nun, dass das Urteil der ersten Instanz aus „Gründen der öffentlichen Ordnung“ aufgehoben werden müsse. Die Frage der Jungfräulichkeit dürfe nicht als „wesentliche Qualität“ bezeichnet werden. Die weiterhin von beiden Ehepartnern angestrebte Scheidung muss nun anders begründet werden.
www.droitdesreligions.net/rddr/maiagecivil.htm (in franz.)

Tschechien: Ausschreitungen gegen die Roma-Minderheit
In der nordböhmischen Kleinstadt Litvínov sind Ende November rund 500 Mitglieder der außerparlamentarischen rechtsextremen Arbeiterpartei Dìlnická Strana (DS) gegen eine Wohnsiedlung der Roma-Minderheit aufmarschiert. In einer Straßenschlacht mit rund 1.000 Polizisten wurden 16 Personen zum Teil schwer verletzt und 15 Demonstranten festgenommen. Die Regierung will die Partei jetzt verbieten lassen und hat einen entsprechenden Antrag beim Obersten Verwaltungsgerichtshof gestellt. Die DS hat weitere Demonstrationen angekündigt. Auch in anderen tschechischen Städten ist es in der Vergangenheit zu gewalttätigen Ausschreitungen gegen die Roma-Minderheit gekommen.

Umfrage Europa und USA: Einstellung zu Einwanderung
Viele US-Amerikaner und Europäer sehen Zuwanderung eher als Problem denn als Chance, v. a. im Hinblick auf Wirtschaft und Kriminalität. Dies ist ein Ergebnis der Meinungsumfrage „Transatlantic Trends: Immigration“, die die US-amerikanische Stiftung German Marshall Fund Mitte November in Berlin vorgestellt hat.

„Transatlantic Trends: Immigration“ ist ein Projekt des German Marshall Fund of the United States und verschiedener Partner (Lynde and Harry Bradley Foundation, Compagnia di San Paolo, Barrow Cadbury Trust). Die repräsentative Studie beleuchtet die Einstellung zu Zuwanderung und Integration von über 7.000 Menschen ab 18 Jahren in den USA, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Italien, den Niederlanden und Polen. Dafür hat das Meinungsforschungsinstitut TNS Opinion im August und September dieses Jahres Telefoninterviews geführt. Nur in Polen wurden die Daten wegen der geringeren Verbreitung von Telefonen in persönlichen Interviews erhoben.

Auf die Frage, ob Zuwanderung „eher als Problem“ oder „eher als Chance“ zu sehen sei, antworteten 47 % der in Europa Befragten und 50 % der Interviewten in den USA, dass Zuwanderung „eher ein Problem“ sei. 35 % in Europa und 33 % in den USA gaben an, „Einwanderung eher als Chance“ zu sehen. Jedoch gibt es innereuropäische Unterschiede: Während etwa in Großbritannien 62 % der Befragten sich kritisch äußerten, war die Haltung in Frankreich und den Niederlanden positiver: 46 % der befragten Franzosen und 42 % der interviewten Niederländer bewerteten Zuwanderung „eher als Chance“. An eine Zunahme von Kriminalität durch Zuwanderung glaubten nur 28 % der Franzosen, allerdings 61 % der Niederländer und insgesamt 52 % der Europäer. In den USA waren sich die Befragten uneinig: 47 % befürchteten mehr Kriminalität, 48 % verneinten dies. Was das Risiko von Terrorismus durch Einwanderung betrifft, sah eine breite Mehrheit keinen Zusammenhang. 35 % der Europäer und 40 % der US-Amerikaner waren der Meinung, dass steigende Zuwanderung automatisch das Risiko von Terrorismus erhöhe. Die meisten Befragten begrüßten den positiven Einfluss von Zuwanderung auf Kultur und Vielfalt ihres Landes, allen voran die deutschen (71 %) und niederländischen Interviewpartner (72 %).

Skeptisch äußerten sich v. a. US-Amerikaner und Briten hinsichtlich wirtschaftlicher Folgen von Zuwanderung: Während in Kontinentaleuropa nur 34 % befürchteten, Zuwanderer könnten Einheimischen Arbeitsplätze wegnehmen, glaubten dies 51 % in den USA und 52 % in Großbritannien. Anders als in den anderen Ländern wurde hier Einwanderung auch nicht als Lösung für Arbeitskräftemangel gesehen. Andererseits meinten 61 % der US-Amerikaner, dass Eingewanderte durch Firmengründungen neue Arbeitsplätze schaffen. Dem stimmten nur 47 % in Europa zu.

Illegale Zuwanderung war für die Bevölkerung auf beiden Seiten des Atlantiks ein größerer Grund zur Besorgnis als legale Zuwanderung: Über 40 % der Befragten äußerten sich nur über illegale Immigration besorgt. Zugleich aber sagte rund ein Drittel der Befragten in Europa (29 %) und in den USA (37 %), dass ihnen weder illegale noch legale Zuwanderung Sorgen bereite. Auf die Frage, wie auf illegale Einwanderung zu reagieren sei, sprachen sich die Europäer überwiegend für eine Rücksendung in die Herkunftsländer aus (48 %), v. a. Briten (64 %) und Italiener (58 %), während 49 % der US-Amerikaner die Legalisierung undokumentierter Einwanderer vorzogen.

Als wichtige Zulassungskriterien erachteten die meisten Befragten, dass Zuwanderer einen Arbeitsplatz vorweisen (87 % in Europa und 77 % in den USA) und die Sprache des Aufnahmelandes beherrschen müssen (87 % in Europa und 89 % in den USA). Die temporäre Anwerbung von Arbeitskräften fand in keinem Land Mehrheiten. 64 % in Europa und 62 % in den USA sagten, dass legalen Arbeitsmigranten die Möglichkeit gegeben werden sollte, dauerhaft zu bleiben.

Die teils widersprüchlichen Antworten verdeutlichen, wie komplex das Thema Zuwanderung wahrgenommen wird. So stellen die Meinungsforscher Skepsis und gleichzeitig Hoffnung in den Äußerungen der US-Amerikaner und Europäer fest. up

Weitere Informationen:
www.transatlantictrends.org/trends

Gesundheitsvorsorge der Einwanderungsgesellschaft

In der Diskussion: Gesundheit in der Einwanderungsgesellschaft
Das medizinische Versorgungssystem in Deutschland muss sich auf eine steigende Zahl von Menschen mit Migrationshintergrund als Patienten einstellen. Eine angemessene Behandlung muss daher migrationsspezifische Einflussfaktoren berücksichtigen, Anbieter im Gesundheitswesen müssen sich interkulturell öffnen.

Derzeit leben rund 15,4 Mio. Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland, Tendenz steigend (vgl. MuB 10/08). Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung (18,8 %) ist in Großstädten am größten (z. B. Frankfurt/M.: 42 %, Stuttgart: 38 %; München: 35 %, Köln: 32 %). Knapp ein Drittel aller in Deutschland lebenden Kinder unter fünf Jahren hat einen Migrationshintergrund. Auf diese wachsende Patientengruppe ist das Gesundheitswesen in Deutschland bisher unzureichend eingestellt.

Spezifische Einflussfaktoren: Menschen mit Migrationshintergrund sind eine heterogene Patientengruppe, die das monokulturell ausgerichtete deutsche Gesundheitssystem vor besondere Herausforderungen stellt. Bei der medizinischen Behandlung von Zuwanderern spielen migrationsspezifische, kulturell bedingte und soziale Einflussfaktoren eine Rolle. Zu wichtigen migrationsspezifischen Faktoren gehören Einwanderungsmodus, Aufenthaltsstatus, Grad der Integration in die hiesige Mehrheitsgesellschaft, Sprachkompetenz, Herkunftsregion und Religion. Zu den kulturell bedingten Einflussfaktoren zählen die sich teils stark unterscheidenden Krankheitskonzepte und damit verbunden andere Erwartungen an Fachkräfte im Gesundheitswesen, Rollenkonflikte und Statusverluste nach der Migration. Soziale Gesichtspunkte umfassen den Bildungsgrad, das Einkommen sowie die Arbeits- und Wohnverhältnisse.
Inanspruchnahme von Gesundheitsdienstleistungen: Migranten sind häufig ungenügend über bestehende Angebote im Gesundheitsbereich informiert und nehmen daher Gesundheitsdienstleistungen anders in Anspruch als Einheimische. Beispielsweise haben viele Migranten Angst vor arbeits- oder ausländerrechtlichen Konsequenzen. Während sie Leistungen zur Gesundheitsaufklärung weniger nutzen, sind sie in der Akutmedizin (z. B. Notfallambulanzen von Krankenhäusern) überrepräsentiert. Sie erhalten häufiger diagnostische Untersuchungen und bekommen mehr Arzneimittel verschrieben, was ein Hinweis auf eine erschwerte Kommunikation zwischen Arzt und Patient sein kann. Immer noch werden bei der Erhebung der Krankheitsgeschichte und bei der Therapieplanung zum Übersetzen komplizierter medizinischer Inhalte unqualifizierte Hilfskräfte oder Angehörige hinzugezogen. Ohne den Einsatz kompetenter Dolmetscher führen Verständigungsschwierigkeiten häufiger zu Fehldiagnosen, können folgenschwerere Krankheitsverläufe und verlängerte Liegezeiten in Krankenhäusern verursachen.

Parameter für Volksgesundheit: Bei typischen Parametern für den Gesundheitszustand einer Bevölkerung wie Säuglingssterblichkeit, Angebot und Nutzung von Vorsorgeuntersuchungen, Zahngesundheit, Durchimpfungsraten, Unfallraten und Arbeitsunfällen schneiden Migranten deutlich schlechter ab als Menschen ohne Migrationshintergrund. Aus gesundheitsökonomischer Sicht führt eine mangelhafte Prävention zu höheren volkswirtschaftlichen Kosten.

Die Säuglingssterblichkeit als wichtiger Indikator für Gesundheit ist bei Migrantenfamilien erhöht, da sie Vorsorgeuntersuchungen während der Schwangerschaft seltener und deutlich später in Anspruch nehmen. Im Bereich der Zahngesundheit leiden Zuwandererkinder verstärkt unter Kariesbefall. Auch werden sie viel seltener bei den geforderten kinderärztlichen Verlaufsuntersuchungen U7 bis U9 vorgestellt (50 %). Bei Kindern ohne Migrationshintergrund liegt dieser Anteil bei rund 90 %.

Während 84 % der deutschen Schulanfänger nach Impfplan geimpft sind, sind es nur 56 % der Zuwanderer insgesamt. Für einen wirksamen Schutz der Bevölkerung müsste eine Durchimpfungsrate von 90 % vorliegen. Auch erleiden Migranten häufiger Arbeits- und Verkehrsunfälle.

Schlussfolgerungen: Die Anbieter im Gesundheitswesen sind bisher unzureichend auf die Versorgung von Migranten eingestellt. Als Beispiel sei das Controlling deutscher Krankenhäuser erwähnt, die den Migrationshintergrund ihrer Patienten nicht korrekt erfassen. Daher sind bisherige Aussagen zu den Erkrankungen von Migranten noch sehr dürftig. Es bedarf großer prospektiver Studien mit medizinischen und sozialwissenschaftlichen Ansätzen, damit Versorgungsangebote für Migranten auf wissenschaftlich gesicherten, epidemiologischen Ergebnissen beruhen.

Ferner sollten bei Verständigungsschwierigkeiten mit Patienten kompetente Sprachmittler bzw. muttersprachliche Kommunikationshilfen eingesetzt werden. Staatliche Behörden wie zum Beispiel die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Gesundheitsdienstleister und Kostenträger sind gefragt, mehrsprachige Informationsmaterialien zur Verbesserung der Versorgungsqualität zu entwickeln. Kultursensibles und sprachkompetentes Fachpersonal sollte gezielter ausgebildet und eingesetzt werden. Auch könnte die Vergabe öffentlicher Mittel an eine längst überfällige interkulturelle Öffnung von Versorgungseinrichtungen gebunden werden.

Von enormer Bedeutung ist die Aus- und Weiterbildung von Entscheidungsträgern im Gesundheitssystem. Die Lehrpläne in der Ausbildung von Fachpersonal müssen spezifische Aspekte der Behandlung von Migranten enthalten. Dr. med. Elif Duygu Cindik, Master in Public Health, Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, Weiterbildungsassistentin für Neurologie, München


Kurzmeldungen – Welt

Demokratische Republik Kongo: Mehr Flüchtlinge

Immer mehr Kongolesen verlassen ihr Heimatland. Nachdem im Sommer die Kämpfe zwischen den Regierungstruppen und den Anhängern des Rebellen Llaurent Nkunda erneut zunahmen, befinden sich mindestens 250.000 Menschen innerhalb des Landes auf der Flucht (vgl. MuB 9/08). Wie das Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) berichtete, sind bereits Zehntausende Kongolesen vor den Kämpfen in das benachbarte Uganda, aber auch nach Ruanda geflohen. Das UNHCR musste einige Flüchtlingslager bei Goma in der Nord-Kivu-Region räumen und Tausende Menschen umsiedeln, um sie vor den Kämpfen zu schützen.
www.unhcr.de


Deutschland: Weiterhin ungleiche Bildungschancen
Nach wie vor besuchen Jugendliche mit Migrationshintergrund seltener ein Gymnasium und erreichen insgesamt ein niedrigeres Bildungsniveau. Dies geht aus einer aktuellen Erhebung zu PISA 2006 hervor, die die Leistungsunterschiede der einzelnen Bundesländer untersucht. Die Ergebnisse des Länderbildungsvergleichs hat die Kultusministerkonferenz im November in Berlin vorgestellt.

Bei „PISA 2006-E“ handelt es sich um eine nationale Ergänzungsstichprobe an etwa 1.500 Schulen (ohne Sonder- und Förderschulen) mit rund 57.000 Schülern im Alter von 15 Jahren. Durchgeführt hat den aktuellen Bundesländervergleich 2006 ein Konsortium unter der Leitung von Manfred Prenzel (Universität Kiel). Die Ergebnisse des internationalen Bildungsvergleichs PISA 2006 mit Schwerpunkt auf naturwissenschaftlichem Verständnis hatte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) bereits im November 2007 bekannt gegeben (vgl. MuB 10/07, 3/03, 1/02).

Was den Bildungserfolg von Migranten betrifft, konstatierten die Forscher in ihrem Abschlussbericht „PISA in Deutschland. Die Kompetenzen der Jugendlichen im dritten Ländervergleich“, dass Migranten weiterhin schlecht integriert sind, insbesondere im Hinblick auf Teilhabe am Bildungssystem und den Kompetenzenerwerb. So gingen Jugendliche mit Migrationshintergrund in allen Bundesländern seltener aufs Gymnasium. Ihre Chance, ein Gymnasium zu besuchen, erhöhte sich jedoch bei denjenigen, die im Alltag vorwiegend Deutsch sprachen und deren soziale Herkunft höher eingestuft wurde. In den Schularten, die zu einem Hauptschulabschluss führen, waren Jugendliche mit Migrationshintergrund überrepräsentiert. Auch verzögerte sich ihre Schullaufbahn im Vergleich zu ihren Altersgenossen ohne Migrationshintergrund sehr viel häufiger durch Klassenwiederholungen – am stärksten in Bayern, Schleswig-Holstein und den östlichen Bundesländern. Hier wies etwa die Hälfte der Jugendlichen aus Migrantenfamilien eine verzögerte Schullaufbahn auf.
„Im Hinblick auf die Kompetenzen erreichen Jugendliche mit Migrationshintergrund in allen Ländern ein deutlich geringeres Niveau als Jugendliche ohne Migrationshintergrund“, heißt es in dem Bericht. Dies gelte insbesondere für Jugendliche, deren Eltern beide im Ausland geboren wurden. Stark ausgeprägt waren diese Kompetenzunterschiede in Bayern, Rheinland-Pfalz, Hessen und in den Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen, am schwächsten in Nordrhein-Westfalen.

In allen Bundesländern waren Jugendliche, deren Eltern beide im Ausland geboren wurden, sozial deutlich schlechter gestellt. Was den Sprachgebrauch betrifft, sprach in den meisten Ländern über die Hälfte der Jugendlichen mit Migrationshintergrund im Alltag Deutsch. Nur jeder zehnte bis siebte Jugendliche mit Migrationshintergrund verwendete im Alltag vorwiegend die Sprache des Geburtslands seiner Eltern. Die Unterschiede zu Jugendlichen ohne Migrationshintergrund ließen sich insgesamt etwa zur Hälfte auf geringere Sprachkenntnisse und die niedrigere soziale Herkunft zurückführen, so das Fazit der Forscher.

In der Gesamtbewertung schnitten die ostdeutschen Bundesländer im Ländervergleich besonders gut ab, allen voran Sachsen, das in den drei Disziplinen Naturwissenschaften, Mathematik sowie Lese- und Textverständnis den ersten Platz belegte. Ein Grund dafür soll die traditionell anspruchsvolle Ausbildung in den Naturwissenschaften in diesen Bundesländern sein.

Die Anteile von Jugendlichen mit Migrationshintergrund in den östlichen Ländern lagen insgesamt bei 3,3 %. In Berlin, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg war ihr Anteil dagegen mit über 20 % am höchsten. Auch unterschied sich die Zusammensetzung der Schülerschaft mit Migrationshintergrund in den Ländern zum Teil deutlich hinsichtlich ihrer Herkunft: Jugendliche aus der ehemaligen Sowjetunion stellten die deutliche Mehrheit in der Ersten Generation (61,5 %). Die meisten Schüler der Zweiten Generation gaben an, dass ihre Eltern aus der Türkei stammen (48,6 %). In Bayern, Berlin und NRW dominierte die Gruppe der türkischstämmigen, in Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und den östlichen Bundesländern die Gruppe aus den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion. up

Weitere Informationen:
www.kmk.org
pisa.ipn.uni-kiel.de
Zusammenfassung der Sondererhebung in den Bundesländern: pisa.ipn.uni-kiel.de/Zusfsg_PISA2006_national.pdf
Ausführlicher Bericht: PISA 2006 in Deutschland. Die Kompetenzen der Jugendlichen im dritten Ländervergleich (2008). PISA-Konsortium Deutschland (Hrsg.), Münster: Waxmann, 19,90 EUR, ISBN 978-3-8309-2099-1.


Vereinigtes Königreich: Einwanderung erreicht Höchststand

Die Einwanderung ins Vereinigte Königreich hat einen neuen Netto-Höchststand erreicht. Nach Daten des Innenministeriums, die Ende November veröffentlicht wurden, kamen im Jahr 2007 ungefähr 577.000 Menschen zu einem dauerhaften Aufenthalt ins Land. Im gleichen Zeitraum verließen 340.000 Einwohner das Vereinigte Königreich. Der Einwanderungssaldo beträgt 237.000 und ist der höchste, der je in Großbritannien gemessen wurde.

Einwanderungsminister Phil Woolas (Labour) gab an, das neue Einwanderungssystem, das seit März dieses Jahres stufenweise in Kraft gesetzt wurde, werde die Netto-Einwanderung in diesem und in den nächsten Jahren spürbar reduzieren. Aufgrund der weltweiten Finanzkrise kündigte Woolas im Oktober an, sich weiter für restriktivere Einwanderungsregelungen stark zu machen (vgl. MuB 9/08): „Wir müssen unseren Arbeitsmarkt schützen. Großbritannien sollte nicht durch Zuwanderung wachsen“, so Woolas.

Das neue Einwanderungssystem regelt die Zuwanderung über ein Verfahren, bei dem Einwanderer u. a. über ihre berufliche Qualifikation und Sprachkenntnisse Punkte sammeln können (vgl. MuB 2/08). Die Punkthöchsten erhalten dann eine Aufenthaltsgenehmigung. Die meisten Einwanderer, die im Jahr 2007 insgesamt ins Vereinigte Königreich über das Punktesystem kamen, stammen aus Pakistan (16.335), Indien (15.530), gefolgt von Polen (7.300) und Bangladesch (5.330).

Gleichzeitig herrscht im Vereinigten Königreich in verschiedenen Berufszweigen Arbeitskräftemangel. Gesucht werden etwa Mathematiklehrer, Ingenieure, Geologen, Köche sowie qualifiziertes Pflegepersonal (vgl. MuB 8/08). Bei der EU-Erweiterung 2004 hatten Großbritannien, Irland und Schweden als einzige EU-Mitgliedstaaten sofort ihre Arbeitsmärkte für die neuen EU-Bürger aus Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn und Zypern geöffnet (vgl. MuB 3/04). Seither sind aus diesen Staaten über 1 Mio. Menschen nach Großbritannien zugewandert, rund 600.000 davon aus Polen.

Das britische Einwanderungssystem wurde in der jüngsten Vergangenheit oft als zu restriktiv und wenig transparent kritisiert, vor allem von verschiedenen Nichtregierungsorganisationen und einer unabhängigen, von der Regierung eingesetzten Asyl-Kommission. Der mangelnde Zugang zum Arbeitsmarkt und Gesundheitswesen vor allem für Asylbewerber und die Abschiebepraxis gehörten dabei zu den Hauptkritikpunkten (vgl. MuB 4/08). Auch die Einbürgerung von bereits im Vereinigten Königreich lebenden Ausländern wurde dieses Jahr erschwert (vgl. MuB 3/08). chw

Weitere Informationen:
www.homeoffice.gov.uk


Fachtagung
„Diversität sichtbar machen“ - Bewegung in der politischen Bildung
Veranstalter: Bundeszentrale für politische Bildung/bpb in Kooperation mit dem Verband binationaler Familien und Partnerschaften iaf e.V. und in Zusammenarbeit mit dem Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit e.V. (IDA), Düsseldorf, dem Institut für Migrations- und Aussiedlerfragen, HVHS St. Hedwigs-Haus, Oerlinghausen sowie dem Türkischen Bund Berlin-Brandenburg (TBB), Berlin
Termin: 20.3.2009 bis 21.3.2009
Ort: InterCityHotel Frankfurt, Steigenberger Hotelgroup, Poststraße 8, 60329 Frankfurt/Main
Zielgruppe: Multiplikatoren der politischen Bildung, Tätige in der Arbeit mit Migranten, Interessierte aus dem kommunalen und schulischen Bereich
Teilnahmebeitrag: 40 Euro bzw. 20 Euro für Studierende und Erwerbslose
Anmeldung: bei Cornelia Spohn, Bundesgeschäftsstelle Verband binationaler Familien und Partnerschaften iaf e. V., Ludolfusstr. 1-4, 60487 Frankfurt/Main, Fax +49 (0)69 70750-92
Kontakt: bpb, Cornelia Schmitz, Fachbereich Förderung, Adenauerallee 86, 53113 Bonn, Tel +49 (0)228 99515-285, E-Mail: schmitz@bpb.de
Informationen: www.bpb.de/veranstaltungen/54OFQS,0,Diversit%E4t_ sichtbar_ machen_ Bewegung_ in_ der_ politischen_ Bildung.html

Statistisches Bundesamt, Gesis-Zuma, WZB (Hg.): Datenreport 2008. Bonn, 2008, Bestellnummer 1738, Bereitstellungspauschale 4 Euro, Informationen zum Inhalt: www.bpb.de/publikationen/DC0B84,0, Datenreport_2008.html, Online-Bestellung: www.bpb.de/shop

Wolfgang Benz (Hg.): Jahrbuch für Antisemitismusforschung 17. Schwerpunkt: „Feindbild Islam und islamisierter Antisemitismus“. Berlin, 2008, ISBN 978-3-940938-20-6, 21 Euro, Online-Bestellung: www.metropol-verlag.de

Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Migrationsbericht 2007. PDF-Download unter: www.bmi.bund.de/Internet/Content/ Nachrichten/ Pressemitteilungen/ 2008/ 12/ Migrationsbericht__2007.html

Robert Feil, Wolfgang Hesse: Demokratie in Deutschland. Die Fibel zum Einbürgerungstest. Stuttgart, 2009, Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, 7 Euro, Bestellung per Fax: +49 (0)711 16409977, Online-Bestellung: www.lpb-bw.de/shop oder www.i-punkt-projekt.de
„Demokratie in Deutschland“ bietet die ideale Grundlage zur Vorbereitung auf den Einbürgerungstest. Die Fibel ist ein kleines 1x1 der Demokratie und Geschichte Deutschlands: Sie erklärt Zusammenhänge verständlich und anschaulich und ist sorgfältig auf die Testfragen abgestimmt. Als Beilage gibt es alle bundeseinheitlichen Fragen auf praktischen Lernkarten.

Marion Lillig: Identitätskonstruktionen von Exilantinnen. Aufgeben nur Pakete und Briefe, nicht und nie mich. Frankfurt/M., 2008. Europäische Migrationsforschung. Herausgegeben von Manfred Bayer und Wolfgang Mitter. Bd. 6, ISBN 978-3-631-57714-1, 42,50 Euro, Online-Bestellung: www.peterlang.de

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