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4. Deutsche Islam Konferenz (DIK)


Von Franziska Sylla

Deutschland, die Welt und die Muslime: Vom Scheitern über den Dialog zur Zusammenarbeit?

Berlin, Donnerstag, 25. 6./10.7.2009. Im Allgemeinen ist es ein gutes Zeichen bei Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihren Gesprächspartnern, wenn die Pressekonferenzen verspätet beginnen, weil der gemeinsame Austausch länger als geplant dauerte. Zumeist waren die Gespräche intensiver und die wartenden Journalisten werden belohnt mit gelassenen, manchmal glücklich wirkenden Interviewpartnern, die gerne und viel reden. Das macht sich häufig atmosphärisch bemerkbar.

Das sagte dann auch Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) kurz vor 14 Uhr, eine dreiviertel Stunde später als geplant, in der Pressekonferenz im Hamburger Bahnhof in Berlin. Der Saal in der Invalidenstraße 50, der an anderen Tagen als Galerie genutzt wird, war mit rund vierzig Zuhörern aus der DIK und etwa dreißig Journalisten prall gefüllt. Die Geräuschkulisse war stärker als gewöhnlich bei politischen Pressekonferenzen. Die Gespräche der Journalisten von der Tagespresse an den Telefonen und die der DIK-Teilnehmer untereinander oder im Interview mit Hörfunk- oder Fernsehredakteuren waren laut, und so mochten Schäubles „atmosphärisch“ spürbaren Fortschritte ausgerechnet von Wolfgang Schäuble, der die Deutsche Islam Konferenz 2006 ins Leben rief, eher als kompromissbereite Vorlage daher, damit die Arbeit der immerhin vierten und für diese Legislaturperiode letzten Deutschen Islam Konferenz überhaupt von der Allgemeinheit honoriert werden oder eben Schäuble sich als Harmonie willig zeigen konnte.

Minister Schäuble erinnerte an den frühen Morgen, als die Kanzlerin extra noch an der Begrüßung der DIK-Teilnehmer teilgenommen und einige Gespräche geführt habe. Sie wünsche, in der nächsten Legislaturperiode sollte die Deutsche Islam Konferenz auf jeden Fall weiter geführt werden können.

Welche Erfolge hatten die Arbeitsgruppen?
War der vorgegebenen Arbeitsrahmen vom Innenministerium zu eng, wie Podiumsmitglied Ayyub Axel Köhler, Vorstandssprecher des Koordinierungsrats der Muslime in Deutschland e. V. (KRM) und des Zentralrats der Muslime in Deutschland e. V. (ZMD) die Arbeitsweise der DIK kritisierte?

Was bleibt zwischen der deutschen Bundesregierung, den Vertretern der Bundesländer und den Vertretern der vier stärksten Migrationsverbänden vorerst unüberbrückbar?

Was gibt das Deutsche Grundgesetz den Muslimen wirklich, damit sie in Deutschland nicht nur arbeiten und ihre individuellen Lebensentwürfe voran bringen, sondern auch eine traditionelle Gemeinschaft am Leben erhalten können, die trotz der Heimat Deutschlands und der hiesigen gesellschaftlichen Entwicklungen und Herausforderungen, die religiösen und ethnischen Wurzeln pflegen lässt?

Mitten im Leben mit den „Bio-Deutschen“ und gleichzeitig muslimischen Religionsriten ausüben, das ist in Deutschland grundgesetzlich geregelt, darauf beruft sich Wolfgang Schäuble immer wieder. Die Begriffe Religion und Religionsausübung kommt in drei Artikeln des Grundgesetzes (GG) vor. Niemand darf in seinem Glauben eingeschränkt werden steht in Artikel 3, Absatz 3 und in Artikel 4 GG Absatz 1 und 2 heißt es: Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich und die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.

In Artikel 7 GG, Absatz 2 ist der Religionsunterricht in staatlichen und privaten geregelt und, dass die Erziehungsberechtigten das Recht, über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen. aber was, wenn die Religionsausübenden eben genau die grundgesetzliche Ordnung eines Staatsgebildes unter die Glaubensbekenntnisse ansiedeln wollte? Wie geht man damit um? Wer gibt nach? Sind politische Unterwerfungsgesten angebracht, weil muslimisch geprägten Bürgerschaften und die Grundgesetz Orientierte konkurrieren? Und, wie bereit sind die Migrationsverbände eigentlich, in Sicherheitsfragen mit Deutschland an einer Außenpolitik zu arbeiten?

Neben Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble und Axel Mäurer nahmen DIK-Sprecher Nassir Djafari, Volkswirt und Experte für Entwicklungspolitik bei der KfW-Entwicklungsdatenbank, Kompetenzcenter Entwicklungsländerökonomie teil, Ulrich Mäurer, Senator für Inneres und Sport der Freien Hansestadt Bremen. Mäurer ist gleichzeitig Vorsitzender der Innenministerkonferenz (IMK). Zu den Podiumsteilnehmern gehörten auch Henry Tech, Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur des Landes Mecklenburg- Vorpommern und Vorsitzender der Kultusministerkonferenz (KMK).

Die Hoffnung stirbt zuletzt. Doch da war mehr als Hoffnung spürbar. Die Forderungen noch aus dem Jahr 2007, als sich die muslimisch geprägte Bürgerschaft noch lange nicht auf Augenhöhe mit der Deutschen Bundesregierung wähnte, haben sich zum größten Teil erfüllt. Die Differenzen zwischen den Verbänden sind geschrumpft und die Qualität der Dialog- und Lernprojekte haben zugenommen. Neue Initiativen probieren Gesellschaftsmuster aus, die Menschen zusammen bringen zum Lernen, aber auch zum Kommunizieren und arbeiten. Die meisten Teilnehmer der DIK arbeiten direkt oder indirekt im Parallelprojekt der schwarz-roten Bundesregierung beim Nationalen Integrationsplan mit.

Nihat Sorgec, Chef vom Bildungswerk

Kreuzberg (BWK) links im Bild, arbeitet bereits seit Gründung des sogenannten Forums für Integration 2006 in der Integrationspolitik engagiert mit. Er ist Teilnehmer der DIK und des Nationalen Integrationsplans. (Foto: DIK)

Die Welt und ihre Muslime. Bundeskanzlerin Merkel wolle heute bei ihrem USA-Besuch mit Präsident Barack Obama erstmals über die in Deutschland 2006 ins Leben gerufenen Deutsche Islam Konferenz sprechen, sagte Wolfgang Schäuble.

Der Innenminister betonte „die ungewöhnlich, intensive Diskussion, die diese Islam-Konferenz zu Eigen ist“ und deren internationale Bekanntheit. Die Bundeskanzlerin nahm morgens noch am Gesprächskreis im Kanzleramt teil und zeigte damit, dass die Bemühungen der Bundesregierung insgesamt von einer großen breiten Bürgerschaft, der Vertreter der Bundesländer und der Muslimischen Vereinigungen angenommen werden würden.
„Wie sehr wir das alles gemeinsam tragen“, sagte auch der Vertreter des Deutschen Städtetages Henry Tech: „ Wir haben mehr Veränderungen voran gebracht, als viele anfangs gedacht hatten“. Rund um den Schulalltag bezogen auf den Religionsunterricht habe Tech seine Vorschläge und Vorgaben der Länderpläne in der Plenarsitzung der Deutschen Islam Konferenz vorgetragen. (Plenarsitzung heißt die DIK laut Sprecherin des Innenministeriums übrigens nur, wenn alle Teilnehmer zusammen kommen. Die einzelnen Arbeitsgruppen treffen sich häufiger im Jahr.)

Man wolle das schaffen, dass die muslimisch geprägten Lebensentwürfe in Deutschland gelingen, dabei unterstütze die „Akzeptierung der Vielfalt“, sagte Innenminister Schäuble. Das Ziel sei gerade nicht die enge Verfassung einzuhalten, sondern die unterschiedlichen Lebensweisen leben zu können. Atmosphärisch könne man, so Schäuble, schon etwas spüren an dem gemeinsamen Wachstum, das sich selbst tragen könne. Von „sehr harmonisch“, spricht auch Ayyub Axel Köhler, Vorsitzender des Koordinierungsrats der Muslime in Deutschland (KRM). „Das wird nicht immer so bleiben“, sagte Köhler, Streit wird es immer wieder geben, aber weitergehen müssen die gemeinsamen DIK-Treffen auf jeden Fall, die Frage sei wie. Nach den gleichen Strukturen oder verändert, indem die Muslime mehr an anderen Konferenzen beteiligt werden?

Über den Vorschlag von Seiten der Bundesregierung und der Länder, einen repräsentativen Ansprechpartner mit einem kleinen Kommunikationsrat zusammen zu schließen, konnten sich die vier muslimischen Großverbände nicht einig werden, die Repräsentanz sei zu klein gehalten.

Besser einbinden wollen die Migrationsverbände auch die Moschee-Ebene, hier würde das islamische Leben gelebt, die Moschee-Gemeinden sind auch der Ansprechpartner für jene Bürger, die nicht an eine Gemeinde gebunden sind. Der Service würde da auch in Anspruch genommen. „Das ist ein wichtiges Ergebnis der Konferenz. Die Mehrzahl der Bürger nutze diesen Service“. Die Repräsentanz der vier Dachverbände müsse das auschlaggebende sein, resümierte Köhler. Verhängnisvoll sehe er die Reduzierung auf einen Ansprechpartner. Das zerstöre die Einheit der Muslime in Deutschland. „Wir entwickeln hier einen eigenständigen Islam“, das begrüße Köhler.

Sicherheitspapier zugestimmt?
Die Gründe für das lange Warten der Journalisten auf die DIK-Teilnehmer seien unter anderem die nicht enden wollenden Diskussionen aus der Arbeitsgruppe eins gewesen, Gesprächskreis Sicherheit. Der Ansatz zeige zwar, so Wolfgang Schäuble, „wir haben mehr erreicht, als viele gedacht haben“, aber es gab einige Punkte, wo das Verständnis auf harte Proben gestellt wurde. Die Muslimischen Verbandsvertreter müssten sich theoretisch um einen beweglicheren Mitarbeiterstab bemühen, der als Sachverständigenrat die Fragen muslimischer Politik an die Bundesregierung herantrage beziehungsweise die Pläne der Bundesregierung in die verschiedenen Verbände hinaustrage. Dieser Sachverständigenrat sollte laut Bundesplan anstelle der großen Konferenzen agieren, doch die vier stärksten Migrationsverbände auf Bundesebene konnten sich bisher nicht einigen, ihre Interessensvertreter zurückzunehmen, und so heißt der Kompromiss, der Sachverständigenrat oder auch Islamrat wird ergänzend zu den bereits bestehenden Arbeitskreisen wirken. Da gebe es viele Aufgaben, so habe Tech, sagte Innenminister Schäuble, das Niveau der Hochschulen aufrecht zu halten. Diese Länderübergreifenden Aufgaben müssen mit den muslimischen Vertretern besprochen werden. Ein Zwischenresumeé haben nicht alle Verbände unterzeichneten, hieß es am Donnerstag, darunter auch Teilnehmer des Islamrat der Arbeitsgruppe 1, aus dem Gesprächskreis Sicherheit.

Was kommt für die Muslimen auf der Straße dabei heraus?
Die Aktivitäten der muslimischen Verbänden und den Deutschen Vertretern des Staates wollen kein geschaffenes Konstrukt sein, das kaum nach draußen dringe, ganz alltagspraktische Erfahrungen beispielsweise bei der Form von Begräbnissen werden angegangen. „Der Islam ist auch ein Teil unseres Landes geworden, der ist Wirklichkeit und nicht mehr wegzudenken“, sagte Schäuble, das müsse auch von der hier lebenden Islamischen Bevölkerung akzeptiert werden. Da verändere sich ganz konkret etwas für die Menschen. Merkel habe heute Morgen noch mal den seit 2006 bestehenden Nationalen Integrationsplan mit den vielfältigen Veranstaltungen der Staatsministerin für Integration, Maria Böhmer (CDU) und den Bundesländerinitiativen erwähnt. Wo Menschen zusammen kämen, so Axel Köhler, da gebe es Herausforderungen, so auch bei islamischen Verbänden: „Da ist es genauso“.

Es sei die Aufgabe eben auch eine andere Meinung über die anstehende eigene Meinung zuzulassen. Die Verbände lösten sich nicht auf beim Zusammenkommen und wenn sie einen gemeinsamen Ansprechpartner bildeten. Der innerdeutsche Islamdialog ist notwendig. „Deswegen hatten wir uns in der DIK zusammen geschlossen. Die Lehre unsere Religion ist hier unsere gemeinsame Grundlage“, sagte Nassir Djafari, von der KfW-Entwicklungsdatenbank. Die DIK habe gezeigt, dass die unterschiedlichsten Persönlichkeiten miteinander reden und etwas Vernünftiges entsteht. „Daran muss uns immer gelegen sein“, sagte er. Die Klischees, die verbreitet waren seien noch kleiner geworden und das Denken der Muslimen sei offener geworden, die empirischen Ergebnisse sollten noch weiter verbreitet werden. Diese Realität sei es, die vermittelt werden soll, die Politik soll nicht ohne die empirischen Daten stattfinden. Die DIK habe sich mit der Berichterstattung über den Islam beschäftigt, aber eben auch über die Lenkungsmanöver, die die iranische Bevölkerung beispielsweise betreffe, die Teilnehmer verstehen den Austausch darüber als einen Lernprozess.

Die Pressefreiheit habe nicht berücksichtigt, dass sie zu viele negative Berichte über den Islam veröffentlicht wurden, sagte Axel Köhler. Es sei eine Daueraufgabe, an den empirisch orientierten Berichterstattungen weiter zu arbeiten. (fs, lÄ 18709)

Forschungsbericht der Deutschen Islam Konferenz

Bild zur Studie: Muslimisches Leben in Deutschland

(Bild: DIK)

Neue Studie: "Muslimisches Leben in Deutschland" Erste bundesweit repräsentative Studie Integration verändert die gesamte deutsche Gesellschaft Mit der Studie "Muslimisches Leben in Deutschland" des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge liegt die erste bundesweit repräsentative Datenbasis vor. Anlässlich der vierten Plenarsitzung der Deutschen Islam Konferenz wurde sie am 25.06.2009 in Berlin der Öffentlichkeit vorgestellt. Sie gibt mit rund 6.000 befragten Personen aus 49 muslimisch geprägten Herkunftsländern einen umfassenden Überblick über das muslimische Leben in Deutschland. Dargestellt werden insbesondere die Anzahl der Muslime in Deutschland, die Glaubensrichtungen, religiöse Praxis und verschiedene Aspekte der Integration.

Weiterführendes

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