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Massierende Männer helfen, redende Männer schaden.

Oxytocinproduktion, Variante Stillen

Bildquelle: http://www.progressdaily.com /2006/03/page/2/

Erschienen in der Weltwoche (1.6.2005), Ausgabe 22

Von Suzann-Viola Renninger

Oxytocin - Dieser Stoff verdient Ihr Vertrauen

Das dürfen Sie uns glauben: Mit Oxytocin ist Ihr Mann nie mehr untreu, und Sie verlieren die Angst vor anderen – sofern er eine Maus ist und Sie Sozialphobikerin sind. Die Entdeckung von Schweizer Forschern könnte dennoch aufregend werden.

Ein Schuss in die Nase, und alles wird gut. (...) Markus Heinrichs hat noch eine andere Wirkung von Oxytocin gefunden. Bei Männern mit erhöhten Oxytocinwerten im Hirn kann die Erinnerung aussetzen, wenn es um Erotik und kleine Kinder geht. Der Forscher zeigte Männern Dias mit Begriffen, die sich auf Sex, Babys, Süssigkeiten oder Autos bezogen, also Wörter wie Vorspiel, Schnuller, Torte oder Wagenheber. In einem Test wurde überprüft, was davon im Gedächtnis hängen geblieben war. Eigentlich wollte Heinrichs damit zeigen, dass Oxytocin das Kurzzeitgedächtnis negativ beeinflusst. Doch völlig unerwartet erinnerten sich Männer, die sich Oxytocin in die Nase gesprüht hatten, nur schlecht an das Vorspiel und den Schnuller. Die Torte und der Wagenheber waren ihnen besser im Gedächtnis hängen geblieben.

Über die Erklärung für diese selektive Gedächtnisleistung kann nur spekuliert werden. Möglicherweise zeigen sich hier Spuren von weit in die Evolution zurückreichenden Fortpflanzungsstrategien: Nach der Zeugung rennen Männer eher davon, die Frauen bleiben zurück und kümmern sich um den Nachwuchs. Für den Mann ist es daher nicht relevant, Informationen über gehabten Sex und die möglichen Folgen in der Erinnerung zu behalten. Dass die höchsten Oxytocinwerte beim männlichen Orgasmus gefunden werden, könnte ein Hinweis darauf sein, dass diese Spekulation nicht abwegig ist.

Konsequenzen haben die neuen Forschungen bisher vor allem für die Medizin und die Psychotherapie. Während Markus Heinrichs in den ersten Jahren noch belächelt wurde, weil er sich – eine Ausnahme unter seinen Kollegen – mit dem «Frauen- und Stillhormon» beschäftigte, ist durch seine Studien inzwischen deutlich geworden, wie wichtig das Hormon für das subjektive Wohlbefinden ist und für unsere Fähigkeit, mit sozialen Situationen angstfrei umzugehen.

Heinrichs arbeitet nicht nur als Forscher am Psychologischen Institut der Universität, sondern auch als Psychotherapeut für Sozialphobiker. Das sind Menschen, die unter krankhafter Schüchternheit leiden. Viele trauen sich kaum in die Gesellschaft anderer Menschen, schon das Grüssen der Kassiererin beim Einkaufen kann zur unüberwindbaren Hürde werden. Auch Manager können plötzlich von der Phobie befallen werden, nachdem sie jahrelang im Mittelpunkt des Interesses gestanden und souverän Sitzungen geleitet hatten.

Die krankhafte Angst vor sozialen Begegnungen ist weitverbreitet. Nach Depression und Alkoholismus ist die soziale Phobie weltweit die dritthäufigste behandlungsbedürftige psychische Störung. Mehr als ein Drittel der Sozialphobiker galten bislang als therapieresistent, ihnen konnte weder mit den üblichen Psychopharmaka noch mit einer Verhaltenstherapie geholfen werden. Für sie sieht Markus Heinrichs im Oxytocin die Chance, doch noch einen Weg aus der Krankheit zu finden. Sprühten sich die Patienten vor einer Angstsituation Oxytocin in die Nase, war ihre Schwellenangst geringer. Sie spürten gewissermassen einen Rückenwind, der ihnen half, den ersten, oft als besonders schwierig empfundenen Schritt unter die Menschen zu machen. Doch Oxytocin allein bewirkt keine Wunder. «Es hilft nur in Kombination mit einer Verhaltenstherapie», sagt Heinrichs. «Hier allerdings sind die Erfolge vielversprechend.»

Das Hormon muss nicht von aussen zugeführt werden, damit sich eine grössere Gelassenheit einstellt. Viele Frauen berichten, dass sie beim Stillen ihres Kindes ruhiger werden und abschalten können. Dieses Empfinden ist sehr wahrscheinlich auf das Oxytocin zurückzuführen, das bei einer stillenden Mutter im Gehirn vermehrt freigesetzt wird. Doch nicht nur das saugende Baby regt die Oxytocinproduktion im Gehirn an; eine Nackenmassage kann dieselbe Wirkung haben.

Bei Frauen etwa helfen die massierenden Hände des Partners, einen nur schon vom Hörensagen furchteinflössenden Standardtest der Psychologie besser zu meistern. Dabei müssen sie vor einem unbekannten Gremium, allein im Scheinwerferlicht und gefilmt von einer Kamera, ein Bewerbungsinterview durchhalten. Mit der Nackenmassage schlug das Herz der Frauen ruhiger, zitterten die Hände weniger und behielt das Gesicht eine rosigere Farbe. Auch stiegen die Werte des Stresshormons Cortisol weniger an. Frauen, die vorher keine wohltuenden Hände gespürt hatten, erging es beim Interview weitaus schlechter. Die positiven Effekte der Massage werden massgeblich durch erhöhte Konzentrationen von Oxytocin im Gehirn vermittelt.

Bemerkenswert ist, dass Frauen wohlwollendes Zureden des Partners weit weniger hilft als Massage. Im Gegenteil: Gibt er gute Ratschläge, schneiden sie im Stresstest schlechter ab, als wenn sie sich allein auf das Interview vorbereitet haben. Massierende Männer helfen, redende Männer schaden. » Zum ganzen Bericht bei der schweizer Weltwoche.ch

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