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Kindergrundsicherung: Für alle Kinder 500 Euro


Wissenschaftler fordern Revolution in der Familienpolitik/Bündnis legt Finanzierungskonzept vor/Familienministerium aktuell noch skeptisch

Berlin, 14./17. 4. 2009. (fs) Mehr Gerechtigkeit für Kinder. Fast jedes sechste Kind in Deutschland ist laut Unicef von Armut betroffen, etwa 2,4 Millionen Kinder beziehen Leistungen nach Hartz IV. Aktuell werden Kinder je nach Erwerbssituation ihrer Eltern ungleich finanziell gefördert. Das gemeinnützige Bündnis Kindergrundsicherung stellte am Dienstag in einer Pressekonferenz in Berlin ein Finanzierungskonzept vor, das die Widersprüche in dem gegenwärtigen Sozialsystem auflösen will.

„Die Chancen auf ein gutes Aufwachsen sind von Geburt an ungleich verteilt“, sagte Christiane Reckmann, Vorstandssprecherin der Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e.V. (AWO) und dem Zukunftsforum Familie eV (ZFF). Beide Nichtregierungsorganisationen sind Mitglieder im Bündnis Kindergrundsicherung.

Die stark wissenschaftlich geprägte Gruppe des Bündnisses Kindergrundsicherung fordert eine Gleichbehandlung aller Kinder. Das Bundesverfassungsgericht (BuVerG) habe einem kindlichen Existenzminimum, beziehungsweise einen Freistellungsbetrag für deren erwerbstätige Eltern, von rund 500 Euro monatlich zugestimmt, sagte Hans Bertram, Professor an der Humboldt-Universität in Berlin.
Der Grundsicherungsbetrag setze sich zusammen aus dem sächlichen Existenzminimum von 322 Euro und dem Freibetrag für die Betreuung oder Ausbildung in der Höhe von 180 Euro pro Monat. Diese gesetzliche Praxis berücksichtige aber faktisch Kinder, „deren Eltern Steuern zahlen können“, sagte Bertram. Kinder Erwerbsloser und Geringverdiener beziehen je nach Alter Sozialgeld in Höhe von 211 bis 281 Euro pro Monat. Erwerbstätige mit unterem und mittleren Einkommen erhalten Kindergeld zwischen 164 Euro für die beiden ersten Kinder und 195 Euro für jedes weitere Kind.
Kinder von Gut- und Spitzenverdienern profitieren mit steigendem Einkommen besonders von den steuerlichen Kinderfreibeträgen Dank des progressiven Steuersystems in Deutschland. Einkommensstarken Personen stehen aufgrund der Freibeträge aktuell bis zu 240 Euro pro Monat und Kind zu. Zusätzlich nützen Bezieher höherer Einkommen die steuersparende Absetzung ihrer Geldausgaben für häusliche Kinderbetreuung oder die schulische Ausbildung in Privatschulen.

Der Vorschlag des Bündnisses Kindergrundsicherung e.V. ist, alle „Kinder mit einer Grundsicherung in Höhe von 500 Euro monatlich abzusichern“, gewährt bis zum 27. Lebensjahr. Dies sei der grundlegende „Bedarf, den Kinder für ihr Aufwachsen benötigen, und den das Bundesverfassungsgericht festgehalten hat, aus öffentlichen Mitteln gedeckt“, sagte Professor Hans Bertram am Dienstag in Berlin.

Der Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Ulrich Thöne sagte, die Kinderarmut ließe „sich weder über geringfügige Anhebungen des Kindergeldes noch über die Ausweitung des Kinderzuschlags noch über die Erhöhung der Regelsätze in der Grundsicherung rasch, zielgerichtet und befriedigend lösen“.

Heinz Hilgers, Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes (DKSB) ist klar, „der Wechsel vom System vieler undurchsichtiger monetärer Einzelmaßnahmen hin zu einer transparenten Kindergrundsicherung“ erfordere „politischen Mut über Parteigrenzen und Legislaturperiode hinweg“.

Forderungen an das Finanzierungskonzept
Das Konzept vom Bündnis Kindergrundsicherung sieht entweder 500 Euro monatlich für jedes Kind bis zum 27. Lebensjahr vor oder 322 Euro, wobei hier ein kostenloser Zugang zur Kindesbetreuung, Schulessen und (Aus-) Bildung bis zum 27. Lebensjahr für alle zur Bedingung steht. Ist kein kostenfreier Zugang in absehbarer Zeit möglich, müsse zum sächlichen Existenzminimum ein Betrag von mindestens 180 Euro bereit gestellt werden.
In beiden Fällen entfielen diverse Telförderungen und steuerliche Teilentlastungen, die oftmals komplizierte Verwaltungsaufwendungen für die Betroffenen und die Ämter darstellen, wie das Ehegattensplitting, das mehr „die Ehen gefördert hat, als die Kinder“, so Professor Bertram, aber auch das Existenzminimum nach dem Berufsausbildungsförderungsgesetz für Studenten (BAföG).
Die Kindergeldsicherung soll an alle Eltern, beziehungsweise Kinder unbürokratisch ausgezahlt werden. Wechseln die Kinder in die Schule, in die Ausbildung, ins Studium oder in eine Erwachsenenbildung, solle die Kindergrundsicherung unabhängig von den Eltern an die Schülerinnen oder Studenten bis zum 27. Lebensjahr direkt gezahlt werden.

Finanzierungskonzept der Kindergrundsicherung

Das Modell nach dem Bündnis Kindergrundsicherung in Höhe von 500 Euro brutto kostet das Dreifache der heutigen Kindergeldzahlungen, heißt es in einer Pressemitteilung des Bündnisses, das seien rund 100 Milliarden Euro. Die realen Zusatzkosten würden bei einem Systemwechsel auf etwa 10 Milliarden Euro begrenzt. In die Kindergrundsicherung aufgehen sollen das Kindergeld, der Kindergeldzuschlag, das Sozialgeld, der Unterhaltsvorschuss, die Grundsicherung nach BAföG, das Ehegattensplitting. Damit würden rund 44,5 Milliarden Euro für die Kindergrundsicherung erreicht werden.
Der 500 Euro-Betrag soll je nach Höhe des elterlichen Einkommens besteuert werden. Damit wäre sicher gestellt, dass Eltern im SGB-II-Bezug und Eltern mit niedrigem Erwerbseinkommen die Leistung im vollen Umfang erhalten, bisher geht das Kindergeld, wie alle vermögenswirksamen Leistungen, im SGB-Bezug auf. Spitzenverdiener würden maximal in Höhe der Wirkung der Freibeträge, etwa 240 Euro monatlich, entlastet.

Der Rückfluss durch die Besteuerung der Leistungen beträgt rund 30 Milliarden Euro. Achtzehn Milliarden Euro nehme der Staat ein, entfiele das Ehegattensplitting. Das Bündnis Kindergrundsicherung plädiert für die Umwandlung des Ehegattensplittings in eine Individualsteuer, die eine solidarische Mitfinanzierung der Kindergrundsicherung garantiere.

Es verbleibt nach dem aktuellen Modell eine zehn Milliarden große Finanzierungslücke, „die der politischen Gestaltbarkeit unterliegt“, sagte Professor Bertram von der Humboldt Universität. Die Kindergrundsicherung ist eine konsequente und mutige Lösung, diesen Mut, so Professor Bertram, „haben 2,4 Millionen arme Kinder in Deutschland verdient“. Daher rufe er gemeinsam mit dem Bündnis alle Akteure aus Politik, Medien, Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft zum Diskutieren und Weiterdenken auf.

Weiterführendes
» www.kinderarmut-hat-Folgen.de

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