"In Bewegung bleiben" - 100 Jahre Lesbenbewegung
Das
lebendige Bild der politischen Lesbenbewegung
Von
Michael
Ermisch
Die
Titelzeile "In Bewegung bleiben" ist so spannend wie ein Kräuterteestrumpf.
Aber vielleicht ist es ja Absicht: Ein Buch über hundert Jahre Lesbengeschichte
muss eben so anmuten, dass es in Lesben-Wohngemeinschafts-Küchen mit Teestrümpfen
passt. Die
Wirklichkeit ist wie immer komplexer als das Vorurteil, und "In Bewegung
bleiben" ist trotz seiner Abgründe ein gutes Buch der deutschen
Lesbenbewegung, das in keinem historischen Archiv fehlen sollte.
Die
Herausgeber Gabriele Dennert, Christian Leidinger und Franziska Rauchut
beschreiben die gesamte Lesbengeschichte in einem Band lebendig, informativ, vielfältig,
analytisch und streitbar. Mit rund hundert Essays und Texten, in dem auch viele einschlägige Akteurinnen zur politischen Organisierung, Alltag und
Kultur lesbischer Frauen im 20. Jahrhundert selbst zu Wort kommen. Alles
Wesentliche steht darin, so dass man "In Bewegung bleiben" wie ein
Nachschlagewerk benutzen kann. Was passiert in den Selbsterfahrungsgruppen der
70er? Wie begann die Rassismusdebatte in den 80er? Warum war die Band
"Flying Lesbians" so kultig? Und was bedeutet "queer"? Wer
Antworten auf diese und andere Fragen sucht, wird fündig.
Jüngere
Lesben, die Identitätspolitik und Separatismus der Alten zum Lachen finden, können
durch "In Bewegung bleiben" dazulernen. Das ist vor allem den längeren,
detailgetreuen Überblickskapiteln,
die chronologisch sortiert und wissenschaftlich unterfüttert sind, zu verdanken.
Der Schwerpunkt liegt jedoch auf den politischen Debatten innerhalb der
Lesbenbewegung. Kultur, Sport und einzelne Persönlichkeiten bekommen weniger
Platz, was man bedauern kann, jedoch ist Vollständigkeit auf 450 Seiten unmöglich.
"Prolo-Lesben",
Queer-Theoretikerinnen, Sex-Party-Veranstalterinnen, "Ossis" und
Graswurzel-Filmemacherinnen, jede schreibt wie sie eben kann und das führt natürlich
hier und da zu Zumutungen. Doch den Akteurinnen eine Stimme zu geben, knüpft an
ebenjene historische Emanzipationsstrategien an, die im Buch beschrieben werden.
Es ist gleichzeitig ein wunderbares Dokument über lesbische Befindlichkeiten im
Jahr 2007.
Dieses
spannende Lesebuch ist ein lebendiges Bild der politischen Lesbenbewegung vom
Ende des 19. bis zum 21. Jahrhundert. Eine gelebte Geschichte, die Feministinnen
der ersten Stunde genauso begeistern wird wie junge Lesben und alle politisch
Interessierten heute.
"In
Bewegung bleiben" 100 Jahre Politik, Kultur und Geschichte von Lesben,
Querverlag, 2007, 24,90 Euro
http://www.querverlag.de/books/in_bewegung_bleiben.html
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